Kammer der Gemeinden

17. PLENARSITZUNG

CPL(17)4

9. September 2009

Verbesserung der Innenraumluft: Eine neue Herausforderung für Gemeinden

Ausschuss für nachhaltige Entwicklung

Berichterstatter: Paolo Rondelli, San Marino (L, SOC[1])

A. Entschliessungsentwurf 2

B. Empfehlungsentwurf 3

Zusammenfassung

Bis vor kurzem war die Innenraumluftqualität kein wichtiges Gesundheitsthema, anders als die Verschmutzung der Außenluft, die umfassenden Vorschriften unterliegt und die in den Medien breites Interesse findet. Allerdings haben Schreckensmeldungen über die öffentliche Gesundheit die staatlichen Stellen und die Öffentlichkeit alarmiert und auf die Tatsache aufmerksam gemacht, dass die Verschmutzung der Innenraumluft häufig höher ist als die der Außenluft. Dies gibt Anlass zur Sorge,  da Europäer bis zu 90% ihres Lebens in geschlossenen Räumen verbringen.

Die öffentlichen Stellen müssen einen Paradigmenwechsel vollziehen und der Qualität der Innenraumluft größere Aufmerksamkeit widmen. Angemessene Vorschriften und geeignete Management- und Präventionsmaßnahmen müssen eingeführt werden. Ein verzögertes Handeln in diesem Bereich könnte die Gesundheit der Bevölkerung gefährden und sowohl der Umwelt als auch der Wirtschaft schaden.

Viele Gemeinden haben bereits ehrgeizige Programme zur Verbesserung der Innenraumluft verabschiedet, die weit über den Umfang der bestehenden Gesetzgebung hinausgehen. Diese Ansätze schließen Präventivmaßnahmen ein, damit alle Innenräume, die ihrer Verwaltung unterstehen, seien sie öffentlich oder privat genutzt, den höchsten Umweltstandards entsprechen. Die kommunalen Behörden tragen auch die Verantwortung, das öffentliche Bewusstsein zu schärfen und ein Training zum Thema verbesserte Innenraumluftqualität und gesunde Umwelt zu ermöglichen.


A. Entschliessungsentwurf[2]

1. Bis vor kurzem war die Innenraumluftqualität kein wichtiges Gesundheitsproblem, anders als die Verschmutzung der Außenluft, die umfassenden Vorschriften unterliegt und die in den Medien breites Interesse findet. Allerdings haben Schreckensmeldungen über die öffentliche Gesundheit, die sich auf die Innenraumluftqualität beziehen, und ein rapider Anstieg von Betroffenen, die unter Allergien und Atemwegserkrankungen leiden, die öffentlichen Stellen und die Öffentlichkeit auf die Tatsache aufmerksam gemacht, dass die Luftverschmutzung der Innenraumluft häufig höher ist als die der Außenluft.

2. Der Kongress der Gemeinden und Regionen Europas ist davon überzeugt, dass die Gemeinden der Qualität der Innenraumluft weitaus größere Aufmerksamkeit schenken müssen, da Europäer nahezu 90% ihrer Lebenszeit in geschlossenen Räumen verbringen. Die Qualität der Innenraumluft variiert, abhängig von der Belastung durch Schadstoffe, die mit Gebäuden, Materialien, der Außenumgebung und dem Verhalten der Benutzer verbunden sind. Die Folgen einer schlechten Innenraumluft sind zahlreich und stellen ein Problem für die öffentliche Gesundheit dar.

3. Die Bürger verlangen nach ehrgeizigen politischen Ansätzen, um ihre Gesundheit und ihr Wohlergehen zu schützen. Ihr Wissen über die globalen ökologischen Herausforderungen wächst; insbesondere der drohende Klimawandel hat bei den Menschen ein großes Interesse für ein dringend erforderliches Handeln geweckt. Dieses Bewusstsein hat Rückwirkungen auf die Maßnahmen, die sie im Hinblick auf die Qualität der Innenraumluft von den öffentlichen Stellen erwarten.

