Empfehlung 66 (1999)1 betreffend regionale Demokratie in Finnland
Der Kongress,
mit Bezug auf den Vorschlag der Kammer der Regionen;
1. In Anbetracht seiner Entschliessung 31 (1996) über die durch den Kongress zu befolgenden Grundsätze bei der Erarbeitung von Berichten über die Lage der kommunalen und regionalen Demokratie in den Mitgliedländern des Europas und den sich um eine Mitgliedschaft bei diesem bewerbenden Ländern2;
2. Im Bewusstsein dessen, dass Finnland über ein in seiner Art einmaliges, auf die Zusammenarbeit der Gemeinden gegründetes und an die besonderen Erfordernisse dieses Landes vor allem in geographischer, wirtschaftlicher und demographischer Hinsicht angepasstes System der Regionalverwaltung verfügt;
3. Besonders interessiert am Regionalisierungsprozess in Europa, und mit dem Wunsch, alle Mitgliedstaaten des Europarats zu der Annahme seines Entwurfs einer Europäischen Charta der regionalen Selbstverwaltung anzuregen;
4. Überzeugt,
a. dass die Einrichtung einer zwischen den zentralstaatlichen und den lokalen Organen gelegenen Verwaltungsebene, die betreut wird von in allgemeiner, direkter Wahl gewählten Abgeordneten, eine Interessenvertretung ermöglicht, die den Bedürfnissen der Bürger besser angepasst ist;
b. dass sich die Verwaltungsebene der Region besonders gut eignet für eine wirksame Umsetzung des Subsidiaritätsprinzips, welches als eines der Grundprinzipien sowohl für die europoäische Integration als auch für die interne Organisation der Staaten gelten kann;
c. dass es bei allen zu berücksichtigenden grossen Unterschieden zwischen den europäischen Ländern hinsichtlich ihrer rechtlichen und institutionellen Tradition wünschenswert und lohnend wäre, den Vorgang der Regionalisierung, gestützt auf die in der entworfenen Europäischen Charta der regionalen Selbstverwaltung festgehaltenen Grundsätze, innerhalb der Staaten zu erweitern;
5. In Anbetracht des durch die Arbeitsgruppe für Regionalisierung und demokratische Stabilität in Europa vorbereiteten und durch Herrn Josef Leinen (Deutschland), Berichterstatter, ausgearbeiteten Berichts betreffend die regionale Demokratie in Finnland;
6. Begrüsst das für die Erstellung des Berichts angewandte Verfahren, das zu einem offenen und konstruktiven Dialog mit den betreffenden zentralstaatlichen, regionalen und kommunalen Stellen Finnlands geführt hat;
7. Dankt den Vertretern von Regierung, Parlament, Regionen und dem Verband der Gemeinden und Regionen Finnlands für ihre den erwähnten Bericht ermöglichenden Informationen, insbesondere Herrn Pekka Kilpi, Generaldirektor im Innenministerium, und Herrn Jussi Pekka Alanen, Direktor des Verbandes der Gemeinden und Regionen, sowie ihren Mitarbeitern;
8. Hält es für notwendig, die folgenden Kommentare und Empfehlungen an Finnlands Regierung und Parlament zu richten:
8.1 Begrüsst hinsichtlich der kommunalen Selbstverwaltung die Tatsache, dass Finnland
a. als einer der ersten Mitgliedstaaten des Europarats die Europäische Charta der kommunalen Selbstverwaltung ratifizierte, und dass die Ratifikation dieses Übereinkommens ohne alle Vorbehalte und/oder den Anwendungsbereich einschränkende Erklärungen erfolgte;
b. fähig war, ein auf in hohem Masse demokratische Prinzipien gegründetes System der kommunalen Selbstverwaltung aufzubauen, das sich in der Verwaltung der Bürgerinteressen auf lokaler Ebene als ausserordentlich leistungsfähig erwiesen hat;
8.2 Betreffend den gesetzlichen Rahmen und die praktische Lage der öffentlichen Verwaltung auf regionaler Ebene:
