15. PLENARSITZUNG
Straßburg, 27. - 29. Mai 2008
Verantwortungsvoller Konsum und ein auf Solidarität basierendes Finanzwesen
Entschliessung 263 (2008)[1]
1. Die überarbeitete Strategie für sozialen Zusammenhalt des Europarats definiert sozialen Zusammenhalt als „die Fähigkeit einer Gesellschaft, das Wohlergehen aller ihrer Mitglieder sicherzustellen, Ungleichheiten zu minimieren und Polarisierungen zu vermeiden”, und sie betont, dass alle Beteiligten in einer Gesellschaft Verantwortung für die Erlangung dieser Ziele tragen[2];
2. Auch der Bericht der Arbeitsgruppe über sozialen Zusammenhalt im 21. Jahrhundert empfiehlt dem Europarat, sich auf „den Aufbau eines Europas der Verantwortungen“ zu konzentrieren, „die sowohl gemeinsam getragen werden als auch sozial sind“, indem er u.a. Maßnahmen zur Stärkung der sozialen Verantwortung der Bürger ergreift, „insbesondere im Hinblick auf Beschäftigungs-, Konsum- und Investitionsmuster und Lebensstile“;
3. Die Resolution 226 (2007) des Kongresses zur Entwicklung sozialer Kohäsionsindikatoren, ein gemeinsamer lokaler und regionaler Ansatz, definiert darüber hinaus „soziale Kohäsionsbereiche“ als Gemeinden oder Regionen, in denen öffentliche und private Beteiligte, einschließlich Mitglieder der Öffentlichkeit, nach Lösungen suchen und sich verpflichten, gemeinsam auf die Erwartungen im Hinblick auf das Wohlergehen aller zu reagieren, auf der Grundlage von Indikatoren, die in Rücksprache mit den Bürgern entwickelt, und von gemeinsamen Verantwortungen, die gemeinsam festgelegt wurden;
4. Der Europarat und der Kongress betrachten einen verantwortungsvollen Konsum und ein auf Solidarität basierendes Sparen als wesentliche Ausdrucksformen einer gemeinsamen sozialen Verantwortung, die alle Beteiligten der Gesellschaft – öffentliche Stellen, Bürger, Unternehmen, Institutionen, etc. – betrifft;
5. Der Kongress ist der Meinung, dass die öffentlichen Stellen und die Bürger sich für den sozialen Zusammenhalt einsetzen können, indem sie eine ethische Wirtschaft und neue Formen der Solidarität schaffen. Dadurch entwickeln sich Praktiken, die durch Lebensstile, Konsumverhalten und Sparoptionen bestimmt werden, die sich durch das Bemühen auszeichnen, Werte in unternehmerische und individuelle Verhaltensmuster aufzunehmen, die eine positive soziale Komponente darstellen;
6. Der Kongress ist überzeugt, dass die Gemeinden und Regionen in dieser Hinsicht ein klares Signal an die Gemeinschaft aussenden sollten, insbesondere durch ihre Vergabepraktiken, indem sie Informations- und Konsultationsprozesse erleichtern und Personen unterstützen, die wirtschaftlich benachteiligt sind oder sich in einer schwierigen Lage befinden;
7. Dementsprechend fordert der Kongress die lokalen und regionalen Behörden der Mitgliedstaaten des Europarats auf:
a. ein Beispiel zu setzen und verantwortungsvolle Konsumenten in ihrem eigenen Gebiet zu werden, insbesondere:
i. in ihrer Verwaltung und in den unter die Verantwortung der Gemeinden und Regionen fallenden Einrichtungen (Schulen, Krankenhäuser, Altenheime) Produkte anzubieten, die ethische Kriterien erfüllen;
ii. lokale Unternehmen zu ermutigen, ein verantwortungsvolles Konsum- und Wirtschaftsverhalten zu entwickeln, z. B. durch:
- das Appellieren an das ethische Bewusstsein der Unternehmer und durch die Aufnahme sozialer Klauseln in öffentliche Verträge im Hinblick auf die Vergabebedingungen und/oder Erfüllung der Verträge, während sie gleichzeitig die Anwendung solcher Praktiken durch Kontaktpunkte zwischen den Unternehmen, den Integrationsstrukturen und den lokalen und regionalen Behörden erleichtern;
- soziale Verantwortung als Voraussetzung für die Gewährung von offiziellen Subventionen für Unternehmen, im Rahmen gegenseitig bindender Verträge, in denen die Anzahl an zu schaffenden Stellen aufgeführt wird, mit der Verpflichtung, die Subventionen im Fall eines vorzeitigen Stellenabbaus oder einer vollständigen oder teilweisen Verlagerung zurückzuzahlen (oder diese in Darlehen umzuwandeln);
