Stellungnahme 9 (1998)1 zu dem Vorentwurf einer Empfehlung des Ministerkomitees an die Mitgliedstaaten betreffend die finanzielle (zivilrechtliche und rechnerische) Haftung gewählter Kommunalvertreter für die in Ausübung ihres amtes erfolgten Handlungen und Unterlassungen
Der Kongress,
Einer Bitte des Lenkungsausschusses für kommunale und regionale Demokratie (CDLR) Folge leistend um Stellungnahme zu dem vorläufigen Entwurf einer Empfehlung des Ministerkomitees an die Mitgliedstaaten betreffend die finanzielle (zivilrechtliche und rechnerische) Haftung gewählter Kommunalvertreter für die in Ausübung ihres Amtes erfolgten Handlungen und Unterlassungen, welche Stellungnahme den Anhang hierzu bildet;
In Anbetracht der Tatsache, dass die Frage einer solchen Haftung den gewählten Vertretern gegenwärtig erhebliche Sorgen bereitet, und dass die wachsende Zahl einschlägiger Rechtstexte wie auch von Verfahren, in denen es um die persönliche Haftung gewählter Vertreter geht, bei den Lokalpolitikern Unbehagen auslöst;
Die Tatsache berücksichtigend, dass die Entscheidungen, welche die Vertreter tagtäglich treffen müssen, oft besondere technische Kenntnisse voraussetzen, womit zugleich die Risiken angesprochen sind, welche die Vertreter bei der Erfüllung ihrer täglichen Pflichten eingehen;
Im übrigen der Ansicht, dass die Verantwortung der Vertreter die zwangsläufige Entsprechung zu den Befugnissen darstellt, welche ihnen mit ihrer Wahl übertragen wurden und die sie somit innehaben;
Im Bestreben, die Zwänge des kommunalen Mandats und der Gemeindeverwaltung einerseits und zugleich andererseits die Erfordernisse des Rechtsstaats zu berücksichtigen;
Im Bewusstsein der Tatsache, dass ein System, worin die Kommunalvertreter rechtlich haftbar sind, zwangsläufig die legitimen Interessen der Bürger berücksichtigen und ihnen hinreichende Rechtssicherheit bieten muss;
Allerdings der Meinung, dass ein solches System nicht dazu führen darf, dass gewählte Kommunalvertreter für die in der Ausübung ihres Mandats erfolgten Handlungen und Unterlassungen in unbilliger Weise persönlich haftbar gemacht werden;
1. Begrüsst den Vorschlag, die Kommunalvertreter zu allen Diskussionen beizuziehen, welche über anstehende Reformen des die Haftung der Kommunalvertreter betreffenden Systems stattfinden;
2. Unterstützt die in dem Vorentwurf einer Empfehlung betreffend die finanzielle Haftung gewählter Kommunalvertreter enthaltenen Grundsätze;
3. Hebt hervor, dass der sich in vielen Mitgliedstaaten vollziehende Dezentralisierungsprozess bedeutet, dass mehr Macht auf die lokale Ebene und somit vor allem auf die Kommunalregierungen übertragen wird, was wiederum die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass gewählte Kommunalvertreter für Handlungen oder Unterlassungen persönlich haftbar gemacht werden;
4. Glaubt, dass in manchen Fällen das von den Kommunalvertretern eingegangene Risiko einer persönlichen Haftung in keinem Verhältnis steht zu ihren Machtbefugnissen;
5. Glaubt überdies, dass die Behörden in gewissen Ländern dazu tendieren, sich mit ihrer Haftpflicht hinter der persönlichen Haftpflicht der Vertreter zu verstecken;
6. Stellt fest, dass richterliche Interventionen in Kommunalangelegenheiten dem Richter innerhalb weniger Jahre eine wichtige kommunale Rolle zugewiesen haben, worin er in der Gemeinde für eine auf der strikten Anwendung des Gesetzes beruhende rechtliche Rationalität sorgt. In Anbetracht dieser Tatsache und der Besonderheit kommunalpolitischen Handelns unterstützt der Kongress den Gedanken, innerhalb der zuständigen Zivil- oder Verwaltungsgerichtsbarkeit einschlägig spezialisierte Abteilungen einzurichten und Richtern, die in kommunalen Dingen entscheiden sollen, eine entsprechende Ausbildung zu bieten. Diese sollte den betreffenden Richtern zu einer besseren Berücksichtigung der Realitäten der kommunalen Regierungsarbeit sowie der schwierigen Aufgabe der Kommunalvertreter verhelfen und ihnen dadurch Zurückhaltung bei ihrer Vermittlungsarbeit auferlegen;
