15. PLENARSITZUNG
Straßburg, 27. - 29
. Mai 2008

Partnerschaft zwischen den lokalen und regionalen Behörden und NRO in den Mitgliedstaaten des Europarats

Entschliessung 260 (2008)[1]


1. Die von den lokalen und regionalen Behörden und Nichtregierungsorganisationen übernommenen Verantwortungen zum Wohle der Bürger sind sowohl ergänzend als auch wesentlicher Bestandteil einer pluralistischen Demokratie in Aktion;

2. Freiwillig eingegangene Partnerschaften zwischen lokalen und regionalen Behörden und NRO tragen dazu bei, die lokale und regionale Demokratie und die Mitwirkung der Bürger zu stärken: dies war das Ergebnis der Abschlusserklärung der Konferenz über NRO und lokale und regionale Demokratie, die gemeinsam vom Kongress der Gemeinden und Regionen und der Konferenz der Internationalen Nichtregierungsorganisationen (INGO) des Europarats im Jahr 2003 in Budapest ausgerichtet wurde;

3. Diese Erklärung forderte vom Kongress und dem Verbindungsausschuss der Konferenz der INGOs, gemeinsam ein „Memorandum für die Partnerschaft zwischen lokalen und regionalen Behörden und NRO“ zu verfassen;

4. Der Kongress und die Konferenz der INGOs vereinbarten daher, eine Partnerschaft für das Verfassen eines solchen Memorandums einzugehen, und allgemeiner, um in den aktuellen Praktiken auf lokaler und regionaler Ebene, wenn nicht sogar in der Gesetzgebung der unterschiedlichen Mitgliedstaaten des Europarats, fortschrittliche und angemessene Verfahren für die Mitwirkung der Bürger zwischen den Wahlen zu fördern;

5. Dies geschieht im Einklang mit dem Geist der Texte, die vom Kongress und dem Ministerkomitee verabschiedet wurden, insbesondere die Konvention zur Teilnahme von Ausländern am öffentlichen Leben auf lokaler Ebene (1992), die überarbeitete Europäische Charta zur Partizipation der Jugend am Leben der Gemeinde und der Region (2003) und die Empfehlung 181 (2005) über die Europäische Städtecharta;

6. Die Teilnehmer am Forum zur Zukunft der Demokratie (Sigtuna/Stockholm, Schweden 2007) behaupteten ihrerseits, dass es unmöglich sein, eine echte partizipatorische Demokratie zu erlangen „ohne die Ermächtigung der Gebietskörperschaften, die Einbeziehung der Menschen an Entscheidungsprozessen und der Vermittlung eines Zugehörigkeitsgefühls zu einer Gesellschaft, die unabhängig von der politischen Elite für sich entscheidet und in der jedes Individuum in der Lage ist, seine/ihre Zukunft zu beeinflussen“;

7. Der Kongress und die Konferenz der INGOs gedachten auch des Geistes der Empfehlung Rec (2207) 14 des Ministerkomitees zum rechtlichen Status von Nichtregierungsorganisationen in Europa und der Konferenz der für lokale und regionale Verwaltung zuständigen europäischen Minister (Valencia, Spanien, 15. und 16. Oktober 2007), bei deren Abschluss die Minister der Strategie über Innovation und gute Regierungsführung auf lokaler Ebene zustimmten, die nationale und lokale Behörden einlädt, sich öffentlich den 12 Grundsätzen guter demokratischer Regierungsführung zu verpflichten;

8. Das Nord-Süd-Zentrum des Europarats hat seinerseits eine Quadriga aus Parlamentariern, Regierungen, NRO und regionalen Behörden gegründet;

9. Der Kongress verpflichtet sich daher, im Geiste der Europäischen Charta der lokalen Selbstverwaltung und des Entwurfs der Europäischen Charta der Regionaldemokratie, die lokalen und regionalen Behörden dahingehend zu ermutigen, nicht nur die Arbeit lokaler und regionaler, sondern auch internationaler Nichtregierungsorganisationen zu berücksichtigen und diese, so oft dies möglich ist, in die Entscheidungsprozesse in Bezug auf öffentliche Angelegenheiten einzubinden;

