Der Kongress,
1. Erinnert insbesondere an:
a. das Übereinkommen des Europarats über die Beteiligung von Ausländern am kommunalen öffentlichen Leben, das 1992 zur Unterzeichnung aufgelegt wurde und bis jetzt - von insgesamt 44 Mitgliedstaaten - durch 9 Staaten unterzeichnet und durch 6 Staaten ratifiziert worden ist;
b. die Entschliessung 92 (2000) über dieses Thema, die in der Folge der am 5. und 6. November 1999 durch den KGRE gemeinsam mit der Stadt Strassburg und ihrem Ausländerbeirat organisierten Konferenz von Strassburg angenommen wurde;
c. die Konklusionen der am 14. Dezember 2001 durch den KGRE auf Einladung des Bürgermeisters von Stuttgart durchgeführten Anhörung, die sich vor allem auf einen europäischen Erfahrungsaustausch über Beiräte ausländischer Einwohner konzentrierte;
2. Erinnert ausserdem an die Grundsätze der Europäischen Städtecharta betreffend die tatsächliche Beteiligung der Einwanderer am öffentlichen Leben der Stadt;
3. Erinnert schliesslich an die neuen Arbeiten der Parlamentarischen Versammlung, insbesondere ihre Empfehlung 1500 (2001) über die Beteiligung der Einwanderer und der ausländischen Einwohner am öffentlichen Leben in den Mitgliedstaaten des Europarats sowie an die Empfehlung Rec.(2001) 19 des Ministerkomitees an die Mitgliedstaaten über die Beteiligung der Bürger am öffentlichen Leben auf lokaler Ebene, vor allem an Abschnitt 5 von Teil D des Anhangs zu dieser Empfehlung, der die Ausländer betrifft und die Staaten auffordert, sich diesbezüglich durch die in dem Übereinkommen von 1992 vorgesehenen Mechanismen anregen zu lassen, selbst wenn diese Bestimmungen für den Staat nicht rechtlich verpflichtend sind;
4. Dankt dem Bürgermeister von Stuttgart für die Aufnahme dieser Anhörung des KGRE in seiner Stadt und für seine bereits zugesagte Bereitschaft, im Jahre 2003 erneut eine Konferenz, grösseren Zuschnitts dann, zu diesem Thema in Stuttgart aufzunehmen;
5. Nimmt den Bericht von Frau Dirksen und Herrn Schuster (CPL(9)5, Teil II), die Entschliessung ....(2002) des KGRE zu dem selben Thema sowie die Zusammenfassung der Debatten an der Stuttgarter Anhörung zur Kenntnis;
6. Ist überzeugt, dass eine echte Gemeindedemokratie ohne volle Beteiligung sämtlicher Einwohner nicht möglich ist und es deshalb nicht angeht, die legal und dauerhaft auf den Territorien der europäischen Städte ansässigen ausländischen Einwohner, ungeachtet ihres Ursprungslandes, vom öffentlichen Gemeindeleben auszuschliessen;
7. Stellt fest, dass sich zahlreiche Städte bereits in der Lage befinden, dass ein sehr grosser Teil ihrer Bevölkerung zwar nicht Staatsangehörige sind, jedoch zum kulturellen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben der Stadt beitragen;
8. Ist der Überzeugung, dass diesen dauerhaft und legal auf dem Territorium eines Staates wohnhaften ausländischen Einwohnern im Austausch zu den Pflichten, die sie gegenüber ihrer Gastgemeinde auf sich genommen haben, auch Rechte, einschliesslich politischer Rechte, zugestanden werden müssen;
9. Stellt fest, dass zahlreiche Städte überall in Europa bereits eigene Initiativen ergriffen haben, um diesem demokratischen Defizit vor allem durch die Schaffung von Ausländerbeiräten entgegenzuwirken;
10. Ist Überzeugt, dass die Anwesenheit von Einwanderern und ausländischen Mitbürgern sowohl in menschlicher wie auch in kultureller und wirtschaftlicher Hinsicht eine Bereicherung unserer Gesellschaften bedeutet;
11. Bedauert das Ungenügen der Informationen über die diesbezügliche Lage in den verschiedenen europäischen Staaten, den mangelnden Erfahrungsaustausch unter den betreffenden europäischen Städten und die spärliche öffentliche Debatte über diese Fragen;
12. Ist der Meinung, dass diese Frage von wesentlicher Bedeutung ist für die demokratischen Staaten, die sich unweigerlich in näherer oder fernerer Zukunft vor wachsende Bevölkerungsbewegungen gestellt sehen werden, und ist der Meinung, dass es sich hier um eine grundlegende Frage der Menschenrechte und der Demokratie handelt;
13. Stellt fest, dass der Vertrag von Maastricht den Weg ebnet für die Anerkennung einer Wohnsitz-Bürgerschaft, die sich deutlich von der Staatsbürgerschaft unterscheidet, die er aber leider nur Bürgern der EU-Mitgliedstaaten zugesteht, womit er eine Diskrmination zwischen den verschiedenen Einwohnern ausländischer Herkunft einführt, die den vom Europarat und der Europäischen Menschenrechtskonvention hochgehaltenen Prinzipien widerspricht;
14. Erinnert an die Haltung des Übereinkommens von 1992, das die Ausländer entschieden nicht nach ihrer Herkunft unterscheidet und das drei grosse Kategorien von Massnahmen anbietet, mittels deren den Ausländern nach Kriterien ihrer Wohnhaftigkeit allmählich politische Rechte zuerkannt werden können:
