17. PLENARTAGUNG
Straßburg, 13. – 15. Oktober 2009

Überschuldung der privaten Haushalte: Die Verantwortung der Regionen

Entschliessung 294 (2009)[1]

1. Eine wachsende Zahl privater Haushalte in Europa erlebt aufgrund der Rezession eine Verschlechterung ihrer finanziellen Situation, eine Verschlechterung ihrer Verhandlungs- und Kaufkraft, einen steigenden Rückgriff auf Kredite, um die Grundbedürfnisse zu stillen, und vor allem die Situation, dass sie immer stärker Darlehen geringer Qualität und hoher Kosten ausgesetzt sind.[2] Dies und die gestiegenen Risiken für ein stabiles Einkommen führen sie manchmal in einen Teufelskreis der Überschuldung. Andere, denen der Zugang zu legalen Kreditquellen versperrt ist, werden Opfer ungesetzlicher Wucherer, die, neben anderen illegalen Aktivitäten, welche die öffentliche Sicherheit gefährden, Profit aus der verletzlichen Position dieser Familien ziehen.

2. Im Zuge der Marktderegulierung und angesichts des Fehlens präventiver Maßnahmen weitet sich dieses Phänomen aus und vertieft den Grad der Armut und der Ausgrenzung. Es wirkt sich aber auch auf die gesamte Gesellschaft aus und überlässt den kommunalen und regionalen Stellen die Aufgabe, die sozialen Folgen, wie. z. B. Zwangsräumungen und das Auseinanderbrechen der Familien, aufzufangen.

3. Der Kongress erinnert an seine aktuelle Arbeit zum verantwortungsvollen Konsum und der auf Solidarität basierenden Finanzierung[3] und betont, dass alle Beteiligten in der Gesellschaft gemeinsam Verantwortung für diese Angelegenheit tragen, und er weist darauf hin, dass es im gegebenen Kontext dringend einer Lösung dieses Problems der Überschuldung und des Wuchers bedarf, sei es gesetzlich oder nicht, und dass die finanzielle Eingliederung der ärmsten Haushalte gewährleistet werden muss.


4. Angesichts der Tatsache, dass es die Aufgabe der kommunalen und regionalen Stellen ist, den in Schwierigkeiten befindlichen Gruppen zu helfen, und um die Arbeit auf kommunaler Ebene zu unterstützen, fordert der Kongress die regionalen Verwaltungsstellen auf, Maßnahmen in Ergänzung der nationalen Vorschriften zu erlassen und sich für Kreditvorschriften einzusetzen, die sich mit den Problemen Kreditkartentausch, Produkte mit Zinswucher, Kickback-Zahlungen usw. befassen, möglicherweise durch gesetzgeberische Maßnahmen im Rahmen ihrer Befugnisse, um dieses Phänomen zu bekämpfen. Größere Aufmerksamkeit muss den Darlehensvergabepraktiken, der Kontrolle und den sozialen Folgen gewidmet werden.

5. Zu diesem Zweck fordert der Kongress die Regionen auf, in ihren Gebieten günstige Bedingungen für die Vernetzung von Kompetenzen, den Austausch von Know-how und das Schließen von Partnerschaften zwischen Institutionen und Beteiligten aus der Wirtschaft zu schaffen, um die folgenden Aktivitäten durchzuführen:

a. Aufklärung der Kreditgeber und Kreditvermittler hinsichtlich ihrer Verantwortung durch Festlegen von Vorschriften und Warnungen an ihre Mitarbeiter;

b. Schaffung, sofern noch keine existieren, und finanzielle Unterstützung effektiver Schuldnerberatungsagenturen und Verknüpfung dieses Angebots mit anderen städtischen und kommunalen Diensten; Überwachung des lokalen Bedarfs an diesen Diensten, Bereitstellen technischer Hilfe für diese Dienste und Ausbildung ihres Personals;