4. Ein starker politischer Wille ist erforderlich, um die Bürger vor den Risiken zu schützen und die Lücken in der Gesetzgebung zur Innenraumluftqualität zu schließen. Ein multidisziplinärer Ansatz ist notwendig, der die Zusammenhänge zwischen Qualität der Umwelt und Gesundheit berücksichtigt. Die Gemeinden müssen eindeutig Stellung beziehen und einen neuen politischen Ansatz verfolgen, der die Verschmutzung der Innenraumluft genauso wichtig nimmt, wie die Verschmutzung der Außenluft.

5. Die Gemeinden sind gut aufgestellt, um beispielhafte integrierte Umwelt-Gesundheitsstrategien umzusetzen, die als Modell für Bürger dienen können. Sie müssen sicherstellen, dass alle öffentlichen Innenräume, die ihrer Verwaltung unterliegen, oder privaten Innenräume, wie z. B. Sozialwohnungen, den höchsten Umweltstandards entsprechen. Darüber hinaus ist ein frühzeitiges und präventives Handeln wirtschaftlich gesehen sinnvoll, da ein Hinauszögern größere Gesundheits- und Umweltschäden mit sich bringt.

6. Der soziale Zusammenhalt und die soziale Gleichheit sind die Triebfedern öffentlicher Politik in diesem Bereich, da benachteiligte Bevölkerungsschichten eher in disproportionalem Umfang Umweltgefahren ausgesetzt sind.


7. Zuverlässige Informationen über die Schadstoffbelastung der Innenraumluft würden die Gemeinden in die Lage versetzen, über die bestmögliche Lösung dieses Problems zu entscheiden, und würden darüber hinaus der Bevölkerung informierte Entscheidungen gestatten. Tatsächlich erwartet die Zivilgesellschaft einen radikalen Wandel in der Ausrichtung der öffentlichen Stellen, hin zu mehr Transparenz und einem besseren Zugang zu Informationen. Die Ermittlung gesundheitsbezogener Richtwerte für verschiedene Schadstoffe bietet eine konkrete Grundlage für Maßnahmen und die Informierung der Bürger über negative Auswirkungen toxischer Substanzen, die sich in der Innenraumluft befinden.

8. Dementsprechend fordert der Kongress die lokalen und regionalen Behörden der Mitgliedstaaten des Europarats auf:

a. eine integrierte staatliche Politik für Umwelt und Gesundheit zu implementieren, mit dem Ziel, die Qualität der Innenraumluft in öffentlichen Gebäuden zu verbessern, und unter besonderer Berücksichtigung der Überwachung und der Bewertung der Schadstoffbelastungsgrade und neu entstehenden Risiken;

b. durch verbesserte Gebäudeentwürfe, Bauweisen und einen verbesserten technischen Betrieb beispielhafte Verfahren für die Steigerung der Qualität von Innenraumluft einzuführen, insbesondere in öffentlichen Gebäuden;

c. im öffentlichen Vergabeverfahren hohe Umweltqualitätsstandards einzuführen, u.a. für Innenraumluft;

d. das öffentliche Bewusstsein über das Ausmaß des Einflusses ungesunder Innenraumluft zu erhöhen, auf der Grundlage zuverlässiger, wissenschaftlich basierter Informationen und durch örtliche Informationszentren, die den Bürgern konkrete und praktische Lösungen anbieten;

e. die Ausbildung über Innenraumluftverschmutzung für die Mitarbeiter der örtlichen Behörden und für Menschen anzubieten, die für die Bereiche Umwelt, Bau, Gesundheit und Bildung zuständig sind;

9. Der Kongress weist seinen Ausschuss für nachhaltige Entwicklung an, seine Arbeit über die Qualität der Umwelt und zu den Themen, die für die öffentliche Gesundheit relevant sind, zu verstärken.

