19. TAGUNG

Straßburg, 26. – 28. Oktober 2010

Soziale Zeit, Freizeit: Welche lokale Zeitplanungspolitik ist sinnvoll?

Entschliessung 313 (2010)[1]

1 Mit der „Zeitpolitik für die Stadt" ist ein neuer öffentlicher Aktionsplan und eine neue Betrachtungsweise der Raumverwaltung in Europa[2] Anfang der 1990er entstanden. Dieser Ansatz für die Stadt- und Raumplanung betrachtet Zeit als Schwerpunkt im Hinblick auf Anwendung, Analyse und Maßnahmen.

2. Neue Raumplanungspraktiken und eine ungezügelte Stadtentwicklung sowie immer flexiblere Arbeitszeiten, Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt, vermehrte Nichtarbeitszeiten, veränderte Lebensstile und eine andere Nutzung von Zeit und Raum und Umbrüche in den Familienstrukturen führen zu einem enormen Anwachsen der Mobilität und bringen Konflikte, Spannungen und Ungleichheit im Hinblick auf die Flächennutzung mit sich.

3. Die Qualität der Verwaltung und Regulierung von Zeit ist zu einem wichtigen Faktor des Raumentwicklungsprozesses geworden. Raum und Zeit sind interdependent und die Zeitplanung ist ein Kernelement der Raumplanung.

4. Die lokale Zeitplanungspolitik, auch als Zeitpolitik bekannt, soll die Lebensqualität verbessern und einen größeren sozialen Zusammenhalt schaffen. Ihre Entwicklung erfordert einen umfassenden, sektorübergreifenden und interdisziplinären Ansatz.

5. Neue Formen von Institutionen, wie z. B. „Zeitbüros" und „Zeitagenturen" haben zur Entstehung neuer Methoden der Analyse und Entwicklung öffentlicher Stadtplanungspolitik geführt und neue Formen der kommunalen Verwaltung auf der Grundlage partizipatorischer Demokratie nach sich gezogen.

6. Da Zeit ein wichtiger Aspekt der Lebensqualität und ein erheblicher Faktor für Ungleichheit ist, nimmt der Kongress der Gemeinden und Regionen Kenntnis von der Entstehung lokaler Zeitpolitik, wünscht diese in Europa auf allen Regierungsebenen zu fördern und stimmt zu, den Zeitfaktor in seine eigenen Aktivitäten aufzunehmen, insbesondere in die Aktivitäten, die mit der Stadtplanung zusammenhängen.

7. Er bezieht sich auf die Europäische Städtecharta II[3], die die wesentliche Rolle der städtischen Bürger als Kernstück der Stadtpolitik betont und sich mit der Notwendigkeit befasst, neue Modelle der Mobilität zu schaffen und städtische Gebiete komfortabler, zugänglicher und lebendiger für ihre Bewohner zu gestalten, ungeachtet ihres sozialen Hintergrunds, Alters oder Gesundheitszustands.

8. Angesichts des Vorstehenden ruft der Kongress die städtischen Behörden, kommunalen Stellen und untergeordneten Verwaltungsebenen auf:

a. das Bewusstsein der Bürger über das Organisieren von Zeit in ihren Familien und ihrer unmittelbaren Umgebung zu erhöhen und die Notwendigkeit, diese zu ändern und mit der Zivilgesellschaft daran zu arbeiten, neue Organisationsformen zu entwerfen, um die Herausforderungen einer modernen Gesellschaft zu meistern;

b. zu ermitteln, in welchem Maße Zeitfragen und zeitliche Konflikte Probleme für Bürger und Unternehmen im lokalen Kontext bedeuten;

c. Zeitbüros einzurichten, die Schlüsselelemente der lokalen Zeitpolitik sind, um Angebot und Nachfrage nach Zeit abzustimmen, Initiativen zu ergreifen und zu koordinieren, um Zeitpläne zu optimieren, und die Verfügbarkeit öffentlicher Dienste zu verbessern, um das tägliche Leben der Bürger zu vereinfachen;

d. eine sektorübergreifende, interdisziplinäre Studie über Mittel und Wege zur Förderung der Zeitpolitik im kommunalen Umfeld durchzuführen;

e. zu versuchen, die städtische Zeit und die soziale Zeit zu harmonisieren, um den Bedarf an zeitlichen Anpassungen alltäglicher Verpflichtungen und der räumlichen und zeitlichen Zugänglichkeit der städtischen Einrichtungen und Dienste zu erfüllen; diese Bemühungen müssen gleichzeitig die Solidarität unterstützen, die soziale Ausgrenzung bekämpfen und den Zusammenhalt fördern;

f. die zeitliche Dimension in alle ihre politischen Maßnahmen aufzunehmen;

g. die Konzepte anzuwenden und die Instrumente zu nutzen, die für die Umsetzung dieser Politik zur Verfügung stehen, und gleichzeitig ihre Relevanz sicherzustellen; neue Formen der Partizipation (gemeinsame Planungsorgane, gesellschaftlicher Dialog) und neue Tools für die Auswertung und Darstellung der räumlichen und zeitlichen Realität eines Gebietes zu etablieren (chronotopische Analysen und Karten);

h. beste Praktiken mit anderen Behörden auf nationaler und internationaler Ebene auszutauschen, um so Lernprozesse in diesem Bereich zu initiieren oder zu verstärken.

9. Abschließend weist der Kongress seinen Ausschuss für soziale Kohäsion an, die Möglichkeiten für die Förderung von Wissen über diese Politik in Europa zu untersuchen und die besten Praktiken für die Zusammenarbeit mit relevanten Organen des Europarats auszutauschen, insbesondere dem Europäischen Ausschuss für sozialen Zusammenhalt (CDCS).



[1] Diskussion und Zustimmung durch die Kammer der Gemeinden am 26. Oktober 2010 und Annahme durch den Kongress am 28. Oktober 2010, 3. Sitzung (siehe Dokument CPL(19)3, Begründungstext, Berichterstatterin : C. Tascon-Mennetrier, France (L, SOC)).

[2] In Italien.

[3] Im Mai 2008 vom Kongress der Gemeinden und Regionen des Europarats verabschiedet.