14. PLENARTAGUNG
(Straßburg, 30. Mai – 1. Juni 2007)

Status der Hauptstädte

Empfehlung 219(2007)[1]


Der Kongress, mit Bezug auf einen Vorschlag der Kammer der Gemeinden,

1. Unter Verweis auf:

a. Artikel 2, Absatz 1.b. der Entschließung (2000) 1 des Ministerkomitees betreffend den Kongress der Gemeinden und Regionen Europas, in dem es heißt, eines der Ziele des Kongresses ist die Vorlage von Vorschlägen an das Ministerkomitee zur Förderung der lokalen und regionalen Demokratie;

b. Artikel 2, Absatz 3 der gleichen Entschließung, in dem es heißt, der Kongress bemüht sich um die tatsächliche Umsetzung der Europäischen Charta der kommunalen und regionalen Demokratie (nachstehend „die Charta” genannt);

c. mehrere Empfehlungen und Berichte über die Situation der Gemeindedemokratie in den Mitgliedstaaten des Europarates;

d. den Begründungstext (CPL(14)4REP) über den Status von Hauptstädten, vorgelegt von Emin YERITSYAN (Armenien, EVP/CD)  und ausgearbeitet mit Hilfe der Gruppe der unabhängigen Experten, ausgehend von einem Beitrag von Professor Zoltan SZENTE, Ungarn;

2. Unterstreicht, dass die Hauptstädte als Städte mit einer herausragenden Rolle in den meisten Staaten das Recht auf kommunale Selbstverwaltung haben müssen, damit öffentliche Verantwortlichkeiten - gemäß der Charta - von demokratisch eingesetzten Behörden ausgeübt werden kann[2];

3. Ist der Auffassung, dass die Verwaltung einer Hauptstadt durch zentral ernannte Behörden oder Gemeindebehörden auf subkommunaler Ebene, ohne gewählte Gemeinderegierung auf Ebene der Hauptstadt, nicht den Grundprinzipien der Charta entspricht;

4. Erkennt an, dass es auf nationaler Ebene bezüglich des Status der Hauptstadt große Unterschiede gibt und dass diese Vielfalt nicht im Widerspruch zu den Prinzipien und Regeln der Charta steht, die auf unterschiedliche Weise umgesetzt werden kann, gemäß den nationalen Traditionen, politischen Bedingungen und dem sozialen Klima;

5. Erachtet es als gerechtfertigt, angesichts der spezifischen Probleme in den Hauptstädten, dass diese oft einen besonderen verfassungsmäßigen oder rechtlichen Status erhalten, der zum Beispiel der Stadtverwaltung der Hauptstadt regionale oder provinziale Rechte überträgt oder die Befugnis verleiht, spezifische Vorschriften zu erlassen;

6. Stellt mit Bedauern fest, dass das Finanzsystem einer Hauptstadt gelegentlich missbraucht wird bei Konflikten, die durch die unterschiedliche Parteizugehörigkeit des Stadtrates der Hauptstadt und der Zentralregierung entstehen;

7. Stellt fest, dass auf den unteren Verwaltungsebenen einer Hauptstadt die Prinzipien der Charta oft nicht zufriedenstellend umgesetzt werden;

8. Ist der Auffassung, dass die Existenz der unteren Verwaltungsebenen in einer Hauptstadt nicht die fehlenden Strukturen der kommunalen Selbstverwaltung ausgleicht, insbesondere da diese unteren Ebenen selbst oft streng von der Zentralregierung kontrolliert werden;

9. Glaubt, dass der Erfahrungsaustausch verschiedener Mitgliedstaaten über den Status ihrer jeweiligen Hauptstädte sehr nützlich für die Mitgliedstaaten wäre, die dabei sind, den Status ihrer Hauptstädte zu ändern;[3]