B. Empfehlungsentwurf[3]

1. Die Gefahr durch eine Schadstoffbelastung der Innenraumluft wurde bisher von den öffentlichen Stellen und der Zivilgesellschaft in erheblichem Maße unterschätzt. Politik, Forschung und Ressourcen konzentrierten sich vorwiegend auf die atmosphärische Verschmutzung, obwohl zahlreiche Studien darauf hingewiesen haben, dass die Innenraumluft mehr als zweimal so hoch belastet ist wie die Außenluft. Die ist von noch größerer Bedeutung, wenn man bedenkt, dass der moderne Lebensstil der meisten Europäer bedeutet, bis zu 90% der Lebenszeit in Innenräumen zu verbringen.

2. Der Kongress der Regionen und Gemeinden Europas bittet die öffentlichen Stellen aller Regierungs- und Verwaltungsebenen, ihrer Verantwortung nachzukommen, eine gesunde und nachhaltige Umwelt für alle zu gewährleisten. Ein neuer Ansatz ist erforderlich, der eine eindeutige Politik für Luftreinheit definiert, welche die gesamte Schadstoffbelastung der Innenraum- und Außenluft berücksichtigt. Darüber hinaus besteht auch Bedarf nach einer größeren Anerkennung der Zusammenhänge zwischen den politischen Ansätzen in den Bereichen Umwelt, Gesundheit, Energie, Transport, Raumplanung und Landwirtschaft. 


3. Der Kongress stellt mit Befriedigung fest, dass viele kommunale Stellen bereits ehrgeizige Programme zur Verbesserung der Innenraumluftqualität eingeführt haben, die weit über die Auflagen der bestehenden Gesetzgebung hinausgehen. Diese Initiativen unterstreichen den Bedarf nach neuen Vorschriften, welche die bestehende Gesetzgebung zur Luftverschmutzung um die Innenraumluftverschmutzung ergänzen würde und die quantifizierbare Ziele für alle Arten von Schadstoffen vorgeben.

4. Jede umweltpolitisch verantwortungsvolle Politik muss in Zusammenarbeit mit allen Betroffenen ausgearbeitet werden; Vorschriften zur Luftverschmutzung können nur dann wirksam sein, wenn sie sowohl von den öffentlichen Stellen als auch von den Menschen, die sie schützen sollen, verstanden und beherzigt werden.

5. Informationen über den Umfang und die Auswirkungen der Gefahren der Innenraumluftverschmutzung sind unzureichend. Dieser Mangel an zuverlässigen Daten erschwert den öffentlichen Stellen, die Gefahren in angemessener Weise zu behandeln und geeignete Lösungen umzusetzen. Es verunsichert auch die Bürger, da sie nicht wissen, wie sie sich am besten schützen können. Die kommunalen Stellen sind besonders gut geeignet, die Öffentlichkeit zu schützen und ihr die Probleme bewusster zu machen und sie in die Lage zu versetzen, informierte Entscheidungen zu treffen.

6. Das Schaffen einer gesunden Innenraumumgebung ist profitabel, da es zu einer besseren Gesundheit und Produktivität führt. Darüber hinaus zeigt die Erfahrung, dass gezielte und frühzeitige Regulierungsmaßnahmen im Hinblick auf den Einsatz von Innenraumschadstoffen letzten Endes kostengünstiger sein können, als etwaige Schäden, die durch diese verursacht werden.

7. Der Kongress fordert eine aussagekräftige Verpflichtung der internationalen zwischenstaatlichen Organisationen im Kampf gegen die Innenraumluftverschmutzung und die durch sie verursachten Gesundheitsrisiken. In diesem Hinblick verweist er auf die Führung, die von der Weltgesundheitsorganisation durch die Anerkennung der Bedeutung der Innenraumluftverschmutzung ergriffen wurde und begrüßt die Veröffentlichung von Richtlinien über die Qualität von Innenraumluft.

8. Er begrüßt außerdem die Empfehlung der Parlamentarischen Versammlung des Europarats über „Umwelt und Gesundheit: Eine bessere Prävention umweltbezogener Gefahren“, insbesondere deren Hervorhebung neu entstehender Pathologien und der Notwendigkeit von Früherkennungsverfahren, Überwachungs- und Präventionsmaßnahmen in Bezug auf die Qualität von Innenraumluft.