10. In Anbetracht des Vorstehenden fordert der Kongress die lokalen und regionalen Behörden der Mitgliedstaaten des Europarats auf, die im nachfolgenden Memorandum aufgeführten Grundsätze in die Praxis umzusetzen und insbesondere:

a. die wichtige Rolle der Nichtregierungsorganisationen sowohl in deren Spezialgebieten als auch generell beim Aufbau einer Zivilgesellschaft anzuerkennen und zu unterstützen;

b. die Gründung formeller und informeller Partnerschaften zwischen lokalen und regionalen Behörden und NROs zu ermutigen 


c. die Vielfalt der Partnerschaften zu begünstigen, indem es den lokalen und regionalen Behörden ermöglicht wird, die unterschiedliche Situation und die verschiedenen Bedürfnisse, die auf lokaler Ebene bestehen, einzubeziehen.


ANHANG

Memorandum über eine Partnerschaft zwischen den lokalen und regionalen Behörden und NRO in den Mitgliedstaaten des Europarats

Präambel:

Die Staats- und Regierungsführer der Mitgliedstaaten des Europarats (Warschau 2005) haben entschieden, „die Beteiligung von NRO an den Aktivitäten des Europarats als wesentlichen Beitrag der zivilen Gesellschaft zur Transparenz und Rechenschaftspflicht der demokratischen Regierung zu verstärken“.

Für die Zwecke des vorliegenden Memorandums meinen lokale und regionale Behörden die gewählten Vertreter der subnationalen Behörden in den Mitgliedstaaten des Europarats.

NRO meint jede finanziell und politisch unabhängige Organisation, die auf einer privaten Initiative gründet und die einer gemeinnützigen Arbeit nachgeht und deren Zweck dem Wohle der Gesellschaft dient.

Der Kongress der Gemeinden und Regionen und die Konferenz der INGOs des Europarats:

-        in Anbetracht dessen, dass, obwohl die Wahl durch allgemeines Wahlrecht ihrer beratenden und leitenden Organe bedeutet, dass die lokalen und regionalen Behörden die alleinige Legitimität für die Vorbereitung und das Treffen von Entscheidungen in ihren Zuständigkeitsbereichen haben, die Beteiligung von NRO – in denen sich Bürger oder kommunal ansässige Bewohner frei zusammenschließen – an den Entscheidungsprozessen wärmstens empfohlen wird, in dem Maße, wie dies der Qualität und Effektivität der lokalen und regionalen Entscheidungen dienlich ist und dies neue Formen der lokalen und regionalen Regierungsführung ermöglicht;

-        in Anbetracht, dass diese Partnerschaft gleichermaßen dazu beträgt, die Beziehungen zwischen den Bürgern und den gewählten Vertretern zu stärken und in gewissem Maße dem Interessenverlust an öffentlichen Angelegenheiten, der in vielen europäischen Ländern festzustellen ist, entgegenwirkt;

-        in Anbetracht, dass die lokalen und regionalen Behörden und NRO gleichermaßen den Wunsch haben, die Bürger zum Kern der lokalen und regionalen Demokratie zu machen, indem sie ihnen die Möglichkeit geben, ihre Meinungen zu den wichtigen politischen Optionen auf lokaler Ebene auszudrücken, insbesondere durch das Instrument der Partizipation oder der direkten Demokratie (lokale Referenden, lokale Konsultationen, Beratungsausschüsse, Verbrauchergremien, etc.;

vereinbaren, gemeinsam und durch alle zur Verfügung stehenden angemessenen Mittel nach den besten Möglichkeiten zu suchen, die lokale und regionale Demokratie zu stärken. Sie sind der Überzeugung, dass diese Zusammenarbeit sich auf drei konkrete Bereiche beziehen sollte:den Ausdruck der Erwartungen der Bürger, das besondere Fachwissen, das in den unterschiedlichen Bereichen der Arbeit der lokalen und regionalen Behörden angeboten werden kann, und die Unterstützung bei der Entwicklung einer dezentralisierten Kooperation.