a. Massnahmen, die dazu bestimmt sind, die Ausländer über ihre bürgerlichen Rechte und Pflichten erschöpfend aufzuklären und ihnen zu den selben Bedingungen wie den Inländern Ausdrucksfreiheit sowie das Recht gewährleisten, sich friedlich zu versammeln und sich mit anderen zusammenzuschliessen, dazu Massnahmen, die sie miteinbeziehen sollen in Konsultationen und Referenden betreffend örtliche Fragen;
b. die Schaffung von Beiräten oder anderen institutionellen Mechanismen, die es den Ausländern ermöglichen, ihren Standpunkt auf Gemeindeebene einzubringen;
c. die Gewährung des aktiven und passiven Wahlrechts auf Gemeindeebene, abhängig von ausführlichen Wohnsitzkriterien;
15. Begrüsst die Tatsache, dass eines der beiden durch den Generalsekretär des Europarats für 2002 - 2004 eingeleiteten integrierten Projekte unter einem der ausgewählten Ziele, nämlich Förderung der Partizipation, die Aufnahme dieser Problematik in das allgemeinere Thema "demokratische Institutionen in Aktion" vorsieht, und stellt mit Befriedigung fest, dass darin die einschlägigen Vorschläge und Projekte des KGRE unterstützt werden sollen;
16. Fordert diejenigen Mitgliedstaaten, die dies noch nicht getan haben, auf, so bald wie möglich das Übereinkommen über die Beteiligung von Ausländern am kommunalen öffentlichen Leben zu unterzeichnen und zu ratifizieren und sich bis dahin von den darin befürworteten, in den drei oben erwähnten Grundkategorien enthaltenen Massnahmen anregen zu lassen sowie die Gebietskörperschaften aufzurufen, die beiden ersten Massnahmenkategorien umzusetzen;
17. Fordert das Ministerkomitee auf, den Generalsekretär mit der Einleitung einer vertieften Untersuchung über die Umsetzung der Grundsätze dieses Übereinkommens in den Mitgliedstaaten des Europarats zu beauftragen, im Wissen, dass mehrere Länder einige dieser Vorschriften mindestens zum Teil bereits anwenden, ohne das Übereinkommen unterzeichnet und ratifiziert zu haben;
a. schlägt dem Ministerkomitee vor, dass die Generaldirektion für juristische Angelegenheiten und vor allem deren Direktion für die Gemeinde- und Regionaldemokratie sowie die Generaldirektion für soziale Kohäsion zusammenarbeiten bei dieser Untersuchung, die es ermöglichen wird, die ernstliche Informationslücke auf diesem Gebiet zu schliessen und ausserdem die Daten zu ergänzen, die der KGRE seinerseits aufgrund seiner Kontakte zu seinen wichtigsten Gesprächspartnern, den Gemeinden und Regionen Europas und ihren Verbänden, sammeln kann;
b. schlägt vor, dass sich die Generaldirektion für Menschenrechte und insbesondere die europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) an den Bemühungen der übrigen Generaldirektionen und denjenigen des Kongresses beteiligt, um diese Informationen zusammenzubringen, den Erfahrungsaustausch anzuregen und gute Verfahren sowie deren mögliche Weiterentwicklung je nach Ebene - lokal, regional, national oder europäisch - zu entdecken, so wie diese in der Entschliessung ....(2002) des KGRE betreffend "die Partizipation der ausländischen Einwohner am öffentlichen Leben der Gemeinde: die Beratungsorgane" vorgestellt werden;
18. Fordert die Parlamentarische Versammlung und insbesondere deren Ausschüsse für Wanderungen, Flüchtlinge und Demographie sowie für Umwelt und Landwirtschaft auf, sich diesen Arbeiten anzuschliessen, sodass diesen das ihnen zustehende Echo auf allen Verwaltungsebenen zuteil wird, und damit überall in Europa eine auf objektive Unterlagen gestützte, breite öffentliche Debatte entsteht, auf welche sich sodann die Politiken zur Förderung guter Praxis auf dem Gebiet abstützen können;
19. Begrüsst die Tatsache, dass der Ausschuss für Wanderungen, Flüchtlinge und Demographie der Parlamentarischen Versammlung zusammen mit der Direktion für Jugend und Sport am 15. und 16. November 2001 in Budapest eine Anhörung über die besondere Lage jugendlicher Migranten durchgeführt hat und erklärt sich bereit, mit ihm bei einer vertieften Bearbeitung dieser Frage zusammenzuarbeiten in der Überzeugung, dass der Partizipation und der Integration jugendlicher Migranten der ersten und zweiten Generation angesichts der darin liegenden Herausforderung für die soziale Kohäsion und die Demokratie unserer Gesellschaften heute und in den kommenden Jahren besondere Aufmerksamkeit gebührt;
20. Fordert die Europäische Union auf, die durch den Europarat und dessen Übereinkommen geförderte Sicht zu übernehmen und ihre gegenwärtigen Positionen betreffend die Partizipation der ausländischen Einwohner am öffentlichen Leben der Gemeinde zu überprüfen im Hinblick darauf, allen ausländischen Einwohnern ohne Unterscheidung nach Herkunftsland die Wohnsitz-B1ürgerschaft und, gegründet auf gemeinsame Kriterien des Wohnsitzes, die selben politischen Rechte zuzuerkennen.
1 Diskussion und Zustimmung durch die Kammer der Gemeinden am 5. Juni 2002 und Annahme durch den Ständigen Ausschuss des Kongresses am 6. Juni 2002 (siehe Dok. CPL (9) 5, Empfehlungsentwurf vorgelegt durch Frau V. Dirksen und Herrn W. Schuster, Berichterstatter)