9. Daher fordert der Kongress das Ministerkomitee des Europarats auf, die Mitgliedstaaten zu bitten:

a. ihre Politik zur Luftverschmutzung auf Innenraumluft auszuweiten und in Zusammenarbeit mit den territorialen Stellen und NRO Programme über die Qualität von Innenraumluft zu verfassen. Diese Programme könnten eine regelmäßige Kontrolle der Innenraumluft und neu entstehender Gefahren, das Erstellen von Umweltindikatoren und gesundheitsbasierter Richtlinien sowie die Entwicklung spezifischer Kennzeichnungen von Materialien einschließen, insbesondere für Bau, Innenausstattung und Instandsetzung;

b. in Zusammenarbeit mit den kommunalen Stellen zuverlässige und gezielte Informationen über die Qualität von Innenraumluft bereitzustellen, um auf diesem Wege das Bewusstsein der Öffentlichkeit für die schädlichen Auswirkungen von Schadstoffen in der Innenraumluft zu schärfen;

c. ehrgeizige Forschungsarbeiten und Entwicklungsprogramme zu fördern, welche Innovation und technologischen Fortschritt fördern, um sicherere und ökologischere Produkte zu entwickeln und damit Ansätze auf allen Verwaltungsebenen praktikabel zu machen.


10. Der Kongress empfiehlt dem Ministerkomitee des Europarats, die Europäische Kommission aufzufordern:

a. die kommunalen Aktionen und die Pilotprojekte bezüglich Schadstoffbelastung von Innenraumluft zu unterstützen und den Austausch guter Praktiken und multidisziplinäre Forschungsarbeiten zu diesem Thema zu fördern;

b. den Umfang der REACH-Vorschriften bezüglich Registrierung, Evaluierung, Autorisierung und Restriktion von Chemikalien zu erweitern, um sicherzustellen, dass alle Chemikalien ausreichend reguliert werden, unabhängig vom Produktionsort.



[1] L : Kammer der Gemeinden / R : Kammer der Regionen

ULDG : Unabhängige und Liberaldemokratische Gruppe des Kongresses

EVP/CD : Gruppe Europäische Volkspartei – Christdemokraten des Kongresses

SOZ : Sozialistische Gruppe des Kongresses

NI : Mitglied, das keiner politischen Gruppe des Kongresses angehört

[2] Vorentwurf der Entschließung und der Empfehlung am 2. März 2009 vom Ausschuss für nachhaltige Entwicklung der Kammer der Gemeinden angenommen.

Mitglieder des Ausschusses:

G. Doganoglu (Vorsitzende), F. Cecchini (stellv. Vorsitzende), A. Mediratta (stellv. Vorsitzender), A. Apostolov, W. Borsus, I. De La Serna Hernaiz, M. Fügl, V. Gorodetskiy (Stellvertreter: K. Skomorokhin), E. Gurvits, H. Himmelsbach, P. Hugon, L. Iliescu, S. James, S. Kalev, I. Khalilov (Stellvertreterin: S. Mansurova), D. Larese Filon, M. Kichkovskyy, A. King, V. Klitschko (Stellvertreter: O. Luk'Ianchenko), A. Kurti, J. Mattei-Fazi, I. Milatic, L. Milicevic, G. Neff, JJ. Nygaard, R. Onderka, D. Petrosyan, V. Petrovic, J. Petusik (Stellvertreter: J. Hlinka), CA. Pinto, G. Roger, P. Rondelli, U. Rozenbergs, S. Savva, S. Svavarsdottir, M. Tamilos, B. Toce, V. Tskhadaia, L. Vennesland, M. Yurevich (Stellvertreter: V. Novikov).

NB: Die Namen der Mitglieder, die an der Abstimmung teilnahmen, sind kursiv gedruckt.

Sekretariat des Ausschusses: M. Moras und J. Hunting

[3] Siehe Fußnote 2