Empfehlung 126 (2003)1 betreffend die Gemeinde- und Regionaldemokratie in Aserbaidschan
Der Kongress
1. Erinnert an:
a. Artikel 2, Abschnitt 3, der Statutarischen Entschliessung (2000)1 des Ministerkomitees, worin dieses den KGRE mit der Ausarbeitung, Land für Land, von Berichten über die Lage der Gemeinde- und Regionaldemokratie (Monitoring-Berichte) in den Mitgliedstaaten beauftragt;
b. seine Entschliessungen 31 (1996), 58 (1997) und 106 (2000), worin die leitenden Grundsätze für die Ausarbeitung der oben erwähnten Berichte festgelegt sind;
2. In Anbetracht:
a. des durch sein Präsidium anlässlich des Beitritts von Aserbaidschan zum Europarat verfassten Berichts2 und des am 2. Oktober 2000 durch den Präsidenten des Kongresses an den Justizminister der Republik Aserbaidschan gerichteten Briefes;
b. der Entschliessung 1305 (2002)3 der Parlamentarischen Versammlung betreffend die Einhaltung seiner Verpflichtungen durch Aserbaidschan, welche das Land im Rahmen seines eigenen Monitoring-Verfahrens und unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Schlussfolgerungen des KGRE bezüglich der Lage der Gemeindedemokratie in dem Lande verfasst hat;
c. der durch das Ministerkomitee an die Behörden von Aserbaidschan gerichteten, durch Vermittlung der Monitoring-Gruppe GT-AGO ausgearbeiteten Empfehlungen, welche hinsichtlich der Lage der Gemeindedemokratie in dem Lande ebenfalls ausdrücklich auf die Empfehlungen des KGRE Bezug nehmen;
3. Nach Prüfung des Berichts seines Institutionellen Ausschusses über die Lage der Gemeinde- und Regionaldemokratie in Aserbaidschan, der durch die Herren Berichterstatter Alan LLOYD (Vereinigtes Königreich, G) und Gregory GRZELAK (Polen, R) in Verbindung mit dem Mitberichterstatter, Herrn Jean-Claude FRECON (Frankreich, G) ausgearbeitet worden ist;
4. Dankt:
a. den Vertretern des Parlaments der Republik Aserbaidschan (Milli Medschlis) und insbesondere dessen Ausschuss für Gemeindefragen sowie den Bürgermeistern und Gemeindeabgeordneten, welche die Berichterstatter bei ihren beiden offiziellen Besuchen des Landes (Baku, 25.-28. August 2002 sowie Baku, Sungaït, 6.-8. März 2003) getroffen haben, für ihre Dialogbereitschaft und die Fülle der zur Verfügung gestellten Informationen;
b. dem Justizminister der Republik Aserbaidschan und insbesondere dessen Zentrum für die methodologische Unterstützung von Gemeinden für die anlässlich der oben erwähnten Besuche geleistete logistische Unterstützung und die mitgeteilten detaillierten Beobachtungen;
c. der präsidialen Verwaltung der Republik Aserbaidschan für ihre Unterstützung während der gesamten Dauer der Ausarbeitung des Monitoring-Berichts, jedoch bedauernd, dass das Treffen mit dem Leiter dieser Verwaltung anlässlich des zweiten Besuches in letzter Minute abgesagt wurde;
d. Herrn Alain DELCAMP (Frankreich), Präsident der Gruppe unabhängiger Experten für die Europäische Charta der kommunalen Selbstverwaltung, sowie dem Sekretariat des institutionellen Ausschusses für die wertvolle Hilfe, die sie den Berichterstattern bei der Durchführung ihrer Arbeit geleistet haben;
5. Begrüsst die Ratifikation der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung4 durch die Republik Aserbaidschan;
6. Bedauert jedoch, dass die Republik Aserbaidschan:
a. sich als nicht gebunden erachtet durch die Artikel 7, Abschnitt 2, Artikel 9, Abschnitt 5 sowie Artikel 10, Abschnitt 3 der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung;
b. das Europäische Rahmenübereinkommen über die grenzüberschreitende Zusasmmenarbeit zwischen Gebietskörperschaften und dessen Zusatzprotokolle sowie das Übereinkommen über die Beteiligung von Ausländern am kommunalen öffentlichen Leben bisher weder unterzeichnet noch ratifiziert hat;
c. die Europäische Charta der regionalen und Minderheitensprachen noch nicht ratifiziert hat;