7. Hält eine breite Information sowie eine angemessene Ausbildung der Vertreter hinsichtlich der rechtlichen Seite der kommunalen Regierungsarbeit für Vorbeugungsmassnahmen, die faktisch dazu beitragen könnten, das Risiko von Fällen vorsätzlich ungesetzlichen Handelns in einzudämmen und eine Menge Prozesse zu vermeiden;
In diesem Zusammenhang und in Anbetracht:
- der schwierigen Aufgaben, die das Gesetz den Kommunalvertretern auferlegt, obgleich diesen die Ausbildung dafür oft fehlt;
- der Schwierigkeit der Vertreter , sich mit dem Recht, das sie bei der Bewältigung ihrer vielfältigen täglichen Aufgaben anwenden sollen, vertraut zu machen;
- der Notwendigkeit, den Vertretern rechtliches Fachwissen zur Verfügung zu stellen;
Begrüsst den an die Regierungen gerichteten Vorschlag, in Zusammenarbeit mit den Kommunen die Ausbildung der Kommunalvertreter hinsichtlich des auf sie anwendbaren Haftungssystems und der einschlägigen Rechtstexte zu verbessern;
8. Weist darauf hin, dass die nationalen Regierungen die Bemühungen von Gemeinden um die Anschaffung moderner Systeme für das Sammeln und Bearbeiten von Informationen betreffend die gesetzlichen Bestimmungen ermutigen sollten, welche die Haftung gewählter Kommunalvertreter regeln;
9. Begrüsst die Tatsache, dass die im Anhang zu dem Vorentwurf einer Empfehlung enthaltenen Richtlinien die Regierungen der Mitgliedstaaten dazu auffordern, einen zuverlässigen und rasch arbeitenden Rechtsberatungsdienst einzurichten, der gewählten Kommunalvertretern im Zweifel über die Rechtlichkeit einer ihnen obliegenden Entscheidung Hilfe bietet;
10. Findet allerdings, dass trotz der unzweifelhaften Vorteile einer derartigen Dienstleistung die diesbezügliche Empfehlung noch dahingehend präzisiert werden müsse, dass die von solchen Stellen geleistete Beratung unabhängig und unparteiisch sein muss;
Auch wäre die Angabe wichtig, auf welcher Regierungsebene - der nationalen, kommunalen oder der dazwischenliegenden Ebene - ein solcher Rechtsdienst anzusiedeln wäre.
Eine entsprechende Bestimmung würde auch Zweifel darüber ausräumen, ob bei einem zentralstaatlichen Angebot einer solchen Rechtsberatung nicht auch implizit eine staatliche Kontrolle über die kommunalen Entscheidungen ausgeübt wird;
11. Meint, dass unterschieden werden müsse zwischen Gemeinden mit leichtem Zugang zu Gutachterdiensten, qualifiziertem Personal und den für die Beschäftigung von Gutachtern notwendigen Finanzmitteln und solchen, wo es hieran fehlt. Zu letzteren gehören zahlreiche kleine und ländliche Gemeinden und deren Kommunalvertreter;
Da die grossen Gebietskörperschaften in der Regel über die nötigen Fachleute oder über die Mittel zur Beschäftigung von Juristen oder anderen Experten verfügen, meint der Kongress, dass sich eine Präzisierung empfiehlt, wonach die vorgeschlagenen Rechtsberatungsdienste vorab den kleinen Gemeinden geboten werden sollen;
12. Zusätzlich sollte in den Richtlinien auf die Rolle hingewiesen werden, welche die nationalen Kommunalverbände diesbezüglich spielen könnten, vorausgesetzt, sie haben die dazu nötigen Mittel;
Die Richtlinien könnten zudem die beratende Rolle erwähnen, welche die interkommunalen Dienste übernehmen könnten, sofern sie über entsprechende Finanzmittel verfügen.
