DREIZEHNTE TAGUNG

(Frühjahrstagung, Straßburg, 27. – 28. März 2007)

Empfehlung 208 (2007) 1

über den Zugang von Menschen mit Behinderungen

zu Infrastrukturen und öffentlichen Räumen

1 Diskussion und Annahme durch den Ständigen Ausschuss des Kongresses am 27. März (siehe Dokument CG(13)41, Empfehlungsentwurf vorgelegt durch E. Haider (Österreich, R, SOC), Berichterstatter).


1. Die Mitgliedstaaten erließen in den letzten Jahren eine Reihe von Vorschriften und gingen Verpflichtungen ein, um die Zugänglichkeit zu öffentlichen Räumen für Menschen mit Behinderungen (körperliche, kognitive oder sensorische) zu erleichtern – d.h. ihnen die Möglichkeit zu geben, sich ungehindert fortzubewegen, von kollektiven Einrichtungen zu profitieren und so die Gemeindedienste autonom zu nutzen. Jedoch gaben die Regierungen im Rahmen des Europäischen Jahres für Menschen mit Behinderungen (2003) zu, dass die Ergebnisse nicht den Erwartungen entsprachen. Die Vorschriften und Normen, falls es sie denn gibt, werden nicht überall angewendet;

2. Die Integrationsminister für Menschen mit Behinderungen (Europäische Konferenz von Malaga, 2003) erstellten daher einen Zeitplan für die europäische Behindertenpolitik für die nächsten zehn Jahre. Der Aktionsplan des Europarates, der in der Empfehlung Rec (2006)5 des Ministerkomitees für die Förderung der Rechte und Vollbeteiligung von Menschen mit Behinderungen an der Gesellschaft enthalten ist und der Verbesserung der Lebensqualität für Menschen mit Behinderungen in Europa für 2006-2015 dient, ist das direkte Ergebnis dieser Konferenz;

3. Mit der Annahme der Entschließung 1984 für das Teilabkommen (84) 3 über eine kohärente Politik zur Rehabilitation von Menschen mit Behinderungen ist der Europarat bereits von einem rein medizinischen Ansatz der Behinderung zu einem Ansatz übergegangen, der sich auf den Zugang zu den sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Rechten von Menschen mit Behinderungen gründet;

4. Der Kongress der Gemeinden und Regionen ist seinerseits der Auffassung, dass eine Umgebung, die für alle zugänglich ist, eine Vorbedingung für eine Gesellschaft ist, die sich auf gleiche Rechte gründet und es allen Bürgern ermöglicht, ein autonomes Leben zu führen;

5. Eine Umgebung, die keine Hindernisse oder Einschränkungen schafft, ist im Interesse aller, nicht nur der Personen, die unter besonderen Einschränkungen leiden. Außerdem kann es jedem Bürger passieren, dass seine Mobilität von einem bestimmten Moment seines Lebens an aus verschiedenen Gründen eingeschränkt ist, nicht nur aufgrund einer Behinderung, sondern auch aufgrund von Alter, besonderer oder vorübergehender gesundheitlicher Umstände (schwangere Frauen zum Beispiel). Die Zugänglichkeit betrifft daher alle und begünstigt die Integration und die soziale Beteiligung von Menschen mit permanenten oder vorübergehenden Behinderungen;

6. Die zugänglichen Einrichtungen oder Wohnungen haben jedoch nur dann einen Sinn, wenn auch die Umgebung (Straßennetz, Transport) angepasst ist. Der Kongress ist der Auffassung, dass es daher unverzichtbar ist, dass der Begriff Zugänglichkeit und das Prinzip des „universal design“ (Normen und integrative Technologien, die wenn sie auf die Infrastrukturen und öffentlichen Räume angewendet werden, ein selbstständigeres Leben ermöglichen) ihren Platz in der Raumordnung auf allen Ebenen finden (Stadt, Region, Staat);