7. Ruft die zuständigen Behörden auf, die unter Punkt 6.a, oben, aufgezählten Abschnitte der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung sowie die Übereinkommen unter Punkt 6.b und c., oben, zu akzeptieren;
8. Möchte in Anbetracht des oben Gesagten die Aufmerksamkeit der präsidentiellen, parlamentarischen und Regierungsstellen der Republik Aserbaidschan auf folgende Überlegungen und Empfehlungen lenken:
8.1 Überlegungen und Empfehlungen allgemeiner Art:
a. Die nach einem späten Beginn geleistete gesetzgeberische Arbeit ist beachtenswert. Sie bedarf jedoch noch der Verfeinerung, um die gesetzlichen Bestimmungen vollständig in Einklang zu bringen mit dem Wortlaut der Verfassung sowie mit der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung;
b. Sobald aber der legislative Rahmen völlig geklärt ist, ist es von grösster Wichtigkeit, dass für die strikte Anwendung des gesamten Regelwerks gesorgt wird;
c. Diese Errungenschaften müssen Aserbaidschan in die Lage versetzen, unter Berücksichtigung der mit seiner spezifischen Situation zusammenhängenden Schwierigkeiten den mit der Signatur der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung - in einem weiteren Schritt: auch der projektierten Charta der regionalen Selbstverwaltung - eingegangenen Verpflichtungen in zunehmenden Mass bis zur Vollständigkeit nachzukommen;
8.2 Spezifische Überlegungen und Empfehlungen:
8.2.1 Gesetzliche Definition der Gemeinde (Artikel 2 und 3 der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung):
a. Das Gesetz betreffend das Gemeindestatut der Republik Aserbaidschan (28. Juli 1999) betrifft zwar die direkte Wahl durch die Bevölkerung und unterscheidet die Gemeinden von den Nichtregierungsorganisationen (NRO), definiert die Gemeinden aber als Ausdruck "eines Nichtregierungssystems" (Artikel 1.1) oder als "nicht im Regierungssystem enthaltene Einheiten" (Artikel 14.4);
b. gemäss den eingeholten Informationen dienen diese Ausdrücke der Unterscheidung der Gemeinden von den zentralstaatlichen Behörden. Es gilt jedoch, eine Interpretationsmöglichkeit dieser Bestimmungen in dem Sinne zu vermeiden, als wären die Gemeinden nicht Teil des öffentlichen Verwaltungssystems Aserbaidschans;
c. Um solche Missverständnisse - insbesondere hinsichtlich der den wesentlichen Bestimmungen der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung zugrundeliegenden Prinzipien - zu vermeiden, wäre es wünschenswert, dass das betreffende Gesetz zwar die Autonomie der Gemeinden deutlich macht, zugleich aber betont, dass sie öffentlich-rechtliche Körperschaften innerhalb des Verwaltungssystems des Landes sind nicht anders als andere durch das Volk direkt gewählte Organe (Präsident der Republik, Milli Medschlis);
d. In Anbetracht des vorher Gesagten empfiehlt der Kongress den zuständigen Stellen der Republik Aserbaidschan, die nötigen Massnahmen zu ergreifen, damit:
i. der in Artikel 1.1 des Gesetzes über das Gemeindestatut in der Definition der kommunalen Selbstverwaltung verwendete Ausdruck "Nichtregierungssystem" weggelassen wird;
ii. die in Artikel 2.1 des Gesetzes über das Gemeindestatut enthaltene Definition von "Gemeinde" explizit erwähnt, dass "die Gemeinden, als ein selbstverwaltendes Element des Systems der öffentlichen Verwaltung, Teil der öffentlichen Organe der Republik Aserbaidschan sind";
8.2.2 Die Zuständigkeiten der Gemeinden (Artikel 3 und 4 der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung):
a. Die Zuständigkeiten der aserbaidschanischen Gemeinden bleiben sehr beschränkt und betreffen keinen wesentlichen Teil der öffentlichen Angelegenheiten5, wie dies die Europäische Charta der kommunalen Selbstverwaltung6 jedoch fordert;