In beiden Fällen könnten die Zentralregierungen die Entwicklung solcher Dienstleistungen innerhalb der Verbände (als Teil der Zusammenarbeit zwischen Behörden und vor allem zwischen Gemeinden) fördern und unterstützen, sind diese doch Schlüsselstellen für die landesweite Verbreitung von Informationen unter den Gemeinden;
13. Glaubt, dass ein Versicherungsschutz ein wirksames Mittel darstellen könnte, um die Folgen des Risikos, dass Volksvertreter im Zusammenhang mit illegalen Handlungen oder Unterlassungen persönlich haftbar gemacht werden, zu reduzieren;
Die Staaten sollten die Gemeinden daher ermutigen, solche Versicherungen abzuschliessen. Zugleich sollten sie die Ausarbeitung standardisierter Versicherungsverträge zur Absicherung der gewählten Volksvertreter gegen gewisse Risiken anregen.
Vielleicht wäre es nützlich, darauf hinzuweisen, dass der Abschluss von Versicherungsverträgen für die Rechtsberatung und/oder für die Prozesskostenhilfe zur Deckung aller, oft hohen, Rechtskosten besonders sinnvoll wäre und deshalb besondere Aufmerksamkeit von Regierungsseite erhalten sollte;
14. Deshalb empfiehlt der KGRE dem CDLR, in der Endfassung des Empfehlungsentwurfs sowie insbesondere der diesem beigegebenen Richtlinien folgende Änderungen zu berücksichtigen:
i. Der Kongress schlägt die Einfügung eines neuen, auf Abschnitt f. folgendenden Abschnitts in die Präambel vor:
In Anbetracht dessen, dass Vermittlung - als Möglichkeit der Beilegung gewisser Streitfälle - den Rückgriff auf Rechtsverfahren umgehen helfen, den Bürgern befriedigende Antworten verschaffen und die Beziehungen zwischen ihnen und den kommunalen bzw. regionalen Institutionen erleichtern kann, und dass manche Städte und Regionen für ihre Bürger deshalb leicht zugängliche Vermittlungs-/Ombudsstellen zur Kontrolle der Wirksamkeit und Legalität der Verwaltungsaktivitäten geschaffen haben);
ii. Hinsichtlich des Rechts einer Person, Klage zu führen, und ihres Rechts auf Schadensersatz schlägt der KGRE für den ersten Satz von Teil I der Richtlinien, Abschnitt "Das Recht der geschädigten Person, Klage zu führen und ihr Recht auf Schadensersatz" folgende Lesart vor:
"Wenn jemand der Meinung ist, zu Schaden gekommen zu sein infolge einer unrechtmässigen Handlung oder Unterlassung vonseiten eines gewählten Kommunalvertreters, dann sollte er zuerst die betreffende Gemeinde auf Schadensersatz verklagen."
iii. Hinsichtlich des Vorgehens, das solchen Personen offensteht, die der Meinung sind, dass ihnen infolge einer unrechtmässigen Handlung oder Unterlassung eines gewählten Kommunalvertreters Unrecht geschehen sei, und um die gewählten Abgeordneten nicht von jeder Haftung auszuschliessen, wird vorgeschlagen, den Ausdruck "either excluded or" ("entweder ausgeschlossen oder") in dem zweiten Satz des ersten Paragraphen des Abschnitts über "Das Recht der geschädigten Person, Klage zu führen und ihr Recht auf Schadensersatz" in Teil I wegzulassen;
iv. Hinsichtlich des Vorgehens, das solchen Personen offensteht, die der Meinung sind, dass ihnen infolge einer unrechtmässigen Handlung oder Unterlassung eines gewählten Kommunalvertreters Unrecht geschehen sei, wird ausserdem vorgeschlagen, in dem letzten Satz des zweiten Paragraphen des Abschnitts über "Das Recht der geschädigten Person, Klage zu führen und ihr Recht auf Schadensersatz" hinzuzufügen: "... und sollte deshalb von der Haftpflicht der Gemeinde unter dem Mandat des gewählten Gemeindevertreters abhängen").
