Entschliessung 86 (1999)1 betreffend wirtschaftliche Partnerschaft unter Regionen – ein Faktor der sozialen Kohäsion in Europa

Der Kongress,

mit Bezug auf den Vorschlag der Kammer der Regionen,

1. Bezieht sich auf den von Herrn Suaud vorgelegten Bericht betreffend "Wirtschaftliche Partnerschaft unter Regionen - ein Faktor der sozialen Kohäsion in Europa";

2. Begrüsst den Erfolg des 5. Wirtschaftsforums der europäischen Regionen, das gemeinsam organisiert war durch den Kongress, die Stadt Bukarest und die Stiftung für Wirtschaft und nachhaltige Entwicklung der europäischen Regionen (FEDRE);

3. Unterstützt voll die Schlusserklärung jenes Forums, vor allem auch die darin zum Ausdruck gebrachte Notwendigkeit, die Zuständigkeiten der Regionen im politischen, kulturellen und sozio-ökonomischen Bereich zu verstärken (s. Anhang);

4. Erinnert daran, dass es der Hauptzweck des Forums ist, den politischen und wirtschaftlichen Vertretern der europäischen Regionen eine Plattform für Kontakte und Gespräche, für den Austausch von Information und Erfahrungen und für Zusammenarbeit und Partnerschaft im Bereich der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung zu bieten;

5. Stellt fest, dass die interregionale Zusammenarbeit durch das 5.Forum (Bukarest, 2.-4. Juli 1998), an welchem die verschiedenen Aspekte der Investitionspolitiken im Zusammenhang mit der regionalen und kommunalen Entwicklung auf gesamteuropäischer Ebene in ihren Einzelheiten vertieft werden konnte, neue Impluse erhalten hat;

6. Unterstreicht, dass die grenzüberschreitende Zusammenarbeit, darauf angelegt, die sozio-ökonomische, kulturelle und ökologische Situation der grenznahen Bevölkerung zu verbessern, ein wesentliches Element dieser interregionalen Zusammenarbeit ist und

I. Ersucht die Regionalbehörden:

a. die Ergebnisse des Forums bei den zuständigen Organen zu verbreiten und ihnen damit zu ermöglichen, aus den mit ihresgleichen angebahnten gesamteuropäischen Kontaken den grösstmöglichen Nutzen zu ziehen;

b. aufgrund des Forums an sie gelangende Bitten um Hilfe und Partnerschaft, besonders solche aus den Balkanländern, positiv zu beantworten;

c. nach dem Beispiel der Kammer der Regionen ihrerseits stärker zielgerichtete bi- und multilaterale sozio-ökonomische Begegnungen zwischen Experten und für die Regionalentwicklung Verantwortlichen zu organisieren;

d. in der Regionalverwaltung gegebenenfalls Spezialdienste zur Förderung der regionalen Wirtschaft und der sozialen Kohäsion einzurichten;

II. Empfiehlt dem Präsidium der Kammer der Regionen, die Arbeitsgruppe "Soziale Kohäsion und wirtschaftliche Entwicklung der Regionen" zu beauftragen:

a. eilends ein ausserordentliches Forum oder eine Konferenz zu organisieren, um einen eingehenden Aktions-und Hilfsplan zur Unterstützung der durch die Krise besonders in Mitleidenschaft gezogenen Nachbarländer und -regionen des Kosovo, insbesondere der die Flüchtlinge aufnehmenden Regionen, festzulegen;

b. dafür zu sorgen, dass im Programm der zukünftigen Foren jeweils eine Arbeitssitzung oder ein Kolloquium bzw. Gespräch am Runden Tisch anberaumt wird, deren Teilnehmer sich ausschliesslich den politischen und rechtlichen Aspekten der Regionalisierung im gastgebenden Lande widmen;

c. die Ergebnisse des 6., in Weimar stattfindenden Forums aufmerksam zu verfolgen und der Kammer der Regionen zu gegebenem Zeitpunkt darüber zu berichten;

d. eine Evaluation der sechs seit 1996 durchgeführten Wirtschaftsforen der europäischen Regionen im Hinblick auf ihre Auswirkung sowohl auf die teilnehmenden Regionen als auch auf diejenigen des gastgebenden Landes vorzunehmen;

e. die Ergebnisse seiner Evaluation dem Ständigen Ausschuss der Kammer der Regionen vorzulegen und ihm damit zu ermöglichen, die zukünftige Ausrichtung dieses Tätigkeitsprogramms zu konzipieren.