b. Ausserdem sind diese Zuständigkeiten weder umfassend noch ausschliesslich7. Alle Aufgaben der Gemeinden dienen faktisch der Vervollständigung der Zuständigkeiten der dekonzentrierten zentralstaatlichen Organe oder unterstehen der Zweckmässigkeitskontrolle vonseiten der letzteren;
c. In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass die öffentlichen Aufgaben im allgemeinen vorzugsweise den Behörden obliegen, die den Bürgern am nächsten sind. Bei der Aufgabenzuweisung an andere Stellen sollte dem Umfang und der Art der Aufgabe sowie den Erfordernissen der Wirksamkeit und der Wirtschaftlichkeit Rechnung getragen werden (Subsidiaritätsprinzip)8;
d. In Anbetracht des oben Gesagten empfiehlt der Kongress den zuständigen Stellen der Republik Aserbaidschan:
i. für eine konkrete Anwendung der Bestimmung der Charta, wonach die den Gemeinden übertragenen Aufgaben einen wesentlichen Teil der öffentlichen Angelegenheiten abdecken sollen, zu sorgen;
ii. das Gesetz über das Gemeindestatut so rasch wie möglich dahingehend zu ändern, dass das Subsidiaritätsprinzip entsprechend Artikel 4.3 der Charta darin eingearbeitet wird;
iii. durch das selbe Gesetz zu präzisieren, dass die den Gemeinden übertragenen Zuständigkeiten vollständig und umfassend sein müssen und die Gemeinden ihr Recht, sich mit allen von ihrer Zuständigkeit nicht ausgeschlossenen oder nicht einer anderen Stelle übertragenen Angelegenheiten zu befassen, voll ausüben können müssen9;
8.2.3 Die Beziehungen zwischen den dezentrierten10 Behörden und den Gemeinden (Artikel 4 und 8 der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung):
a. Die in Abschnitt 8.1.2, oben, beschriebenen Mängel und das Fehlen einer Gesetzgebung, welche die Beziehungen zwischen den dezentrierten Staatsbehörden einerseits und den Gemeinden andererseits festlegt, führen in der Praxis oft zu Verletzungen der kommunalen Autorität;
b. Der Kongress empfiehlt den zuständigen Behörden der Republik Aserbaidschan, so rasch wie möglich ein Gesetz anzunehmen, welches klare Regeln für die Beziehungen zwischen den dezentrierten Staatsbehörden und den Gemeinden festlegt, insbesondere dann, wenn diese Verwaltungen in Konkurrenz zueinander oder auf Tätigkeitsgebieten aktiv sind, für welche keine klare Verteilung der Zuständigkeiten festgelegt wurde;
8.2.4 Rechtsstellung der gewählten Gemeindevertreter und Aufsicht über die Legalität ihrer Beschlüsse (Artikel 7 und 8 der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung):
a. Der im Milli Medschlis ausgearbeitete Gesetzentwurf betreffend die Verwaltungsaufsicht über die Tätigkeit der Gemeinden wurde mehrmals durch das Direktorat für Zusammenarbeit zugunsten der Gemeinde- und Regionaldemokratie des Generalsekretariats des Europarats evaluiert. Die jüngste dieser Stellungnahmen11 macht deutlich, dass der Gesetzentwurf mit der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung12 nicht übereinstimmt, weil:
i. er hinsichtlich des mit der Durchführung der Verwaltungskontrolle beauftragten Organs und seiner Rechtsstellung ausserordentlich vage ist;
ii. er den Umfang der Verwaltungsaufsicht nicht deutlich festlegt;
iii. er die Kontrollverfahren nicht hinreichend genau festlegt;
b. Gestützt auf seine Feststellungen, empfiehlt der Kongress den zuständigen Behörden der Republik Aserbaidschan:
i. den Gesetzentwurf betreffend die Verwaltungskontrolle über die Aktivität der Gemeinden nicht anzunehmen, bevor er aufgrund der oben erwähnten Stellungnahme einer Revision unterzogen worden ist;
ii. rasch ein Gesetz über die Rechtsstellung der gewählten Gemeindevertreter anzunehmen, das die freie Ausübung ihres Amtes sicherstellt13;
8.2.5 Finanzmittel der Gemeinden (Artikel 9 der Europäischen Charta der kommunalen Gebietskörperschaften):
a. Selbstverwaltung und Steuerkapazität der Gemeinden Aserbaidschans sind sehr beschränkt; in den meisten Fällen verfügen die Gemeinden nur über die Einnahmen aus sehr wenig einträglichen örtlichen Steuern und Gebühren;