I – AUSDRUCK DER ERWARTUNGEN DER BÜRGER

Die Erklärung der Budapester Konferenz betont die wichtige Rolle der NRO bei der Stärkung der lokalen und regionalen Demokratie:

-        indem sie lokale und regionale Behörden und die Bürger enger zusammenbringt, und

-        indem sie sicherstellen, dass die vielfältigen Interessen der Bürger nicht nur gegenüber den Regierungen, sondern auch den lokalen und regionalen Behörden vertreten und verteidigt werden, was, wie die NRO, ein Mittel darstellt, durch das die Zivilgesellschaft sich in demokratischen Gesellschaften Gehör verschaffen kann.

Die Konsolidierung und Stärkung der Verbindungen zwischen NRO und lokalen und regionalen Behörden können als Ergänzung des Vertretungssystems auf lokaler Ebene betrachtet werden, indem sie die Mitwirkung der Öffentlichkeit fördern und die Informierung und Konsultation der Öffentlichkeit über Angelegenheiten der betreffenden Gemeinde sicherstellen.

Diese Praktiken, seien sie offiziell oder inoffiziell, stellen eine Antwort auf das Bedürfnis der Bürger nach Informationen dar, in neuster Zeit insbesondere mit dem Aufkommen der E-Demokratie verbunden, unter Betonung des Folgenden:

-        Bereitstellung von verbesserten Informationen zu öffentlichen Entscheidungen und neuen Wegen der Informationsdarstellung sowie Bereitstellung eines Zugangs auf vorläufige Entscheidungen und die größtmögliche Anzahl offizieller Dokumente für die Öffentlichkeit, wie in der Empfehlung Rec(2002) 2 des Ministerkomitees an die Mitgliedstaaten im Hinblick auf den Zugang zu offiziellen Dokumenten gefordert;

-        Implementierung von Verfahren der direkten, partizipatorischen Demokratie im Hinblick auf die verschiedenen „guten Praktiken“, die sowohl auf kommunaler als auch regionaler Ebene identifiziert wurden (Nachbarschaftsverbände, bereichsbezogene oder regionale Interessengruppen, Anwohnervereinigungen, etc.).

Mit dem gebührenden Respekt für den Grundsatz der lokalen und regionalen Selbstverwaltung werden die lokalen und regionalen Behörden frei die Kriterien für die Vertretung bestimmen, auf deren Grundlagen die NRO an der Verwaltung der lokalen Angelegenheiten beteiligt werden können.

Die Kooperation zwischen den NRO und den lokalen und regionalen Behörden sollte es daher ermöglichen, neue Modelle der guten Regierungsführung zu entwickeln, welche die Partizipation der Bürger stärker betonen.In dieser Hinsicht könnten die lokalen und regionalen Behörden z. B.:

-           die NRO an der Vorbereitung von Dossiers in Arbeitsausschüssen und anderen Ausschüssen beteiligen und sie einladen, sich an diesen Ausschüssen zu beteiligen;

-           das Fachwissen der NRO in Bereichen nutzen, in denen dieses erforderlich ist;

-           die NRO in die Implementierung von Maßnahmen einbeziehen, die von den lokalen und regionalen Stellen ergriffen werden, insbesondere durch Informieren der Öffentlichkeit durch alle angemessenen Mittel.

II – DAS FACHWISSEN, DASS IN DEN VERSCHIEDENEN HANDLUNGSBEREICHEN DER LOKALEN UND REGIONALEN ANGEBOTEN WIRD

In der Mehrheit der europäischen Staaten bemühen sich die lokalen und regionalen Behörden, die Qualität ihrer Regierungsführung und der Politik zu verbessern. Die Betonung der Qualität bezieht sich sowohl auf die Einhaltung der Gesetze als auch auf die Bedeutung der öffentlichen Politik für die praktischen Bedürfnisse und Erwartungen der Gemeinschaft.

Diese Betonung der Qualität, die daran zu erkennen ist, dass lokale und regionale Behörden, wie auch andere öffentliche Stellen, Systeme für die Überprüfung und Bewertung ihrer öffentlichen Politik eingeführt haben, bedeutet, dass es eine engere Beziehung zwischen den lokalen und regionalen Behörden und den NRO geben sollte, die häufig ihr eigenes Fachwissen entwickelt haben, insbesondere auf der Grundlage vergleichender Analysen der Systeme in anderen Staaten. Lokale und regionale Behörden könnten dieses Fachwissen und die erworbene internationale Erfahrung zu ihrem Vorteil nutzen.