Anhang

AM 4. JULI 1998 ANGENOMMENE SCHLUSSERKLÄRUNG

5. Wirtschaftsforum der europäischen Regionen
Bukarest (Rumänien), 2.-4. Juli 1998

WIRTSCHAFTLICHE PARTNERSCHAFT UNTER REGIONEN –
EIN FAKTOR DER SOZIALEN KOHÄSION IN EUROPA

1. Die Teilnehmer am 5. Wirtschaftsforum der europäischen Regionen - Vertreter von Gemeinden und Regionen der Mitgliedstaaten des Europarats, Minister, hohe Beamte, Vertreter internationaler Organisationen und hochrangige Delegierte aus Kreisen der Wirtschaft, Verwaltung und Politik - danken den Behörden der Stadt Bukarest, dem Kongress der Gemeinden und Regionen Europas des Europarats und der Stiftung für Wirtschaft und nachhaltige Entwicklung der europäischen Regionen für die Organisation dieses Forums vom 2.-4. Juli 1998 in der rumänischen Hauptstadt.

2. Sie erinnern daran, dass das Hauptziel des Forums darin besteht, den politischen und wirtschaftlichen Vertretern der Regionen eine Plattform für Kontakte und Gespräche, für den Austausch von Informationen und Erfahrungen und für Zusammenarbeit und Partnerschaften im Bereich wirtschaftlicher und regionaler Entwicklung zu bieten, womit es sich einreiht in die Tradition der in Genf (Januar 1996), Dortmund (Juni 1996), Moskau (November 1996) und Wien (September 1997) bereits stattgefundenen Foren mit der selben Ausrichtung.

3. Es lässt sich feststellen, dass die interregionale Zusammenarbeit aufgrund dieses 5. Forums neue Impulse erhalten hat, konnten hier doch auf gesamteuropäischer Ebene die verschiedenen Aspekte der Investitions- und regionalen Entwicklungspolitiken im einzelnen vertieft werden. Es wurde festgestellt, dass die rumänische Regierung die Entwicklung neuer Initiativen zur Heranziehung ausländischer Investitionen eingeleitet hat und zugleich die legislativen und administrativen Grundlagen für die Anforderungen der Marktwirtschaft legt. Diese Anstrengungen sind Teil der Bestrebungen, die demokratischen und administrativen Reformen mithilfe einer geeigneten Wirtschaftspolitik zu stabilisieren mit dem Ziel der Förderung der sozialen und wirtschaftlichen Kohäsion im gesamten Lande. Gleichzeitig tragen sie dazu bei, Rumänien in die neuen Mechanismen der europäischen Zusammenarbeit zu integrieren und damit Aussichten auf einen dereinst möglichen Beitritt zur Europäischen Union zu eröffnen.

4. Die Besonderheit des Bukarester Forums ist es, eine enge Zusammenarbeit unter den Vertretern der zentralstaatlichen, regionalen und kommunalen Ebene in Gang zu setzen mit dem Ziel, die Trümpfe und Wirtschaftspotentiale aller Gebietskörperschaften zu valorisieren, um ausländische Investitionen anzuziehen und für deren Verteilung im gesamten nationalen Territorium zu sorgen.

5. Die kürzlich erfolgte Annahme des Gesetzes über eine Politik der regionalen Wirtschaftsentwicklung durch die Abgeordnetenkammer stellt einen wichtigen Schritt in diese Richtung, eine interessante Erfahrung und einen Meilenstein auf dem Weg zu einer echten Regionalisierung dar.

6. Allerdings hat sich im Laufe der Arbeiten gezeigt, dass die Umwandlung der Wirtschaft im Hinblick auf die Erfordernisse der Marktwirtschaft und die Herausforderungen der Globalisierung noch erhebliche Probleme stellt. Die Einbeziehung der Wirtschaftsakteure mithilfe einer Messe und Partnerschaftsbörse in die politischen Überlegungen des Forums trug jedoch bei zur Originalität dieses speziellen Forums und zu der Eröffnung neuer Zugänge zur europäischen interregionalen Zusammenarbeit sowohl für die politischen Vertreter als auch für die Wirtschaftsakteure.