c. auf präventiver Basis die Entwicklung von:

i.          Haushaltshilfen für alle Bevölkerungsgruppen sowie Anlaufstellen und soziale, wirtschaftliche und juristische Hilfe für verschuldete Personen;

ii.          eine Einführung in das Bank- und Haushaltswesen für die Allgemeinheit, Einzelpersonen, vor kurzem eingestellte Mitarbeiter und schutzbedürftige Gruppen;

d. Unterstützung von Organisationen, die gegen Überschuldung kämpfen und verschuldeten Personen helfen und Förderung eines verantwortungsvollen Zugangs zu speziell angepassten Bankkonten und Kleinkrediten für Personen in ungesicherten Situationen;

e. Förderung eines Zugangs zu verantwortungsvollen Kreditprodukten, wenn erforderlich durch staatliche Stellen, um Menschen mit geringen Einkommen bei der Stellensuche oder dem Stellenerhalt, der Sicherung der Mobilität oder beruflichen Wiedereingliederung zu unterstützen oder bei der Wohnungssuche zu helfen;

f. Bekämpfung von Wucher, indem man die Opfer dazu ermutigt, Fälle illegaler Kreditgeschäfte über vertrauliche Telefon-Hotlines zu melden, und Einrichten von Spezialteams mit den erforderlichen Befugnissen, um Täter zu identifizieren und zu verfolgen;

g. Erfassen und Auswerten von Daten zur Kredit- und Schuldenberatung, Bereitstellen eines Jahresberichts zur Überschuldung, ihrer Ursachen und sozialen Folgen in ihrer Region und die wirksame Meldemöglichkeit von Fällen von Wuchergeschäften;

h. Unterstützung von Konferenzen und Treffen zwischen Verbrauchern, Kreditberatern und den Banken, um das öffentliche Bewusstsein zu steigern und Vertreter der verschiedenen Berufsgruppen zu informieren.

6. Der Kongress fordert die regionalen Regierungen auf, sich vom Multipartite Social Contract (Multilateraler Sozialvertrag) des Europäischen Komitees für soziale Kohäsion (CDCS) inspirieren zu lassen, wenn sie Mechanismen für die Unterstützung überschuldeter Personen einrichten. Diese Verträge bringen öffentliche Stellen und unterschiedliche Organisationen der Zivilgesellschaft zusammen, um zahlreiche gemeinsame Dienste anzubieten, wodurch eine Zergliederung von Bemühungen verhindert und die Verantwortung der Leistungsempfänger und deren Engagement für solidarische Initiativen gefördert wird.

7. Der Kongress erinnert an die Empfehlung CM/Rec(2007)8 des Ministerkomitees an die Mitgliedstaaten über rechtliche Lösungen des Schuldenproblems und ruft die Regionalregierungen auf, ihren Einfluss geltend zu machen, um sicherzustellen, dass ihre nationalen Stellen diesen Text umsetzen.

8. Abschließend bittet der Kongress seinen Ausschuss für sozialen Zusammenhalt, mit seiner Entsprechung im Ausschuss der Regionen zum Thema eines verantwortungsvollen Konsums und Kreditvergabe sowie zu den Folgen der Wirtschafts- und Finanzkrise zusammen zu arbeiten.



[1] Diskussion und Zustimmung durch die Kammer der Regionen am 14. Oktober 2009 und Annahme durch den Kongress am 15. Oktober 2009, 3. Sitzung (siehe Dokument CPR(17)3, Begründungstext, Berichterstatterin : P. Muratore (Italien, L, ULDG)).

[2] Insbesondere revolvierende Darlehen zu extrem hohen Zinssätzen, die zusammen mit den Kosten den Darlehensnehmer daran hindern, die ursprüngliche Kapitalsumme zurückzuzahlen.

[3] Entschließung 263 (2008) über verantwortungsvollen Konsum und ein auf Solidarität basiertes Finanzierungwesen.