10. Angesichts des Vorangegangenen:

a. empfiehlt der Kongress den Mitgliedstaaten, die durch die zuständigen nationalen, föderalen und/oder föderativen Behörden vertreten werden:

i.              die Bedingungen zu schaffen, um eine demokratisch gewählte Stadtverwaltung in der Hauptstadt einzurichten, insbesondere in Ländern, in denen keine Stadtverwaltung auf Ebene der Hauptstädte existiert und die Prinzipien der kommunalen Selbstverwaltung der Hauptstadt in das Gesetz aufzunehmen;

ii.             besonders die rechtlichen und materiellen Garantien der Selbstverwaltung der neuen Stadtverwaltung der Hauptstadt in den Mitgliedstaaten hervorzuheben, in denen der Prozess der Einsetzung einer demokratisch gewählten Stadtverwaltung in der Hauptstadt begonnen hat;

iii.            die Stadtverwaltung der Hauptstadt, die gerade einen Sonderstatus erhält, in den Entscheidungsprozess einzubeziehen und die Möglichkeit der Vorabkonsultation gemäß Artikel 4.6 der Charta (wie auch im Falle bei jeder neuen Gesetzgebung, die Auswirkungen auf die Hauptstadt hat) zu garantieren;

iv.            eine klare und transparente Teilung der Verantwortung zwischen den Gemeinden und möglichen Bezirksebenen der Gemeinderegierung in einer Hauptstadt vorzusehen;

v.             den Status der Gemeinderegierungen in den Hauptstädten der Mitgliedstaaten anzuerkennen, in denen diese noch nicht existieren;

vi.            die Hauptstädte in die Lage zu versetzen, ihre Einnahmen zu erhöhen, damit ihre Verwaltungen funktionieren und sie ihre Funktionen als nationale Hauptstädte erfüllen können;

vii.           sicherzustellen, dass die unteren Verwaltungsebenen der Hauptstädte über ausreichende Finanzmittel verfügen, um ihre eigenen oder delegierten Funktionen auszuführen;

viii.          die notwendigen Schritte zu ergreifen, um den politischen Missbrauch des Finanzsystems einer Hauptstadt, insbesondere Steuererleichterungen oder andere finanzielle Erleichterungen als politisches Instrument zu verhindern;

ix.            die Kooperation zwischen der Zentralregierung und der Stadtverwaltung der Hauptstadt sicherzustellen, unabhängig von den verschiedenen Parteizugehörigkeiten;

b. empfiehlt der Kongress den Kommunalbehörden der Hauptstädte in den Mitgliedstaaten des Europarates die vorliegende Empfehlung und den dazugehörenden Begründungstext zur Kenntnis zu nehmen und die Umsetzung anzuregen;

c. fordert der Kongress das Ministerkomitee des Europarates auf:

i.          diese Empfehlung und den Begründungstext an die Behörden der Mitgliedstaaten des Europarates weiter zu leiten;

ii.          diese Empfehlung und den Begründungstext an den Lenkungsausschuss für Gemeinde- und Regionaldemokratie (CDLR) zur Information weiter zu leiten;

iii.         die Notwendigkeit anzuerkennen, insbesondere im Bereich Fachzentrum für Gemeindereform zwischenstaatlich zusammenzuarbeiten und besonders den technischen Beistand des Kongresses in Ländern anzuerkennen, in denen die Hauptstädte noch keinen Sonderstatus oder eine eigene autonome Verwaltungsstruktur besitzen;

d. fordert der Kongress die Parlamentarische Versammlung des Europarates auf, die voranstehenden Kommentare und Empfehlungen bei den eigenen Aktivitäten im Bereich der Gemeindedemokratie und der Überwachung der Einhaltung der Verpflichtungen, die die Mitgliedstaaten des Europarates eingegangen sind, zu berücksichtigen.



[1] Diskussion und Zustimmung durch die Kammer der Gemeinden am 31. Mai 2007 und Annahme durch den Kongress am 1. Juni 2007, 3. Sitzung (siehe Dokument CPL(14)4REC, Empfehlungsentwurf vorgelegt durch E. Yeritsyan (Armenien, L, EVP/CD), Berichterstatter).

[2] Siehe Artikel 3 der Charta und den entsprechenden Absatz im Begründungstext. 

[3] Siehe auch Empfehlung 133 (2003) des Kongresses über die Verwaltung der Hauptstädte, in der „regelmäßige Kontakte zwischen Hauptstädten vorgeschlagen werden, insbesondere zum Austausch guter Praktiken bei der Verwaltung der Hauptstädte”.