7. Die Privatisierung sowie die Zusammenarbeit zwischen öffentlichem und privatem Sektor sind Gebiete, die noch besonderer Anstrengungen bedürfen. Die Mobilisierung der Wirtschaftsakteure auf regionaler Ebene bezweckt die Ankurbelung einer Eigenentwicklung, was jedoch eine Dezentralisierung der Zuständigkeiten und eine Politik der Regionalisierung voraussetzt. Eine solche Politik trägt ausserdem dazu bei, die Abwanderung vom Lande und deren Folge, die wirtschaftliche und industrielle Konzentration in den grossen städtischen Agglomerationen, zu bremsen. Die Politik der Wirtschaftsförderung müsste einhergehen mit einer Politik des Schutzes der Naturschätze und der Umwelt.

8. Besondere Aufmerksamkeit wurde der Entwicklung der Grenzregionen und ihrer Integration in die nationalen und transnationalen Transport- und Kommunikationsnetze geschenkt. Ihre Entwicklung müsste im Hinblick auf ihre Zusammenarbeit mit den Nachbarregionen im Rahmen von Strukturen einer permanenten grenzüberschreitenden Zusammenarbeit konzipiert werden.

9. Eine fruchtbare Partnerschaft unter Regionen setzt voraus, dass diese mit echten Zuständigkeiten und geeigneten Aktionsinstrumenten versehen sind, was vor allem in Zentral- und Osteuropa noch nicht überall verstanden worden ist.

10. Und doch haben die im Oktober 1997 zu ihrem zweiten Gipfel in Strassburg versammelten Staats- und Regierungschefs in ihrer Schlusserklärung die grundlegende Bedeutung der gemeindedemokratischen Institutionen für die Aufrechterhaltung der Stabilität in Europa anerkannt. Bereits anlässlich ihres ersten Gipfels 1993 hatten sie übrigens die Rolle der grenzüberschreitenden interregionalen Zusammenarbeit für die Stabilität in Europa hervorgehoben.

11. Es ist begrüssenswert, dass sich die zentral- und osteuropäische grenzüberschreitende Zusammenarbeit, auch in den Karpaten, in den letzten Jahren beschleunigt entwickelt hat. Wie Rumänien, so haben auch die Nachbarländer Ungarn und Ukraine diese Zusammenarbeit freigegeben und sich damit an die Grundsätze des Europäischen Rahmenübereinkommens über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit von Gebietskörperschaften sowie dessen Zusatzprotokoll gehalten.

12.
Damit sich die grenzüberschreitende und interregionale Zusammenarbeit aber wirklich entfalten kann, muss eine breite Dezentralisierung von Zuständigkeiten und eine Ausstattung der kommunalen und regionalen Gebietskörperschaften mit den für eine solche Zusammenarbeit nötigen Mitteln, auch auf wirtschaftlichem Gebiet, vorgenommen werden.

13. Die Wirtschaftskreise, Finanzministerien und internationalen Finanz- und Wirtschaftsorganisationen müssen heute anerkennen, dass eine Regionalisierung die wirtschaftliche Entwicklung nicht behindert, sondern, ganz im Gegenteil, ein Mittel ist, um einen wirtschaftlichen Aufschwung herbeizuführen und Austauschbeziehungen in Gang zu setzen, die auf den Potentialen sämtlicher Regionen eines Landes beruhen; dies zeigt auch der Erfolg der reichsten Länder, wo eben - was für unser Thema sicher nicht belanglos ist - eine politische und wirtschaftliche Dezentralisierung bereits stattgefunden hat.

14. Der Erfahrungsaustausch in anderen zentral- und osteuropäischen Ländern wie auch die in den osteuropäischen Ländern betriebenen Politiken haben die Notwendigkeit einer Politik der Unterstützung für die Schaffung kleiner und mittelständischer Unternehmen (KMU) aufgezeigt, die als dynamische Strukturen Arbeitsplätze schaffen und eine rasche Anpassung an den nationalen und internationalen Wettbewerb in einer freien Marktwirtschaft leisten können. In diesem Bereich sind neue interregionale Initiativen gefragt zur Förderung des Geflechts kleiner und mittelständischer Unternehmen, das in den Ländern Zentral- und Osteuropas besonders schwach ist. Eine solche Ausrichtung ist ein wichtiger Faktor in der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, jener alle Länder Europas heimsuchenden Plage. Die Gemeinden und Regionen leiden unter ihren Folgen und sind genötigt, Initiativen gegen die neue Armut und die soziale Ausgrenzung zu entwickeln.

