Entschliessung 31 (1996)1 über die durch den Kongress zu befolgenden Grundsätze bei der Erarbeitung von Berichten über die Lage der kommunalen und regionalen Demokratie in den Mitgliedländern des Europarats und den sich um eine Mitgliedschaft bei diesem bewerbenden Ländern

Der Kongress,

1. Erneut seiner Überzeugung Ausdruck gebend,

- dass die kommunalen und regionalen Gebietskörperschaften eines der Fundamente jedes demokratischen Staats sind, und dass deren Selbstverwaltung nicht nur geschützt, sondern auch entwickelt werden müsse;

- dass eine der wesentlichen Garantien der Menschenrechte und Grundfreiheiten in der Respektierung der Rechte und Freiheiten der kommunalen und regionalen Gebietskörperschaften liegt;

- dass sich das Recht der Bürger, sich an der Führung der öffentlichen Geschäfte zu beteiligen, getreu dem Subsidiaritätsprinzip, am unmittelbarsten auf der kommunalen Ebene ausüben lässt;

- dass eine wirksame kommunale und regionale Demokratie beiträgt zur demokratischen Sicherheit, so wie diese am Wiener Gipfel definiert worden ist, für den Aufbau eines vereinten, auf dem Vorrang des Rechts gegründeten Europa;

2. In Erinnerung rufend:

- die Bedeutung, die Aktualität und den Einfluss, die der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung zukommen, die Vielfalt der Situationen, auf die sie Anwendung findet, den erwiesenen Willen der europäischen Staaten, sich nach ihr zu richten beim Aufbau einer echten, den Bedürfnissen der europäischen Bürger und ihrer Sorge um deren tatsächliche Realisierung nachkommenden Gemeindedemokratie;

- dass eines der wesentlichen Ziele der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung darin besteht, das Subsidiaritätsprinzip - als demokratische Möglichkeit der direkten Partizipation der Bürger an der Führung ihrer eigenen öffentlichen Alltagsgeschäfte - tatsächlich umzusetzen;

- dass die Europäische Charta der kommunalen Selbstverwaltung die Übersetzung des demokratischen Prinzips ins Rechtswesen darstellt, dank deren das Ausmass an Selbstverwaltung, das die kommunalen und regionalen Gebietskörperschaften geniessen, als Eckstein einer echten Demokratie gelten kann;

- seine Initiative zur Ausarbeitung des Entwurfs einer Europäischen Charta der regionalen Selbstverwaltung, die - als unabtrennbare Ergänzung der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung - hinsichtlich der regionalen Aspekte der Selbstverwaltung und des Subsidiaritätsprinzips einen Beitrag leisten soll zur Vervollständigung des europäischen corpus iuris im Bereich der gebietskörperschaftlichen Rechte und Freiheiten;

3. In Erwägung, dass der Kongress, mit dem Einverständnis der Minister, mittels einer in seinen Reihen gebildeten und durch eine unabhängige Expertengruppe unterstützten Arbeitsgruppe für die Folgearbeiten zu der Umsetzung der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung sorgt;

4. Daran erinnernd, dass sich diese Folgearbeiten heute ergeben aus:

- einer ständigen Kontrolle ex officio der Anwendung der Artikel der Charta bei sämtlichen Vertragsparteien, gestützt auf die Konklusionen der unabhängigen Expertengruppe;
- einer Kontrolle auf Bitten der Gemeinden und Regionen der Mitgliedstaaten, welche Bitten über die sie repräsentierenden Verbände oder über ihre Delegationen beim KGRE vorgebracht werden;

5. In Erwägung der positiven Ergebnisse

- der Berichtserstellung über die Lage der kommunalen und regionalen Demokratie in den Mitgliedstaaten, vor allem auch des Berichts betreffend die Gemeindedemokratie in Rumänien, der ein höchst positives Beispiel für den Dialog und die Zusammenarbeit zwischen den Organen des Europarats und seinen Mitgliedstaaten darstellt;

- bei der Ausarbeitung der Berichte über die Lage der kommunalen und regionalen Demokratie und im Rahmen seiner Beobachtertätigkeit bei den Gemeinde- und/oder Regionalwahlen in den Ländern, die sich in jener Zeitspanne um einen Beitritt bewarben (Albanien, [Kroatien]2, ehemals jugoslawische Republik Mazedonien, Moldawien, Russische Föderation, Ukraine);

- des offenen und konstruktiven Dialogs, den er mit den Behörden Litauens, des Vereinigten Königreichs und der Türkei über die Lage der kommunalen und regionalen Demokratie in jenen Ländern führte;

6. Im Wunsch, in einem kohärenteren Kontext die Verfahren und Grundsätze zu harmonisieren, welche zu befolgen sind bei:

a) seinen Folgearbeiten zu der Umsetzung der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung;

b) der Erarbeitung seiner Berichte über die Lage der kommunalen und regionalen Demokratie in den Mitgliedstaaten des Europarats sowie den sich um Mitgliedschaft bewerbenden Ländern3;

c) seiner Beobachtertätigkeit bei den Kommunal- und Regionalwahlen in den sich um einen Beitritt bewerbenden Staaten;

7. Bezieht sich, hinsichtlich der unter 6a), oben, erwähnten Folgearbeiten zur Umsetzung der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung auf seine anlässlich seiner Dritten Tagung angenommene Entschliessung (3)7(1996) und Empfehlung (3)7(1996);

