Rede der

Staatsekretärin des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz

Dr. Margaretha Sudhof

Deutscher Vorsitz im Ministerkomitee des Europarates

Online-Konferenz zur

„Stärkung der internationalen Zusammenarbeit in Strafsachen – Auslieferung und Rechtshilfe“

im Rahmen der 79. Plenumssitzung des PC-OC-Gremiums (Committee of Experts on the Operation of European Conventions on Co-operation in Criminal Matters) im Europarat


Sehr geehrter Herr Kleijssen,
sehr geehrter Herr Verbert,
sehr geehrter Herr Ritter,
meine sehr verehrten Damen und Herren,

zu der heutigen Konferenz anlässlich des deutschen Vorsitzes im Ministerkomitee des Europarates begrüße ich Sie herzlich.

Sehr gerne hätte ich Sie heute persönlich in Straßburg getroffen. Aber da macht uns die Corona-Pandemie leider noch immer einen Strich durch die Rechnung.

Das ist schade, denn wir alle wissen: Plenumsarbeit lebt vor allem von dem direkten Austausch vor Ort und zeichnet sich gerade dadurch aus.

Umso mehr freue ich mich aber, dass Sie Ihre Arbeit fortsetzen in diesem virtuellen Format und Ihre Expertise zu Themen der Auslieferung und sonstigen Rechtshilfe auf vielfältige Art und Weise einbringen.

Der Europarat ist für Deutschland von größter Bedeutung. Seine Abkommen leisten einen unschätzbaren Beitrag zur Erreichung der fundamentalen Werte unseres Daseins, namentlich

·         Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit,

·         die Förderung sozialer Rechte und des sozialen Zusammenhalts,

·         die Entwicklung einer vielfältigen europäischen kulturellen Identität

·         und gemeinsamer Lösungen für soziale Probleme.

Auch die Bundesrepublik Deutschland kann auf eine langjährige erfolgreiche Zusammenarbeit bei der Wahrung der Grundsätze von Menschenrechten, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zurückblicken. Fast 70 Jahre sind es nun seit dem Beitritt als vollberechtigtes Mitglied – ein schönes Jubiläum.

Und die internationale Zusammenarbeit in Strafsachen ist heutzutage wichtiger denn je. Denken wir nur an politisch motivierte Mordanschläge, die Ibiza-Affäre oder Wirecard – um nur die bekanntesten Fälle der letzten Zeit zu nennen.

Die stets voranschreitende Globalisierung und die Kriminalitätsformen der digitalen Welt werfen komplexe Fragen der strafrechtlichen Zusammenarbeit auf. Für eine effektive Bekämpfung strafbarer Handlungen sind klare Regelungen unverzichtbar, ebenso wie Institutionen, die die grenzüberschreitenden Strafverfahren koordinieren.

Das PC-OC-Gremium vereinheitlicht all diese Bausteine, es bringt einerseits Expertinnen und Experten aus allen Mitglied- und Beobachterstaaten und -organisationen zueinander in Kontakt, um praktische Probleme zu lösen. Andererseits hat das Gremium die wichtige Funktion, die maßgeblichen Grundlagen für die Zusammenarbeit stets aktuell zu halten und fortzuschreiben. Das betrifft insbesondere das Europäische Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen und das europäische Auslieferungsübereinkommen.

Ihrem Einsatz und Ihrem aktiven fachlichen Austausch ist die hohe Qualität der strafrechtlichen Zusammenarbeit auf Grundlage der Übereinkommen des Europarates zu verdanken.

Auf der heutigen Tagesordnung stehen Themen, die gleichermaßen aktuell und von großer Bedeutung für die Strafverfolgung in allen Mitgliedstaaten des Europarates sind.

Lassen Sie uns einen Blick darauf werfen, was uns heute erwartet:

Zunächst wird es um das Thema Rechtshilfe und Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten des Europarates mit der Europäischen Staatsanwaltschaft gehen.

Meine Damen und Herren, nach vielen Jahren intensiver Verhandlungen über die Verordnung und auch nach vielen Jahren des tatkräftigen Aufbaus steht die Europäische Staatsanwaltschaft nun in den Startlöchern. Sie wird grenzüberschreitend auf einem Territorium von – gegenwärtig – 22 EU-Mitgliedstaaten Straftaten zum Nachteil der finanziellen Interessen der Europäischen Union ermitteln, verfolgen und zur Anklage bringen. Das ist ein enormer Gewinn für eine effektive Strafverfolgung grenzüberschreitender Wirtschaftskriminalität.

Es sind aber auch große Herausforderungen zu bewältigen. Deshalb ist die Europäische Staatsanwaltschaft auf eine gute Zusammenarbeit – insbesondere mit den Mitgliedstaaten des Europarates – angewiesen. Wie sich diese Zusammenarbeit künftig in der Praxis gestaltet, soll daher aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet werden:

·         aus der Perspektive der Europäischen Staatsanwaltschaft

·         aus der Perspektive Deutschlands als teilnehmendem Mitgliedstaat und

·         aus der Perspektive der Schweiz als sog. Drittstaat.

Der Fokus der Workshops, die heute Nachmittag stattfinden, liegt auf aktuellen Herausforderungen im Bereich des Auslieferungsverkehrs. Sie haben die Wahl zwischen drei spannenden Themen:

Erstens: das Problemfeld menschenunwürdiger Haftbedingungen. Hier ist die Rechtsprechung des EGMR richtungsweisend für den weltweiten Auslieferungsverkehr.

Zweites Thema ist die Rechtsprechung des EuGHs zum Spannungsverhältnis zwischen völkerrechtlicher Pflicht zur Auslieferung und unionsrechtlicher Pflicht zum Schutz der Unionsbürgerinnen und Unionsbürger vor Maßnahmen, die ihnen das Freizügigkeits- und Aufenthaltsrecht in der EU entziehen können. Das Stichwort lautet: Petruhhin-Urteil. Dieses Urteil wird manchen unter Ihnen sicher bereits Kopfzerbrechen bereitet haben.

Und drittens ein Workshop zu einem ganz aktuellen Thema: zu den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf den Auslieferungsverkehr. Es wird spannend sein zu sehen, welche unterschiedlichen Erfahrungen Sie gemacht haben und welche gemeinsamen Lehren wir daraus für die Zukunft ziehen können.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich wünsche Ihnen für die heutige Veranstaltung einen spannenden fachlichen Austausch und hoffe, dass die Vorträge und Workshops viele Impulse bieten für die erfolgreiche Gestaltung der künftigen Zusammenarbeit.

Meinen besonderen Dank möchte ich zum Abschluss noch dem PC-OC-Sekretariat aussprechen für die tatkräftige Unterstützung bei der Organisation dieser Konferenz.