v. Hinsichtlich der individuellen Haftbarkeit für kollektive Beschlüsse schlägt der KGRE für den betreffenden Abschnitt folgenden Wortlaut vor: "Im Falle unrechtmässiger Beschlüsse vonseiten eines Kollegialorgans sollten jene gewählten Vertreters, die förmlichen Einspruch dagegen erhoben oder sich der Stimme enthalten haben, im allgemeinen nicht persönlich haftbar gemacht werden".
vi. Hinsichtlich der Vorgutachten unabhängiger Fachgremien wird vorgeschlagen, an den letzten Satz des Abschnitts über Vorgutachten unabhängiger Fachgremien das folgende anzufügen: "und welche die gewählten Vertreter vorher hätten konsultieren können".
vii. Hinsichtlich der Massnahmen zur Begrenzung des Risikos vorsätzlich widerrechtlicher Handlungen wird für den ersten Abschnitt des Teils über "Information und Ausbildung der gewählten Kommunalvertreter" in Teil II der Richtlinien folgender Wortlaut vorgeschlagen:
"Die nationalen Regierungen sollten finanziell oder in jeder anderen geeigneten Weise solche von Gemeinden ausgehenden Initiativen ermutigen und unterstützen, welche die Einrichtung moderner Systeme zur Sammlung, Organisation, Analyse und Verarbeitung von Informationen betreffend die für die Gemeindeführung geltenden Gesetze und andere Vorschriften bezwecken";
viii. Hinsichtlich der Ausbildung von gewählten Kommunalvertretern schlägt der Kongress ausserdem vor, an den Teil über "Die Information und Ausbildung der gewählten Kommunalvertreter" einen neuen Abschnitt folgenden Wortlauts anzufügen:
"Ausserdem sollten die nationalen Regierungen Schritte nationaler Kommunalverbände zur Verbesserung der Ausbildung gewählter Gemeindevertreter hinsichtlich des auf sie anwendbaren Haftungssystems und der einschlägigen Gesetze mit allen geeigneten Mitteln ermutigen und unterstützen."
ix. Hinsichtlich der Massnahmen zur Begrenzung des Risikos vorsätzlich widerrechtlicher Handlungen schlägt der Kongress ausserdem die Anfügung des folgenden Paragraphen an den Teil über "Rechtsberatungsdienst für gewählte Gemeindevertreter" in Teil II der Richtlinien vor:
"Die Zentralregierung sollte Schritte vonseiten der nationalen Kommunalverbände zur Gründung von Rechtsberatungsdiensten für gewählte Gemeindevertreter, die vor ihren Beschlüssen noch eine Rechtsberatung einholen möchten, mit allen geeigneten Mitteln ermutigen und unterstützen. Derartige Rechtsberatungsdienste könnten auch - wenn nötig, mit Unterstützung durch die Zentralregierung - im Zusammenhang mit der Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Behörden bereitgestellt werden."
