19. TAGUNG

Straßburg, 26. – 28. Oktober 2010

Soziale Zeit, Freizeit: Welche lokale Zeitplanungspolitik ist sinnvoll?

Empfehlung 295 (2010)[1]

1. In ihrer Suche nach Zeitgleichheit verabschieden immer mehr europäische Gemeinden und Regionen zeitgestützte Ansätze und richten Zeitbüros mit dem Ziel ein, die Lebensqualität ihrer Bürger durch ein Abstimmen der öffentlichen und privaten Dienste mit sich verändernden Lebensmustern zu verbessern.

2. Dieser neue Ansatz in der Stadt- und Raumverwaltung versucht, angesichts sich verändernder Lebensstile, die auf veränderte Arbeitsmuster und soziale Verhaltensweisen zurückzuführen sind, die städtische Zeit mit sozialer Zeit zu vereinbaren.

3. Die Zeitplanungspolitik betrachtet Zeit sowohl als Ressource als auch als kulturelles Medium und sie hinterfragt traditionelle Raumplanungsmechanismen. Sie hat zur Entwicklung neuer Formen von Institutionen (Zeitbüros) und zu neuen Formen der lokalen Partizipation und Kooperation geführt (z. B. der kommunale Bürgerdialog und öffentlich-private-Partnerschaften).

4. Diese Politik muss auf kommunaler Ebene umgesetzt werden, aber die Staaten können bei der Verbreitung und Etablierung derselben eine wichtige Rolle spielen. Einige Pionierarbeit leistende Staaten[2] haben sogar nationale und regionale Gesetze verabschiedet, welche Zeitbüros und die Zeitnutzungsplanung verpflichtend machen.

5. Der Europarat befasst sich seinerseits seit vielen Jahren durch seine Europäische Sozialcharta (1961), seine überarbeitete Europäische Sozialcharta (1996)[3], und die Arbeit des Lenkungsausschusses für die Gleichheit von Mann und Frau (CDEG) zur Vereinbarung von Berufs- und Privatleben implizit mit Zeitpolitik.

6. Der Kongress der Gemeinden und Regionen, im Bewusstsein der Ungleichheit, die sich aus der Zeitverteilung ergeben kann, ist der Überzeugung, dass der Europarat das Entstehen der Zeitpolitik anerkennen und deren Umsetzung fördern sollte.

7. Dementsprechend empfiehlt er dem Ministerkomitee des Europarats die Mitgliedsstaaten aufzurufen:

a. ein stärkeres Bewusstsein für die veränderten Muster des urbanen Lebens zu fördern, u.a. über die Medien;

b. die Zeitplanungspolitik auf kommunaler Ebene zu fördern und ihre Verabschiedung andernorts zu ermutigen;

c. eine Politik zu verfolgen, die Behörden dazu auffordert, in städtischen Gebieten Zeitbüros einzurichten, praktische Maßnahmen zu fördern und private Unternehmen zu unterstützen, die eine Zeitplanungspolitik verabschieden;

d. vollständig das bestehende Wissen und die bestehenden Fähigkeiten zu nutzen und Exzellenzzentren einzurichten, die von den kommunalen Stellen als Referenzpunkte genutzt werden können;

e. die besten Praktiken zu verbreiten und Netzwerkarbeit zu fördern;

f. die Tools und Instrumente für die Einführung und Unterstützung einer Zeitpolitik zu identifizieren, die auf nationaler Ebene und in anderen Staaten zur Verfügung stehen, deren Entwicklung zu fördern und die wissenschaftliche Bewertung derselben zu unterstützen;

g. Forschung in diesem Bereich zu fördern, insbesondere durch das Einrichten akademischer Fächer und von „Zeitlaboren”.

8. Abschließend ruft der Kongress das Ministerkomitee des Europarats auf, das „Recht auf Zeit" einzubeziehen. Er empfiehlt dem Ministerkomitee, die relevanten Organe des Europarats aufzurufen, insbesondere jene, die sich mit der Gleichstellung der Geschlechter und sozialem Zusammenhalt befassen, sich ausdrücklich mit der Zeitpolitik zu befassen und die Zeitverwaltung in ihre Aktivitäten aufzunehmen, zusammen mit den Konzepten „Zeit-Wohlbefinden" und „zeitliche Lebensqualität".



[1] Diskussion und Zustimmung durch die Kammer der Gemeinden am 26. Oktober 2010 und Annahme durch den Kongress am 28. Oktober 2010, 3. Sitzung (siehe Dokument CPL(19)3, Begründungstext, Berichterstatterin : C. Tascon-Mennetrier, France (L, SOC)).

[2] Italien.

[3] Artikel 22 – Die Arbeitnehmer haben das Recht auf Beteiligung an der Festlegung und Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der Arbeitsumwelt, Artikel 23 – Alle älteren Menschen haben das Recht auf sozialen Schutz, Artikel 26 - Das Recht auf Würde am Arbeitsplatz, Artikel 27 - Das Recht von Arbeitnehmern mit Familienverpflichtungen auf Chancengleichheit und Gleichbehandlung.