Stellungnahme 21 (2003)1 zur Empfehlung 1614 (2003) der Parlamentarischen Versammlung zu “Umwelt und Menschenrechten”

1. In der Erwägung:

a. dass die Stockholmer Erklärung aus dem Jahre 1972 als erstes großes internationales Rechtsinstrument, das die Zielsetzungen zu den Menschenrechten mit denen des Umweltschutzes verknüpft, dazu geführt hat, dass die öffentliche Meinung zunehmend für die Auswirkung von Umweltfaktoren auf die Förderung und den Schutz der Menschenrechte sensibilisiert wurde und dass man sich immer mehr darüber bewusst geworden ist, dass sich Politiken und Programme für Umweltschutz und nachhaltige Entwicklung auch auf die Menschenrechte auswirken;

b. dass mehrere bedeutende internationale Abkommen den Umweltaspekt der Menschenrechte berücksichtigen und sich eine Reihe von Instrumenten, insbesondere hinsichtlich des Zugangs zu Informationen und der Beteiligung der Öffentlichkeit an der Entscheidungsfindung, auf die Verbindung zwischen Menschenrechten und Umwelt bezogen haben;

c. dass die Verfahrensrechte auf Information und Beteiligung, wie das Übereinkommen über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten (Aarhus, 1998) zeigt, sowohl zum Schutz der Menschenrechte als auch zum Schutz der Umwelt beitragen;

d. dass das Recht auf eine gesunde Umwelt auf nationaler Ebene seit 1992 in über 90 nationalen Verfassungen offiziell anerkannt worden und oft ausdrücklich für justiziabel erklärt worden ist;

e. dass der KGRE auf lokaler und regionaler Ebene oft die Verbesserung des Zugangs zu Informationen und der Beteiligung der Öffentlichkeit am Entscheidungsprozess im Umweltbereich empfohlen hat: So beziehen sich die Resolution 64 (1998) und die Empfehlung 42 (1998) auf die Frage der nuklearen Sicherheit und die Notwendigkeit, die Bevölkerung vor Ort zur Ansiedelung, zum Betrieb und zur Stillegung von Kernkraftwerken sowie zum Transport nuklearer Abfälle zu konsultieren;

f. dass die Resolution 115 (2001) und die Empfehlung 95 (2001) die Information der Öffentlichkeit und ihre Beteiligung an den Entscheidungsprozessen bei der Einrichtung und dem Betrieb von Basisstationen für Mobiltelefone empfehlen.

g. dass in dem Bericht des Kongresses (CG/DEV (10) 5) über die Problematik des Alpentransitverkehrs es hauptsächlich um die unerträgliche Umweltverschmutzung geht, unter der die Bevölkerung in den Bergtälern zu leiden hat.

2. In dem Bewusstsein:

a. der zahlreichen Probleme, die sich bislang noch in Zusammenhang mit der Übereinstimmung der Ansätze im Bereich der Menschenrechte und der Umwelt ergeben, weil die wesentliche Rolle, die die Förderung und der Schutz der Menschenrechte beim Umweltschutz spielen, noch nicht vollständig anerkannt oder akzeptiert worden ist und bis heute kein internationales Instrument zum Schutz der Menschenrechte ein "Recht auf Umwelt" enthält;

b. dass die internationalen Instrumente zu den Menschenrechten in diesem Zusammenhang nicht mit der aktuellen internationalen Meinung und den zahlreichen Mitgliedsstaaten, die ein Recht auf saubere Umwelt in ihre Verfassung und Gesetzgebung aufgenommen haben, mithalten.

3. Überzeugt:

a. von der Notwendigkeit, die Verbindung von Menschenrechten und Umweltschutz besser verständlich zu machen, da die Verteidiger der Menschenrechte die Bedeutung aller Arten von Umweltschädigungen ergründen müssen, damit nicht nur die individuellen Rechte ihrer Zeitgenossen sondern auch die der künftigen Generationen wahrgenommen werden können;

b. dass die Würde des Menschen untrennbar mit der Umwelt verbunden ist und die Achtung der Menschenrechte für die nachhaltige Entwicklung eine ebenso wichtige Voraussetzung ist wie der Schutz der Umwelt für einen effektiven Schutz der Menschenrechte und dass sich diese Rechte und die Umwelt somit gegenseitig bedingen und untrennbar miteinander verknüpft sind;

c. dass wirksame Verfahrensrechte wie das Recht auf Information in Umweltfragen, auf Beteiligung an umweltbezogenen Entscheidungen und auf die Erhebung von Klagen gegen eine Schädigung der Umwelt eine wesentliche Grundlage für künftige Fortschritte darstellen und die Anerkennung dieser Rechte in zahlreichen Ländern und Regionen der erste Schritt dazu war, die Verbindung zwischen diesen Rechten und der Umwelt offiziell anzuerkennen;

4. Erklärt der Kongress:

a. sich ohne jeden Vorbehalt dem Standpunkt der Parlamentarischen Versammlung anzuschließen, nach dem das zum Schutz der Menschenrechte eingerichtete System des Europarates zum Schutz der Umwelt beitragen muss;

b. die an die Regierungen der Mitgliedsstaaten gerichteten Empfehlungen zu billigen, mit denen insbesondere die Notwendigkeit betont wird, im Umweltbereich die im Übereinkommen von Aarhus genannten individuellen Verfahrensrechte auf Zugang zu Informationen, auf Beteiligung der Öffentlichkeit an Entscheidungsverfahren und auf Zugang zu Gerichten zu garantieren;

c. den Vorschlag zu billigen, in die Europäische Menschenrechtskonvention Bestimmungen über die Anerkennung der individuellen Verfahrensrechte aufzunehmen, mit denen der Schutz der Umwelt ausgebaut werden soll;

d. die an das Ministerkomitee gerichtete Empfehlung, zu diesem Zweck ein Zusatzprotokoll zur Europäischen Menschenrechtskonvention auszuarbeiten, voll und ganz zu unterstützen;

e. anzuerkennen, dass es ein vorläufiger Schritt im Hinblick auf die Abfassung eines Zusatzprotokolls wäre, für die Mitgliedsstaaten eine Empfehlung auszuarbeiten, in der die von der Europäischen Menschenrechtskonvention vorgesehenen Modalitäten zur Gewährleistung eines individuellen Schutzes vor einer Schädigung der Umwelt genannt, die auf nationaler Ebene erfolgende Verabschiedung eines individuellen Rechts auf Beteiligung am Entscheidungsverfahren im Umweltbereich vorgeschlagen und eine großzügige Auslegung des Rechts auf wirksame Beschwerde in Umweltfragen gefordert wird.

1 Diskussion und Annahme durch den Ständigen Ausschuss des Kongresses am 26. November 2003 (siehe Dok. CG (10) 25, Entwurf einer Stellungnahme, vorgelegt durch Herrn E. Van Vaerenbergh, Berichterstatter).