Anhang
VORENTWURF EINER EMPFEHLUNG DES MINISTERKOMITEES AN DIE MITGLIEDSTAATEN BETREFFEND DIE FINANZIELLE (ZIVILRECHTLICHE UND RECHNERISCHE) HAFTUNG GEWÄHLTER KOMMUNALVERTRETER FÜR DIE IN AUSÜBUNG IHRES AMTES
GETÄTIGTEN HANDLUNGEN UND UNTERLASSUNGEN
Das Ministerkomitee, kraft Artikel 15.b der Satzung des Europarats,
a. In Anbetracht dessen, dass es das Ziel des Europarats ist, zwischen seinen Mitgliedern eine engere Einheit zu schaffen zum Zwecke des Schutzes und der Verwirklichung der ihr gemeinsames Erbe bildenden Ideale und Grundsätze sowie der Erleichterung ihres wirtschaftlichen und sozialen Fortschritts;
b. In Anbetracht dessen, dass die aktive Mitwirkung der Bürger bei der Führung der öffentlichen Gemeindegeschäfte - unter anderem durch die Übernahme von durch Wahl übertragenen öffentlichen Ämtern - eine Vorbedingung für eine leistungsfähige Gemeindedemokratie ist und dass es zur Sicherstellung einer solchen Mitwirkung unerlässlich ist, sowohl das Vertrauen der Bürger in ihre gewählten Vertreter als auch die Rechtssicherheit für letztere zu wahren;
c. In Anbetracht dessen, dass sich folglich das System der gesetzlichen Haftpflicht gewählter Kommunalvertreter in besonderer Weise auf das reibungslose Funktionieren der kommunalen und regionalen Demokratie auswirkt;
d. In Anbetracht dessen, dass bei der Einrichtung eines solchen Systems die legitimen Interessen sowohl der Bürger als auch des Staats sowie der Gebietskörperschaften und der gewählten Volksvertreter zu berücksichtigen sind;
e. In Anbetracht dessen, dass die gewählten Kommunalvertreter den Bürgern gegenüber voll verantwortlich sein sollen und dass die gegenwärtig beobachtete Tendenz, die gewählten Kommunalvertreter rechenschaftspflichtig zu machen, ein wichtiger Faktor einer wirksameren Gemeindedemokratie ist;
f. In Anbetracht dessen jedoch, dass diese Tendenz den gewählten Kommunalvertetern berechtigte Sorgen bereitet, und dass angesichts ihres Wahlmandats vor dem Hintergrund einer steigenden Komplexität ihrer Aufgaben spezifische Vorkehrungen betreffend ihre finanzielle Haftpflicht begründet erscheinen;
g. Mit Rücksicht auf den Bericht des Lenkungsausschusses für Gemeinde- und Regionaldemokratie (CDLR) über "Die Haftung gewählter Kommunalvertreter für die in Ausübung ihres Amtes getätigten Handlungen und Unterlassungen";
Empfiehlt den Regierungen der Mitgliedstaaten:
1. unter Berücksichtigung der in den Richtlinien im Anhang zu dieser Empfehlung enthaltenen Grundsätze und Vorschläge die geeigneten Reformen an dem rechtlichen und administrativen Rahmen für die finanzielle Haftung gewählter Kommunalvertreter vorzunehmen;
2. die gewählten Kommunalvertreter zu allen Debatten über die auf diesem Gebiet anstehenden Reformen und über die Verfahren zu deren Umsetzung beizuziehen.
Anhang zu der Empfehlung Nr.
Richtlinien betreffend die finanzielle (zivilrechtliche und rechnerische) Haftung gewählter Kommunalvertreter für die in Ausübung ihres Amtes
getätigten Handlungen und Unterlassungen
Definitionen
Für diese Empfehlung gelten die folgenden Definitionen:
- zivilrechtliche Haftung: die Verpflichtung, den Verlust wiedergutzumachen, der aus der Nichterfüllung oder der schlechten Erfüllung eines Vertrages oder aus der Verletzung der allgemeinen Pflicht entsteht, anderen durch Handlungen, durch Gegenstände im eigenen Besitz oder durch Personen, für die man die Verantwortung trägt, keinen Schaden zuzufügen;
- rechnerische Haftung: die Pflicht öffentlicher Bediensteter, einschliesslich gewählter Volksvertreter, jeden ihrer Körperschaft gegenüber verursachten finanziellen Schaden zu ersetzen;
- gewählte Kommunalvertreter: Personen mit einem direkten oder indirekten Wahlmandat in der Versammlung oder in einem Exekutivorgan einer Gebietskörperschaft (auch der Zwischenebene).