15. Es gehört zu der Rolle der insbesondere mit den wirtschaftlichen Kreisen zusammenarbeitenden Regionen, die Ausbildung der Jugendlichen und die ständige Fortbildung der Erwachsenen sicherzustellen, um sie auf das Berufsleben und die durch die moderne Wirtschaft diktierten Wiedereingliederungen in neue Berufe vorzubereiten. Auch in diesem Bereich ist der interregionale Austausch - von Ausbildnern und Lernenden - entwicklungsfördernd.

16. Eine dauerhafte Entwicklung verlangt nach einer mit den langfristigen Erfordernissen des Umweltschutzes vereinbaren Bewirtschaftung der Naturschätze. Marktwirtschaft setzt ausserdem parallel laufende Fortschritte im Bereich der Demokratie sowie die Respektierung der nationalen und regionalen kulturellen Identitäten und die Umsetzung von Massnahmen auf dem Gebiet der sozialen Gerechtigkeit voraus. Eine Nichtachtung dieser demokratischen, kulturellen und sozialen Werte birgt die Gefahr einer neoliberalistischen Krise, einer Entwicklung, wie sie kürzlich gewisse asiatische Länder heimsuchte.

17. Wie die übrigen zentral- und osteuropäischen Länder, so muss auch Rumänien eigene, in den wirtschaftlichen, kulturellen, sozialen und ökologischen Kontext seiner Regionen passende Entwicklungsmuster erarbeiten.

18. Eine interregionale wirtschaftliche Partnerschaft ist ein moderner Mechanismus zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit einer Region, und zwar gemeinsam mit den - und nicht gegen die - nationalen wie auch den jenseits der Grenzen gelegenen Regionen.

19. Die regionale Entwicklung und die Wirtschaftspartnerschaft unter Regionen tragen bei zum wirtschaftlichen Aufschwung und damit zur sozialen Kohäsion in den europäischen Ländern.

20. Das Forum begrüsst die erstmalige Mitwirkung eines Vertreters der autonomen Republik Adscharien (Georgien) und eines Vertreters von Podgorica, der Hauptstadt der Republik Montenegro (BRJ), und unterstützt die in diesen beiden Republiken unternommenen Bemühungen um eine Annäherung an Europa, welche Ermutigung auch durch interregionale Partnerschaften verdienen.

* * *

Die Teilnehmer

Fordern die rumänischen Behörden, den Kongress der Gemeinden und Regionen Europas (KGRE) und die Stiftung für Wirtschaft und nachhaltige Entwicklung der europäischen Regionen (FEDRE) auf, in ihren jeweiligen Kompetenzbereichen Folgearbeiten zu dem Bukarester Forum zu übernehmen, und zwar insbesondere:

i. Partnerschaften zu fördern, die nicht nur die wirtschaftliche Entwicklung, sondern auch den Austausch in den eine nachhaltige und ausgewogene Entwicklung mitbegründenden Bereichen Kultur, berufliche Ausbildung und soziale Kohäsion umfassen;

ii. ein Konzept zu entwerfen für die Förderung von Partnerschaften zwischen einerseits den Regionen, Städten und Wirtschaftskreisen Rumäniens und andererseits deren Entsprechungen in anderen europäischen Ländern, die in Koordination mit dem KGRE und der FEDRE handeln würden;

iii. 1999 auf Einladung des Landes Thüringen (Deutschland) ein sechstes Wirtschaftsforum der europäischen Regionen in Weimar zu organisieren, das insbesondere die Rolle der Kulturpolitik und der regionalen kulturellen Identität für die wirtschaftliche Entwicklung betreffen sollte;

iv. nach Ablauf einer angemessenen Frist den Stand der Erfahrungen der regionalen Entwicklungsagenturen in Rumänien sowie der Fortschritte zu ermitteln, die das Land in Richtung einer vermehrten Dezentralisation von Zuständigkeiten auf die regionale Ebene getan hat.

1 Diskussion und Zustimmung durch die Kammer der Regionen am 16. Juni 1999 und Annahme durch den Ständigen Ausschuss des Kongresses am 17. Juni 1999 (siehe Dok. CPR(6) 5, Entschliessungsentwurf, vorgelegt durch Herrn B. Suaud, Berichterstatter)