14. PLENARTAGUNG
(Straßburg, 30. Mai – 1. Juni 2007)
Spracherziehung in Regional- oder Minderheitensprachen
Empfehlung 222(2007)[1]
1. Der Kongress erkennt seit langem die enge Beziehung zwischen Sprache und Kultur sowie die Notwendigkeit an, die Regional- oder Minderheitensprachen zu unterstützen und zu bewahren. Diese Überzeugung führte zur Einführung der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen.
2. Seit Inkrafttreten der Charta verstärkte der Expertenausschuss, der die Umsetzung der Charta überprüft, ständig sein Fachwissen in diesem Bereich und heute wird die Charta als Schlüsselinstrument für Regional- oder Minderheitensprachen in Europa anerkannt.
3. Obgleich die Zahl der Vertragsstaaten der Charta weiter zunimmt, ist der Kongress besorgt, da viele Staaten die Charta noch nicht ratifiziert haben. Einige Staaten, die die Charta als Teil ihrer Beitrittsverpflichtungen zum Europarat ratifizieren wollten, haben dies noch nicht getan; andere unterzeichneten die Charta vor einigen Jahren, scheinen jedoch bei der Ratifizierung noch nicht weitergekommen zu sein.
4. Eine Analyse der Berichte des Expertenausschusses über die Spracherziehung kam zu dem Schluss, dass die Bildungsinstitutionen eine detaillierte Beschreibung ihrer Bildungsmodelle für Regional- oder Minderheitensprachen erstellen, bei der Berücksichtigung und der Umsetzung der Charta kohärent sein und weitere Maßnahmen zur Konsolidierung und Entwicklung des Unterrichts für Regional- oder Minderheitensprachen in ihren Regionen ergreifen sollten. So können sie weitere Fortschritte auf dem Weg zu einem europäischen Raum erzielen und in dem Regional- oder Minderheitensprachen systematisch und kohärent unterrichten.
5. Der Kongress ist auch der Auffassung, dass die Mitgliedstaaten des Europarates von der Anwendung des gemeinsamen Referenzrahmens für den Unterricht in Regional- oder Minderheitensprachen des Europarates profitieren können.
6. Der Kongress ist der Auffassung, dass die in der Charta verankerten Prinzipien für alle Mitgliedstaaten des Europarates und nicht nur für diejenigen gelten, die sie bisher ratifiziert haben und empfiehlt daher dem Ministerkomitee, die Regierungen aufzufordern:
a. die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen zu ratifizieren, falls sie dies noch nicht getan haben;
b. bezüglich der Bildungsmodelle:
i. die zuständige Behörde aufzufordern, eine Beschreibung der Ratifikationsebene für mögliche Bildungsmodelle vorzunehmen sowie die Anzahl der Unterrichtsstunden für die Regional- oder Minderheitensprachen und schließlich die Zielgruppe (alle Schüler in Gebieten mit Regional- oder Minderheitensprachen oder nur Sprecher der Regional- oder Minderheitensprachen);
ii. sicherzustellen, dass der Unterricht in der Regional- oder Minderheitensprache oder für diese die Grundlage für eine effiziente Übertragung darstellt;
iii. die Familien in die Übermittlung der Regional- oder Minderheitensprache einzubeziehen, insbesondere in der Vorschulerziehung;
iv. sicherzustellen, dass das Bildungssystem Kontinuität beim Unterricht der Regional- oder Minderheitensprache anbietet;
v. sicherzustellen, dass der Unterricht in Regional- oder Minderheitensprachen auf dem Territorium, auf dem die Sprache verwendet wird, allgemein verfügbar ist;
vi. den Unterricht in oder für Regional- oder Minderheitensprachen in Gebieten anzubieten, in denen die Sprache traditionell verwendet wird;
vii. eine Mindestanzahl von Schülern für den Sprachunterricht festzulegen, die niedriger liegt als die Messzahl für den Unterricht in einer offiziellen Sprache;
viii. die Regional- oder Minderheitensprache als Teil des Lehrplanes zu unterrichten;
ix. die Verfügbarkeit des Unterrichts in Regional- oder Minderheitensprachen zu garantieren;
x. die langfristige Durchführung des Unterrichts der Regional- oder Minderheitensprache in der Vorschule, Grundschule und weiterführenden Bildung zu garantieren;
xi. die notwendigen Bestimmungen in der Schule und für die Schüler festzulegen, um mit den Unterschieden zwischen den Sprachfähigkeiten der Sprecher der Regional- oder Minderheitensprachen anzufangen und den Schülern, die die Regional- oder Minderheitensprache als Fremdsprache lernen.