I. Geltungsbereich und Anwendung der finanziellen Haftung von kommunalen Gebietskörperschaften und gewählten Kommunalvertretern
Das Recht der geschädigten Person, Klage zu führen, und ihr Recht auf Schadensersatz
Jedermann, der glaubt, aufgrund einer unrechtmässigen Handlung oder Unterlassung eines gewählten Kommunalvertreters zu Schaden gekommen zu sein, soll jederzeit gegen die betreffende Gebietskörperschaft auf Schadensersatz klagen dürfen. Eine direkte Klage gegen einen gewählten Kommunalvertreter hingegen sollte entweder ausgeschlossen oder aber auf Fälle schwerwiegende Fahrlässigkeit oder vorsätzlichen Fehlverhaltens seinerseits beschränkt bleiben.
Wer immer unrechtmässig zu Schaden gekommen ist infolge einer Handlung oder Unterlassung vonseiten eines gewählten Kommunalvertreters, der soll das Recht auf vollen und raschen Schadensersatz haben. Dieser Schadensersatz sollte nicht davon abhängen, dass ein Fehlverhalten oder Fahrlässigkeit des verantwortlichen gewählten Kommunalvertreters festgestellt wird.
Klagerecht der Gebietskörperschaft gegen den verantwortlichen gewählten Vertreter
Die Gebietskörperschaft muss das Recht haben, für einen aufgrund einer unrechtmässigen Handlung oder Unterlassung erlittenen Verlust auf dem Rechtsweg Schadensersatz von dem gewählten Kommunalvertreter zu fordern; wenn sie für eine einem Dritten widerfahrene Schädigung Schadensersatz hat leisten müssen, dann muss sie das Recht haben, Regress zu nehmen gegen den verantwortlichen gewählten Kommunalvertreter.
Die Haftpflicht gewählter Kommunalvertreter gegenüber ihrer kommunalen Gebietskörperschaft sollte allerdings auf Fälle schwerwiegenden oder vorsätzlichen Fehlverhaltens beschränkt sein. Wo eine solche Beschränkung nicht gesetzlich festgelegt ist, sollte die Gebietskörperschaft die Möglichkeit haben, auf die Ausübung ihres Klagerechts zu verzichten, beispielsweise im Falle von leichter Fahrlässigkeit oder wenn an Treu und Glauben des betreffenden gewählten Kommunalvertreters nicht zu zweifeln ist und wo dieser nach Massgabe der waltenden Umstände seiner Sorgfaltspflicht nachgekommen ist.
Individuelle Haftung für kollektive Beschlüsse
Im Falle eines rechtswidrigen Beschlusses durch ein Kollegialorgan sollte die persönliche Haftung derjenigen gewählten Vertreter, die sich diesem Beschluss widersetzt haben, im allgemeinen ausgeschlossen werden.
Finanzielle Verwaltungsstrafen
Es sollte vermieden werden, irgendeinem Automatismus folgend mechanisch eine Geldstrafe über einen gewählten Volksvertreter zu verhängen; vielmehr sollten derartige Sanktionen nur nach einer in kontradiktorischer Form durchgeführten Verhandlung und der daraus resultierenden Feststellung eines schweren oder vorsätzlichen Verschuldens auferlegt werden.
Richterliche Spezialisierung
Es wäre im Hinblick auf die wachsende Komplexität und den zunehmend technischen Charakter der Kommunalgeschäfte wie auch auf die Spezifität der Abgeordnetentätigkeit angebracht, innerhalb der für die finanzielle Haftpflicht gewählter Volksvertreter zuständigen Zivil- oder Verwaltungsgerichte Sonderabteilungen einzurichten und den über solche Fälle befindenden Richtern eine Spezialausbildung zukommen zu lassen.
Vorgutachten unabhängiger Fachgremien
Eine alternative oder begleitende Massnahme zur richterlichen Spezialisierung könnte in der Bildung unabhängiger Fachgremien bestehen, deren Meinung die Richter einholen sollten oder könnten, bevor sie über die Angemessenheit oder Unangemessenheit des Verhaltens und der beanstandeten Entscheidungen der betreffenden Volksvertreter befinden.