8. Beschliesst hinsichtlich der Ausarbeitung der unter 6a), oben, erwähnten Berichte über die Lage der kommunalen und regionalen Demokratie in den Mitgliedstaaten, dass das Präsidium auf eigene Initiative oder gestützt auf:

- sei es eine Bitte der Gemeinden und Regionen der Mitgliedstaaten - über ihre Vertretungsverbände oder Delegationen beim KGRE;

- sei es eine Bitte der mit der Verfolgung der Umsetzung der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung beauftragten Arbeitsgruppe - nach Kenntnisnahme der Konklusionen vonseiten der unter ihrer Aegide arbeitenden unabghängigen Expertengruppe;

- sei es eine Bitte des Ministerkomitees und/oder der Parlamentarischen Versammlung im Rahmen ihrer Prozeduren für die Einhaltung der durch die Mitgliedstaaten des Europarats eingegangenen Verpflichtungen;

i. eine Feststellung der Tatsachen vornimmt vermittels einer ersten Untersuchungsmission, die durch mindestens zwei Mitglieder des Kongresses geführt wird und die Aufnahme eines offenen und konstruktiven Dialogs sowohl mit den staatlichen als auch mit den Gebietsbehörden des betreffenden Mitgliedstaats ermöglicht;

ii. im Masse, in welchem die Erkundungsmission zeigt, dass die Tatsachen eine vertieftere Aktion rechtfertigen, und nach Einholung der Meinung der mit der Verfolgung der Umsetzung der Charta beauftragten Arbeitsgruppe, eine ad hoc Arbeitsgruppe einsetzt mit dem Auftrag, einen vertieften Bericht, gegebenenfalls gestützt auf die neuen Kontakte vor Ort einschliesslich der betroffenen nationalen Behörden, auszuarbeiten und diesen der Plenartagung des Kongresses oder dem Ständigen Ausschuss vorzulegen;

iii. vor der endgültigen Annahme des oben erwähnten Berichts den betroffenen nationalen Behörden die Möglichkeit zu einer Stellungnahme gibt;

9. Beschliesst hinsichtlich der Ausarbeitung der unter 6b), oben, erwähnten Berichte über die Lage der kommunalen und regionalen Demokratie in den sich um die Aufnahme bewerbenden Staaten, dass das Präsidium dringend einen Bericht annimmt, der von zwei - durch einen oder mehrere unabhängige Experten unterstützten - Berichterstattern ausgearbeitet wurde, und dass dieser Bericht einerseits zur Kenntnisnahme an den Ständigen Ausschuss und andererseits an die Parlamentarische Versammlung sowie an das Ministerkomitee überwiesen wird, damit sie ihn, wenn der betreffende Staat sein Beitrittsgesuchs stellt oder, gegebenenfalls, bei der Festlegung der Verpflichtungen berücksichtigen, die der betreffende Staat bei seinem Beitritt zum Statut des Europarats eingehen muss;

10. Beschliesst hinsichtlich der unter 6c), oben, erwähnten Beobachtung von Kommunal- und Regionalwahlen, dass das Präsidium einen durch eine Gruppe von aus der/den durch die beobachtungsbedürftigen Wahlen betroffenen Kammer(n) gewählten Beobachtern erstellten Bericht annimmt, und dass dieser Bericht danach zur Information an den Ständigen Ausschuss, die Parlamentarische Versammlung und das Ministerkomitee übermittelt wird;

11. Ersucht das Präsidium, dafür zu sorgen, dass innerhalb einer vernünftigen Zeitspanne sämtliche Mitgliedstaaten, auch ohne ausdrückliche Bitte der unter Punkt 8), oben, berechtigten Personen, Gegenstand eines ausführlichen Berichts über die Lage der kommunalen und regionalen Demokratie werden;

12. Beauftragt den unter der Aegide der Arbeitsgruppe für die Umsetzung der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung arbeitenden Ausschuss unabhängiger Experten, unter Kontrolle der genannten Arbeitsgruppe in regelmässigen Abständen einen technischen Überblick auszuarbeiten, worin zusammengefasst und in Form von einzelnen Blättern für jedes Land die institutionnelle, normative (einschliesslich neu durchgeführter oder ins Auge gefasster Reformen) sowie praktische Situation der kommunalen und regionalen Demokratie in sämtlichen Mitgliedstaaten sowie in den sich um die Aufnahme in den Europarat bewerbenden Staaten, zu denen die Parlamentarische Versammlung um Stellungnahme gebeten ist, beschrieben wird.

1 Diskussion und Annahme durch den Kongress am 4. Juli 1996, 3. Sitzung (siehe Dok. CG (3) 3, Entschliessungsentwurf vorgelegt von Herren A. Tchernoff und A. Chenard, Berichterstatter)

2 NB: Kroatien ist bisher noch nicht Mitglied des Europarats.

3 Die Erstellung dieser Berichte erfolgt aufgrund von Artikel 2, Paragraph 1, littera b. der Statutarischen Entschliessung (94)3 des Ministerkomitees über die Einsetzung des Kongresses und berücksichtigt die befürwortende Stellungnahme, welche die Delegierten der Mininster anlässlich ihrer 526. Zusammenkunft abgaben und die dem Kongress mit Brief vom 26. Januar 1996 übermittelt wurde.