b. Dieses Problem wird verschlimmert durch die Tatsache, dass die Gemeinden, vor allem in Baku, noch immer keinen eigenen Besitz haben und dass die Steuern auf die einträglichsten Besitztümer oder Tätigkeiten unter der Kontrolle der zentralstaatlichen Behörden bleiben;
c. Ungeachtet der Erlasse in diesem Sinne vonseiten des Präsidenten der Republik ist die Übertragung des Eigentums der dezentrierten Behörden an die Gemeinden noch nicht vollständig abgeschlossen;
d. Überdies scheint es, dass die Gemeinden bei der Ausübung ihrer Zuständigkeiten nicht frei über ihre Mittel verfügen können;
e. Die Verteilung der staatlichen Mittel erfolgt nicht nach objektiven, klaren, transparenten, eindeutigen, gesetzlich festgelegten Kriterien;
f. In Anbetracht des oben Gesagten, empfiehlt der Kongress den zuständigen Behörden der Republik Aserbaidschan:
i. die Steuerkapazität der Gemeinden progressiv zu erhöhen, damit zumindest ein grosser Teil ihrer Finanzmittel tatsächlich aus eigenen Gemeindesteuern kommen kann, deren Hebesätze sie im Rahmen des Gesetzes selber festlegen dürfen14. Deshalb ist es wichtig sicherzustellen, dass diese Steuern ausreichend einträglich, dynamisch und vielfältig sind15;
ii. die Übertragung des Besitzes an die Gemeinden in Übereinstimmung mit dem Gesetz und gemäss den Erlassen des Präsidenten zu vervollständigen16;
iii. so rasch wie möglich Regeln für eine ausgewogene Verteilung der staatlichen Mittelzuweisungen an die Gemeinden anzunehmen, die auf klaren, leicht nachprüfbaren, sachlichen und genauen Kriterien beruhen;
iv. sicherzustellen, dass die Gemeinden bei der Ausübung ihrer Zuständigkeiten frei über ihre Mittel verfügen können, auch dann, wenn diese aus Zuweisungen vonseiten zentralstaatlicher Stellen kommen17;
8.2.6 Die Gemeindedemokratie in der Hauptstadt Baku:
a. Die Stadt Baku wird durch einen Gouverneur und dessen (auf der Ebene von 11 Bezirken arbeitende) Stellvertreter geleitet, die alle Vertreter der zentralstaatlichen Exekutive auf peripherer Ebene sind;
b. Auch wenn eingeräumt werden muss, dass eine Hauptstadt Interessen wahrnimmt, die in gewissen Fällen aus Gründen der Effizienz und Wirtschaftlichkeit die lokalen Interessen übersteigen, so sollen diese Interessen trotzdem durch einen demokratisch gewählten und auf gesamtstädtischer Ebene handelnden Rat wahrgenommen werden;
c. Dieser Grundsatz steht nicht im Widerspruch zur Existenz von kleineren Bezirksgemeinden, welche die die Stadt als ganze vertretende Gemeinde ergänzen;
d. Angesichts des oben Gesagten empfiehlt der Kongress den zuständigen Stellen der Republik Aserbaidschan, so rasch wie möglich ein Gesetz betreffend die Hauptstadt anzunehmen. Dieses Gesetz muss die Einrichtung einer örtlichen öffentlichen Verwaltung vorsehen, die auf gesamtstädtischer Ebene handelt und von einem durch die Bürger direkt gewählten Rat geleitet wird;
8.2.7 Vereinigungsrecht und Recht auf Zusammenarbeit der Gemeinden (Artikel 10 der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung):
a. Es ist zu bedauern, dass es in dem Lande noch immer keinen repräsentativen Kommunalverband gibt. Die Schaffung eines solchen Verbandes, der nicht zu verwechseln ist mit einem Koordinationszentrum oder -rat (Strukturen für die interkommunale Zusammenarbeit, die geschaffen werden, um bestimmte Zuständigkeiten besser umsetzen zu können), würde es den Gemeinden ermöglichen:
i. ihre Interessen gegenüber den zentralstaatlichen Behörden besser zu vertreten, wenn diese über Fragen beraten, welche die Gemeinden unmittelbar betreffen; in solch einem Falle müsste ein Kommunalverband förmlich und regelmässig durch die zuständigen staatlichen Behörden konsultiert werden;