II. Massnahmen zur Begrenzung des Risikos nicht vorsätzlichen Verschuldens
Vereinfachung des rechtlichen Bezugsrahmens
Die Zahl der Gesetze, Bestimmungen und anderen Regeln, deren Anwendung von den gewählten Vertretern gefordert ist, vor allem auch diejenige der Ministerialerlasse und Zirkularnoten, sollte so weitgehend wie möglich eingeschränkt werden; die für die Hauptbereiche kommunaler Tätigkeit geltende Gesetzgebung sollte in konsolidierter Form dargestellt sein.
Information und Ausbildung der gewählten Kommunalvertreter
Die nationalen Regierungen sollten Gemeinden, die sich moderne Systeme für das Sammeln, Organisieren und Verarbeiten von Information zu Gesetzen und anderen Normenquellen zulegen möchten, ermutigen und unterstützen.
Sie sollten mit den Gemeinden an einer verbesserten Ausbildung für gewählte Kommunalvertreter zusammenarbeiten, vor allem, um diese besser vertraut zu machen mit den Rechtstexten, die sie anwenden müssen, sowie mit den ihre Haftpflicht im Fall von deren Verletzung regelnden Bestimmungen.
Rechtsberatungsdienst für gewählte Kommunalvertreter
Die zentralstaatlichen Behörden müssten einen zuverlässigen, speditiv arbeitenden Rechtsberatungsdienst mit der Aufgabe einrichten, hilfesuchenden Kommunalvertretern in Unsicherheit über die Legalität einer anstehenden Entscheidung entsprechende Hilfe zu leisten.
Interne Rechtsaufsicht
Es sollte die Möglichkeit zuhanden der Kommunen geschaffen werden, Mechanismen für die interne Rechtsaufsicht einzurichten; deren tatsächliche Einrichtung sollte gefördert und deren Leistung regelmässig beurteilt werden, sodass nötigenfalls Massnahmen zur Verbesserung ihrer Leistungsfähigkeit ergriffen werden können.
III. Versicherung betreffend die finanzielle Haftung für unrechtmässige Handlungen oder Unterlassungen vonseiten gewählter Kommunalvertreter
Versicherung für Gemeinden
Es sollte den Gebietskörperschaften explizit freigestellt werden, eine zivilrechtliche Haftpflichtversicherung gegen finanzielle Risiken abzuschliessen. Eine solche Versicherung könnte dazu beitragen, die Anzahl der Regressforderungen von Gebietskörperschaften gegenüber gewählten Volksvertretern in Fällen, da diese gutgläubig gehandelt hatten, zu verringern.
Versicherung für gewählte Volksvertreter
Es sollte ausdrücklich die Möglichkeit vorgesehen werden, dass die Gebietskörperschaften zugunsten ihrer gewählten Vertreter Versicherungen zur Deckung der finanziellen Risiken abschliessen, welche diese bei ihrer Amtsausübung, insbesondere im Falle leichten und nicht vorsätzlichen Verschuldens, eingehen.
Versicherung auf Gegenseitigkeit
Es sollte ausdrücklich die Möglichkeit vorgesehen werden, dass die kommunalen Gebietskörperschaften oder ihre gewählten Vertreter zur Absicherung gegen die oben erwähnten Risiken Versicherungsorganisationen auf Gegenseitigkeit gründen. Es wäre von Vorteil, wenn die zentralstaatlichen Behörden die Schaffung solcher Organisationen mit allen geeigneten Mitteln begünstigen würden.
Beschaffung und Offenlegung der für die Quantifizierung der versicherten Risiken benötigten Informationen
Es sollte auf nationaler Ebene ein kohärentes System für die Beschaffung und Offenlegung von Informationen betreffend die zivilrechtliche Haftpflicht der Gemeinden sowie die zivilrechtliche und rechnerische Haftpflicht der gewählten Kommunalvertreter geschaffen und dadurch ermöglicht werden, dass sowohl die gewählten Kommunalvertreter wie auch die Versicherungsträger diese Art von Risiko besser quantifizieren können.