NRO eignen sich daher sehr gut als Denkschmieden: ihr Know-how, ihr Fachwissen und die stetige interne Debatte unterschiedlicher Positionen, die unterschiedlichen Erfahrungen und Kulturen, die sie vertreten, prädestinieren sie geradezu für diese Rolle.

Der Kongress der Gemeinden und Regionen verpflichtet sich, bei seinen Mitgliedern Informationen über die verschiedenen NRO zu verbreiten und auf deren Fachwissen aufmerksam zu machen. Die Konferenz der INGOs ihrerseits verpflichtet sich, die NRO aufzufordern, die Befugnis der lokalen und regionalen Behörden bei der unabhängigen Entscheidungsfindung zu respektieren und erklären sich bereit, sich nach ihrem Nutzen für die Öffentlichkeit beurteilen zu lassen.

Die bestehenden Verbindungen zwischen den lokalen und regionalen Behörden und den NRO sollte gestärkt werden, um auf diesem Wege einerseits den NRO zu ermöglichen, ihren Wirkungsgrad zu erhöhen, andererseits den lokalen und regionalen Behörden in die Lage zu versetzen, eine größere Effektivität zu erreichen und ihre Legitimität zu stärken, indem sie sicherstellen, dass die Bürger die öffentlichen Angelegenheiten besser verstehen.

III – UNTERSTÜTZUNG BEI DER ENTWICKLUNG EINER DEZENTRALISIERTEN KOOPERATION

Die dezentralisierte oder grenzübergreifende Kooperation ist eine Form der Arbeit der lokalen oder regionalen Behörden auf internationaler Ebene, die die gemeinsamen Interessen lokaler und regionaler Behörden widerspiegelt. Die Tatsache, dass diese Kooperationsform sich in den letzten Jahren erheblich ausgeweitet hat, sowohl im Hinblick auf die betroffenen Bereiche als auch die davon betroffenen geografischen Gebiete, eröffnet unleugbar den Weg für eine sehr enge und sinnvolle Kooperation zwischen den lokalen und regionalen Behörden und den NRO. Außerdem trägt es zur Entwicklung des Friedens bei.

Die steigende Vielfalt der Bereiche, die abgedeckt werden, spiegelt die Grenzen eines strikt wirtschaftlichen Ansatzes zu einer solchen dezentralisierten Kooperation wider und schließt neue Dimensionen ein, so z. B. Bildung und Ausbildung, lokale ländliche und städtische Entwicklung, Sozialdienste, Kultur und institutionelle Förderung, die zu den wichtigsten Arbeitsbereichen der öffentlichen Stellen gehören.

Diese Trends bedeuten, dass die lokalen und regionalen Behörden nun Partnerschaften mit Körperschaften eingehen sollten, die in der Lage sind, ihre Arbeit auf internationaler Ebene zu unterstützen, und die als Schnittstelle zwischen den verschiedenen Behörden fungieren können.

NRO könnten hierbei eine zweifache Rolle einnehmen:

-        aufgrund ihres internationalen Wesens und der Tatsache, dass sie in verschiedenen europäischen Staaten existieren, können sie als „Vermittler“ internationaler Aktionen von lokalen oder regionalen Behörden und von engeren Verbindungen zwischen ihnen agieren, indem sie Kontakte zwischen den Behörden herstellen und ergänzendes Know-how und Bedürfnisse identifizieren;

-        als Instrument für internationale Aktionen durch lokale oder regionale Behörden, insbesondere indem sie im Namen von Behörden aktiv werden, die, obwohl sie international tätig werden wollen, nicht über das erforderliche Fachwissen, das technische Know-how oder das Personal verfügen, um dies zu tun. Die NRO sind nicht mehr nur „Vermittler“, sondern echte Akteure, deren Know-how den lokalen und regionalen Behörden zur Verfügung gestellt wird, bei gleichzeitiger Wahrung ihrer unabhängigen Entscheidungsmacht.



[1] Diskussion und Annahme durch den Kongress am 29. Mai 2008, 3. Sitzung (siehe Dokument CG(15)10RES, Entschliessungsentwurf vorgelegt durch S. Ylipulli (Finnland, R, NR), Berichterstatter).