ii. besser zusammenzuarbeiten mit Gemeinden in anderen Staaten, unter Umständen durch die Vermittlung eines internationalen Verbandes kommunaler Gebietskörperschaften;
b. in Anbetracht des oben Gesagten empfiehlt der Kongress den zuständigen Stellen der Republik Aserbeidschan:
i. alles zu tun, damit schlussendlich ein politischer Kommunalverband (oder allenfalls zwei Verbände, sofern die Situation der Hauptstadt getrennt berücksichtigt werden soll) auf Landesebene gegründet wird;
ii. in einem zweiten Schritt das Europäische Rahmenübereinkommen über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit von Gebietskörperschaften sowie dessen Zusatzprotokolle zu unterzeichnen und zu ratifizieren sowie von nun an die Entwicklung einer Zusammenarbeit zwischen den lokalen Gebietskörperschaften in den Ländern der Region zu fördern;
8.2.8 Regionale Angelegenheiten:
a. In der Verfassung Aserbaidschans findet sich nirgends ein Hinweis auf eine regionale Organisation des Landes. Sie enthält jedoch einen besonderen, der Autonomen Republik Nachitschewan gewidmeten Teil. Obschon dort ein Parlament (Ali Medschlis) und eine regionale Regierung besteht, erscheint die Abhängigkeit von der Zentralgewalt immer noch hoch. Es scheint auch, dass das Budget jener Republik sehr weitgehend abhängt vom Budget des Zentralstaats;
b. Bei der Einschätzung der Lage (oder der Möglichkeiten) der regionalen Demokratie in Aserbaidschan muss noch eine Anzahl weiterer Elemente berücksichtigt werden:
i. das Vorhandensein einer Unterteilung in staatliche Distrikte (86), welche durch dezentrierte Behörden geleitet werden, deren Verantwortungsträger sich gegen den Verzicht auf ihre weitreichenden Befugnisse und Vorrechte sträuben;
ii. die institutionelle Situation der Stadt-Region Baku, welche, wie oben angegeben, trotz ihrer Ausdehnung und Bevölkerungszahl über keinerlei Selbstverwaltung verfügt;
iii. die hinsichtlich einer Verstärkung der Zusammenarbeit zwischen Gemeinden sowie hinsichtlich der Gründung eines ihre Interessen gegenüber den zentralstaatlichen Behörden vertretenden Verbandes erfahrenen Schwierigkeiten;
iv. das Fortbestehen des Konflikts in der Region Berg-Karabach18;
c. Eine solche Situation kann die aserbaidschanischen Behörden nicht dazu ermutigen, eine allgemeine Entwicklung in Richtung auf einen Regionalisierungsprozess anzustreben, welcher die Einheit des Landes nur unterminieren kann;
d. Dennoch empfiehlt der Kongress den zuständigen Behörden der Republik Aserbaidschan sich um eine Lösung für jedes der unter Punkt b., oben, erwähnten Probleme zu bemühen, was es dann auch ermöglichen würde, die Diskussion über eine mögliche Regionalisierung des Landes in die Wege zu leiten;
8.2.9 Die Ausbildung der gewählten Gemeindevertreter:
a. Dem Justizministerium und insbesondere dessen Zentrum für die methodologische Unterstützung von Gemeinden ist zu gratulieren zu ihren in diesem Bereich unternommenen Anstrengungen und den erreichten Resultaten;
b. Angesichts allerdings der Situation des Landes und des verspäteten Verständnisses seiner Bevölkerung für die Demokratie sowie angesichts des bei den Gemeindeabgeordneten und -beamten hinsichtlich der alltäglichen Ausübung ihrer Funktionen bestehenden Ausbildungsbedarfs ersucht der Kongress das Justizministerium dringend, seine Bemühungen in Zusammenarbeit mit dem Direktorat für Zusammenarbeit zugunsten der Gemeinde- und Regionaldemokratie des Generalsekretariats des Europarats weiterzuverfolgen;
9. Stellt in Anbetracht des oben Gesagten mit Bedauern fest, dass die Forderungen, welche in dem anlässlich des Beitritts Aserbaidschans zum Europarat verfassten Bericht sowie in dem Brief des Präsidenten des Kongresses (s. Abschnitt 2.a, oben) erhoben wurden, grösstenteils nicht erfüllt worden sind und deshalb, ungeachtet der diesbezüglichen Zusicherungen, nun hiermit in Form einer offiziellen Empfehlung wiederholt werden müssen;