- gegenseitige Beschaffungsvereinbarungen für kleinere Behörden, durch gemeinsame Einkaufskonsortien, die soziale (und umweltpolitische) Klauseln in ihre Ausschreibungen aufnehmen;
- Hilfen für die Einbeziehung kleiner Firmen bei öffentlichen Verträgen durch Aufteilung, i.e. Abspalten eines Teils des Vertrages, um den lokalen Handel zu unterstützen; zu diesem Zweck sollten Informationsbroschüren (Ratgeber) für diese Firmen verfasst werden;
- Anreize für alle Formen der gemeinsamen Organisation lokaler Unternehmen, um deren soziale Verantwortung und verantwortungsvollen Konsum zu fördern (lokale Marken, gemeinsame Beratungs- und Überwachungsdienste, öffentliche Informationen, etc.);
b. den verantwortungsvollen Konsum für die Schaffung von Arbeitsplätzen und Synergien zwischen den Akteuren zu nutzen, z. B. durch:
i. verkürzte Wege zwischen Produzent und Konsument, insbesondere durch Bereitstellung landwirtschaftlich nutzbarer Flächen und Gebäude;
ii. Unterstützung von Foren für Austausch- und Recyclingdienste und Second-Hand-Angebote und für den Einsatz wenig genutzter Fähigkeiten, z. B. Tauschkreise, Zeitbanken und Fähigkeitenbörsen;
iii. Anreize für das Reinvestieren kollektiver Sparbeträge gemäß ethischen Kriterien für die Schaffung von Wirtschaftsaktivitäten und Arbeitsplätzen auf lokaler Ebene;
c. die Bürger aufzufordern, eine verantwortungsvolle Einstellung bei ihren Handlungen zu übernehmen (bei der Arbeit und in der Freizeit), insbesondere indem sie:
i. Einrichtungen für Informationen zu Waren und Dienstleistungen, den Austausch oder partizipatorische demokratische Praktiken bereitstellen, um eine bessere, informierte Auswahl treffen zu können;
ii. den Bekanntheitsgrad der Messe, des Handelns, des solidarischen lokalen Marktes sicherstellen, z. B. durch die Veröffentlichung des gesamten lokalen Angebots mit sozialem Mehrwert im Internet;
iii. alle kollektiven Formen eines verantwortungsvollen Konsums und deren Netzwerke fördern;
d. die Solidarität für die Bedürftigsten und deren Zugang zu einem verantwortungsvollen Konsum zu unterstützen, z. B. durch:
i. Gründung solidarischer Lebensmittelläden mit subventionierten Arbeitsplätzen und bereitgestellten Gebäuden, um den Konsum in die Reichweite der Haushalte zu bringen, die unterhalb der Armutsgrenze leben;
ii. Unterstützung lokaler Solidaritätsfonds, damit die benachteiligsten Menschen einen verantwortungsvollen Konsum erreichen können;
iii. Entwicklung von sozialen Minidarlehen und Mikrokrediten für Personen, die vom konventionellen Bankenkreislauf ausgeschlossen sind, durch Partnerschaften mit Berufsvertretern und, falls notwendig, durch soziale Maßnahmen für die Begünstigten;
e. die Akteure dabei zu unterstützen, auf Grundlage gemeinsamer ethischer Prinzipien zusammen zu arbeiten, insbesondere durch:
i. Einrichten regionaler Ethikausschüsse, die alle Akteure einschließen: Vereinigungen lokaler Behörden, Verbraucher, Arbeitgeber und Gewerkschaften, NRO;
ii. Vorbereitung von Chartas über die soziale Verantwortung, die von den verschiedenen Beteiligten in einem bestimmten Gebiet getragen wird;
8. Abschließend fordert der Kongress den Ausschuss für soziale Kohäsion auf, diese Arbeit durch eine Studie über die Vermeidung eines verantwortungslosen Konsums zu ergänzen, der sich an Lebensstilen, die Übergewicht verursachen, Medikamentenmissbrauch, einem exzessiven Fernsehkonsum und Überschuldung manifestiert.
[1] Diskussion und Annahme durch den Kongress am 29. Mai 2008, 3. Sitzung (siehe Dokument CG(15)14RES, Entschliessungsentwurf vorgelegt durch P. Dee (Vereinigtes Königreich, L, ILDG), Berichterstatter).
[2] Diese Definition wurde dem Bericht der Arbeitsgruppe über sozialen Zusammenhalt im 21. Jahrhundert (2007) entnommen.Für ein aktives, faires und sozial kohäsives Europa (November 2007).