7. In diesem Sinne unterstützt der Kongress den Aktionsplan des Europarates zur Förderung der Rechte und Vollbeteiligung von Menschen mit Behinderungen an der Gesellschaft voll und ganz und strebt eine Verbesserung der Lebensqualität für Menschen mit Behinderungen an. Er empfiehlt dem Ministerkomitee, die Mitgliedstaaten aufzufordern:

a. ihre nationalen Programme für Behinderte an dem Aktionsplan des Europarates zu messen, um die Einhaltung auf nationaler Ebene zusammen mit den Gemeinden und den Regionen sowie den Behindertenorganisationen überwachen zu können;

b. eine integrierte nationale Politik der Zugänglichkeit zu entwickeln, die für eine kohärente Raumordnungspolitik eintritt, die den Zugang zu Infrastrukturen und öffentlichen Räumen nach dem Prinzip des „universal design“ ermöglicht;

c.

d. sicherzustellen, dass die Gemeinden und Regionen über die notwendigen Mittel zur Einrichtung spezieller Organe verfügen, die auf die Kohärenz der Pläne und Maßnahmen zur Zugänglichkeit für Menschen mit Behinderungen auf kommunaler und regionaler Ebene achten;

e. falls noch nicht geschehen, auf nationaler Ebene einen „Bürgerbeauftragten für Zugänglichkeit“ einzusetzen. Dieser dient als Relais der kommunalen Bürgerbeauftragten beim Staat und ist mit der Überwachung gleichberechtigter Lebensbedingungen für Menschen mit Behinderungen in den Städten und Regionen betraut;


f. Nichtregierungsorganisationen für Menschen mit Behinderungen finanziell zu unterstützen, um ihre Funktionsweise und Vernetzung zu gewährleisten oder ihre Einrichtung zu ermöglichen;

g. falls noch nicht geschehen, die (Revidierte) Europäische Sozialcharta zu unterzeichnen und zu ratifizieren und insbesondere Artikel 15 betreffend das Recht auf Selbstverwaltung, soziale Integration und Beteiligung von Behinderten am Gemeindeleben zu akzeptieren;

h. die Konvention der Vereinten Nationen über die Rechte von Behinderten zu unterzeichnen und zu ratifizieren, die eine Reihe von Schlüsselbereichen wie Zugänglichkeit, Freizügigkeit, Gesundheit, Bildung, Beschäftigung, Anpassung und Rehabilitation, Beteiligung am politischen Leben sowie die Gleichberechtigung und Nichtdiskriminierung abdeckt;

8. Der Kongress ersucht auch das Ministerkomitee, den Ausschuss für Rehabilitation und Integration von Menschen mit Behinderungen (CD-P-RR) und insbesondere seinen Expertenausschuss für die Zugänglichkeit aufzufordern:

a. einen gemeinsamen Zeitplan für alle betroffenen politischen Ebenen (Staaten, Regionen, Städte) für einen Zeitraum von etwa zehn Jahren zu erstellen, damit die Infrastrukturen und öffentlichen Räume zugänglich werden, um die Strategien und Aktionspläne des Europarates und der Europäischen Union zu ergänzen;

b. auf europäischer Ebene ein Netz zum Erfahrungs- und Informationsaustausch über die Modalitäten der Umsetzung des „universal design“ einzurichten. Dieses Netz könnte komparative Studien durchführen und innovative Praktiken aufzeigen. Es gründet sich auf bestehende Strukturen und Dienste auf nationaler und subnationaler Ebene;

c. die kommunale und regionale Dimension bei den Überlegungen zu berücksichtigen und in den nächsten Bericht über die „Beteiligung und Gleichheit der Rechte bei der Zugänglichkeit durch das „universal design“ aufzunehmen.

9. Schließlich unterstützt der Kongress das Europäische Koordinationsforum für den Aktionsplan des Europarates für Menschen mit Behinderungen 2006-2015 (CAHPAH), dessen Mandat das Ministerkomitee am 13. September 2006 angenommen hat und bestätigt seine Absicht, daran teilzunehmen.