10. Ersucht deshalb:
a. die präsidentiellen, parlamentarischen und Regierungsbehörden der Republik Aserbaidschan, dieser Empfehlung unverzüglich nachzukommen und die zuständigen Stellen des Europarats19 über alle diesbzüglich gemachten Fortschritte - vor allem, und dringlich, betreffend den Punkt 8.2.1 oben - auf dem laufenden zu halten;
b. das Ministerkomitee:
i. die vorliegende Empfehlung und ihre Erläuterung den Regierungsbehören der Republik Aserbaidschan zu übermitteln;
ii. die obenstehenden Empfehlungen der "Gruppe AGO" vorzulegen, damit sie diesen beim Monitoring der Erfüllung der durch Aserbaidschan eingegangenen Verpflichtungen Rechnung tragen kann;
c. die Parlamentarische Versammlung, den obenstehenden Empfehlungen im Rahmen ihres Monitoring der Erfüllung der durch Aserbaidschan eingegangenen Verpflichtungen Rechnung zu tragen;
d. den für die kommunalen und regionalen Belange der Republik Aserbaidschan zuständigen Minister, der institutionellen Herbsttagung des Kongresses (Strassburg, 25. November 2003) beizuwohnen, um die im Zuge der Umsetzung der vorliegenden Empfehlung ergriffenen und/oder geplanten Massnahmen vorzustellen. Nimmt disbezüglich den an den Präsidenten des Kongresses gerichteten und als Anhang den Erläuterungen der vorliegenden Empfehlung beigehefteten Brief dieses Ministers vom 8. Mai 2003 zur Kenntnis, worin, unter anderem, die Empfehlungen des Kongresses als im Mittelpunkt der Bemühungen der zuständigen Organe – worunter Parlament und Regierung – stehend erklärt werden.
1 Diskussion und Annahme durch den Kongress am 21. Mai 2003, 2. Sitzung (siehe Dok. CG (10) 4, Empfehlungsentwurf, vorgelegt durch die Herren A. Lloyd, G. Grzelak und J.-C. Frécon, Berichterstatter)
2 Dokument CG/BUR(6)172 vom 24. Mai 2000, Berichterstatter: die Herren Alan Lloyd (Vereinigtes Königreich, G) und Guy Milcamps (Belgien, G).
3 Angenommen durch die Parlamentarische Versammlung am 26. September 2002 anlässlich ihrer 31. Tagung aufgrund des durch den Monitoring-Ausschuss ausgearbeiteten Dokuments 9545, Berichterstatter: die Herren Gross (Schweiz) und Martinez Casañ (Spanien).
4 Der Kongress nimmt die Erklärung der Republik Aserbaidschan zur Kenntnis, wonach "sie solange nicht in der Lage ist, die Anwendung der Bestimmungen der Charta in den durch die Republik Armenien besetzten Gebieten zu gewährleisten, bis diese Gebiete von der Besetzung befreit sind".
5 verglichen mit der zentralstaatlichen Verwaltung
6 Artikel 3.1 der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung
7 Artikel 4.4 der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung
8 Artikel 4.3 der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung
9 Artikel 4.2 der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung
10 Behörden der zentralstaatlichen Exekutive
11 Dokument betreffend den durch das Parlament in zweiter Lesung angenommenen Gesetzentwurf, durch den Direktor der Zusammenarbeit für die Gemeinde- und Regionaldemokratie am 5. März 2003 dem Justizminister von Aserbaidschan übermittelt.
12 Artikel 8 der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung
13 Artikel 7.1 der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung
14 Artikel 9.3 der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung
15 Artikel 9.4 der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung
16 Artikel 9.1 der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung
17 Artikel 9.7 der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung
18 Siehe hierzu Abschnitt 6 der Entschliessung...(2003) des KGRE.
19 das Sekretariat des Kongresses der Gemeinden und Regionen Europas sowie das Direktorat für Zusammenarbeit zugunsten der Gemeinde- und Regionaldemokratie des Generalsekretariats