a. Stellt fest, dass Finnland noch nicht über ein System der regionalen Selbstverwaltung verfügt, nämlich über "...das Recht und die tatsächliche Fähigkeit derjenigen Gebietskörperschaften, die die grössten Gebietseinheiten innerhalb eines Mitgliedstaates bilden, zwischen dem Mitgliedstaat und den kommunalen Gebietskörperschaften angesiedelt sind, über gewählte Organe verfügen sowie mit Befugnissen entweder der Selbstverwaltung oder staatlicher Art ausgestattet sind, einen wesentlichen Teil der Angelegenheiten von öffentlicher Bedeutung in eigener Verantwortung und im Interesse ihrer Bevölkerungen unter Beachtung des Subsidiaritätsprinzips wahrzunehmen" (Artikel 3, Abschnitt 1 des Entwurfs einer Europäischen Charta der regionalen Selbstverwaltung);
b. Ist überzeugt, dass die Einrichtung gemeinschaftlicher, durch den Zentralstaat und die Gemeinden bezahlter Kommunalbehörden für Aufgaben, die zu umfangreich und komplex sind, um durch die Gemeinden oder die dezentralisierten Staatsbehörden direkt ausgeführt zu werden, sowohl eine wirtschaftliche als auch eine wirksame Lösung und zudem eine korrekte Anwendung des Subsidiaritätsprinzips darstellt;
c. Anerkennt, dass die Umwandlung dieser Behörden in regionale Körperschaften mit eigener, von den sie konstituierenden Gemeinden unabhängiger Rechtspersönlichkeit und mit eigenen beschlussfassenden Organen eine angemessene Reaktion auf die Tatsache darstellt, dass einige dieser gemeinschaftlichen Kommunalbehörden das gesamte staatliche Territorium abdecken und im Gesundheitswesen, der wirtschaftlichen Entwicklung (einschliesslich Beschäftigungspolitiken und Programme für die Zuteilung von Mitteln der Europäischen Union), Raumplanung und Umweltschutz über umfangreiche Kompetenzen verfügen;
d. Denkt, dass die territoriale Identität dieser regionalen Gebilde aus verschiedenen sozialen, wirtschaftlichen und politischen Gründen zukünftig eine Stärkung erfahren und die Befugnisse ihrer beschlussfassenden Organe vergrössert werden könnten, in welchem Fall die Bürger dann die Möglichkeit haben sollten, in Übereinstimmung mit Artikel 3, Abschnitt 2 der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung ihre Abgeordneten selbst zu wählen;
e. Ist ausserdem der Ansicht, dass die finnischen regionalen Körperschaften, die jetzt eine komplexe Form der interkommunalen Zusammenarbeit darstellen, auch als embryonale Regionen gemäss der oben, unter Abschnitt (a), gegebenen Definition gesehen werden können;
8.3 Teilt in Anbetracht des weiter oben Gesagten die Meinung der Vertreter der Regierung sowie des Verbandes der Gemeinden und Regionen Finnlands, dass das finnische Kommunalsystem auf regionaler Ebene gegenwärtig zu funktionieren scheint;
8.4 Bleibt aber der Überzeugung, dass dieses System nicht stabil und dauerhaft erscheint und langfristig zu Verwirrung über den Umfang der regionalen Körperschaften, über deren Befugnisse, Aufgaben und finanzielle Mittel, über deren Beziehungen zu anderen Verwaltungsebenen sowie über das Mass ihrer Rechenschaftspflicht gegenüber den Bürgern führen könnte;
8.5 Fordert die finnische Regierung daher auf:
a. ein wachsames Auge für allfällige Veränderungen der derzeit als gemeinsame kommunale Behörden existierenden regionalen Körperschaften zu haben, insbesondere hinsichtlich des durch sie bei ihren Bevölkerungen bewirkten Identitätsgefühls sowie hinsichtlich der sie regierenden Regionalräte und der durch diese praktizierten Ausübung von Befugnissen;
b. darauf vorbereitet zu sein, die demokratische Legitimität dieser Räte zu verstärken, sodass diese von den Bürgern direkt gewählt werden können, wenn der Umfang und die Bedeutung der ihnen durch das Gesetz oder die Verfassung zugewiesenen Aufgaben dies rechtfertigen;
c. die Rolle dieser regionalen Räte nach und nach so auszubauen, sodass sie ihre Funktion als echte europäische Regionen erfüllen können.
2 Abschnitt 11 dieser Entschliessung fordert, "dass innerhalb einer vernünftigen Zeitspanne sämtliche Mitgliedstaaten....Gegenstand eines ausführlichen Berichts über die Lage der kommunalen und regionalen Demokratie werden".