Die Staaten, die die Charta auf Ebenen I und II der Charta ratifizieren, könnten:
xii. den Sprechern von Regional- oder Minderheitensprachen eine Garantie auf Unterricht geben, wenn die Regional- oder Minderheitensprache als Unterrichtssprache in einer vernünftigen Entfernung zu ihrer Heimat verwendet wird;
xiii. allen Schülern auf dem Gebiet der Regional- oder Minderheitensprache einen Grundunterricht in der Regional- oder Minderheitensprache anbieten;
c. bezüglich der erzieherischen Ziele und des Unterrichtsmaterials:
i. den Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen (CEFR) für die Beschreibung der Bildungsziele in den Regional- oder Minderheitensprachen zu nutzen;
ii. ausreichend qualitativ hochwertiges Unterrichtsmaterial für die Regional- oder Minderheitensprachen auf Grundlage des gemeinsamen Referenzrahmens zur Verfügung zu stellen;
d. bezüglich der Lehrerausbildung:
i. genügend Lehrer für den Unterricht der Regional- oder Minderheitensprachen anzubieten, die genügend Sprachkenntnisse in der Minderheitensprache sowie die didaktischen Fähigkeiten für den Unterricht in einer mehrsprachigen Umgebung haben;
ii. eine qualitativ hochwertige Grundausbildung für Lehrer zu bieten, die sich sowohl auf die Didaktik eines hochwertigen Unterrichts in einem mehrsprachigen Umfeld konzentriert als auch auf die Sprachfähigkeiten in der Regional- oder Minderheitensprache;
iii. Weiterbildungskurse für Lehrer vorzusehen, die sich auf die Didaktik, die Vermittlung von Wissen und Fähigkeiten eines hochwertigen Unterrichts in einem aktuell mehrsprachigen Umfeld konzentrieren;
iv. Weiterbildungsmaßnahmen für Lehrer vorzusehen, die die Sprachfähigkeiten der Lehrer in der Regional- oder Minderheitensprache verbessern;
v. den Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen zur Beschreibung der gewünschten Sprachfähigkeiten der Lehrer in der Regional- oder Minderheitensprache zu nutzen;
vi. zu garantieren, dass nur Lehrer, die qualifiziert sind, die Regional- oder Minderheitensprache zu unterrichten, für den Sprachunterricht eingestellt werden;
e. bezüglich der Inspektion
i. ein Aufsichtsorgan einzurichten, das aus Inspektoren mit einer gründlichen Kenntnis der Regional- oder Minderheitensprache und der Besonderheiten eines qualitativ hochwertigen Unterrichts in einer mehrsprachigen Umgebung besteht, um den Unterricht in und durch die Sprache zu überwachen;
ii. dieses Organ zu beauftragen, regelmäßig Berichte über die Qualität und die Ergebnisse des Unterrichts für die Regional- oder Minderheitensprachen zu erstellen;
f. bezüglich der Rechtslage:
i. das elterliche Recht zu garantieren, den Unterricht in der Regional- oder Minderheitensprache (als Fach und als Unterrichtssprache) in dem Gebiet, in dem die Sprache gesprochen wird, zu wählen und eine erforderliche Mindestanzahl von Schülern für die Durchführung des Unterrichts festzulegen;
ii. Mindeststandards für Unterricht in der Regional oder Minderheitensprache sowie eine Mindeststundenanzahl festzulegen;
iii. die Kontinuität des Unterrichts der Regional- oder Minderheitensprache während des Pfichtunterrichts zu garantieren:
iv. eine klare Trennung der Verantwortung für den Regional- oder Minderheitensprachunterricht zwischen Zentral-, Regional- oder Kommunalregierung zu gewährleisten.
[1] Diskussion und Zustimmung durch die Kammer der Regionen am 30. Mai 2007 und Annahme durch den Kongress am 1. Juni 2007, 3. Sitzung (siehe Dokument CPR(14)3REC, Empfehlungsentwurf vorgelegt durch A. J. Mulder (Niederlande, R, SOC) und A. Temsamani (Belgien, R, SOC), Berichterstatter).