16. PLENARTAGUNG
Straßburg, 3. - 5. März 2009

Öffentliche Wasser- und Abwasserdienste für eine nachhaltige Entwicklung

Empfehlung 259 (2009)[1]

1. Das Wasser ist eine begrenzt verfügbare, schutzbedürftige Ressource, die lebenswichtig ist. Daher ist es eine große Herausforderung für die Zukunft der menschlichen Gesellschaft und die nachhaltige Entwicklung des Planeten, die Verfügbarkeit von Wasser in ausreichender Qualität und Quantität zu garantieren. 

2. Die gegenwärtige Bedrohung der Wasserressourcen nimmt stetig zu. Sie entsteht hauptsächlich durch die Aktivitäten des Menschen, insbesondere das Wachstum der Städte und die Umwandlung der Landschaften, den demographischen Zuwachs und den Lebensstandard sowie die immer wieder auftretende Verschmutzung.

3. Die Komplexität und Schwere der Wasser- und Abwasserprobleme machen sie zu einer Herausforderung, der wir uns dringend stellen müssen. Obgleich die Völkergemeinschaft diese Komplexität und die besondere Dringlichkeit dieser Fragen in einigen Regionen der Welt bereits zur Kenntnis genommen hat, drehen sich ihre Überlegungen doch hauptsächlich um die Trinkwasserversorgung. Aber das Wasser wird zu unterschiedlichen Zwecken verwendet: Nahrungsmittel, Energie, Umwelt, Landwirtschaft und Industrie und daher hängt die effiziente Nutzung und die Bewirtschaftung zum Großteil von Maßnahmen und Aktionen ab, die in diesen anderen Bereichen ergriffen werden.

4. Ein neuer und kohärenter Ansatz ist heute nötig, um mit der Wassernachfrage auf lokaler und regionaler Ebene und den Anforderungen der verschiedenen Bereiche fertig zu werden. Diese Herausforderung sollte absolute Priorität haben und erfordert ein starkes Engagement der Völkergemeinschaft, jedes Entscheidungsträgers und jedes Einzelnen.

5. Insbesondere ist es notwendig, die Wasserverwaltung und das eigene Verhalten zu verändern. Diese Bemühungen zum Wassersparen, zur Verringerung der Nachfrage und des Wasserverlustes bei der Verteilung sind nicht nur wichtig in den Regionen, in denen es an Wasser mangelt. Ein entschlossenes staatliches Vorgehen ist eine wichtige Investition in die Zukunft. 


6. Der Kongress der Gemeinden und Regionen des Europarates ruft zu einer echten Kultur der Verantwortung oder einer neuen Wasserkultur auf, in der die Rolle der Gemeinden und Regionen bei der Wasser- und Abwasserwirtschaft bekräftigt wird. Diese Rolle wurde zum ersten Mal beim 4. Weltwasserforum in Mexiko im März 2006 anerkannt. Der Kongress hofft, dass sie bei dem 5. Forum im März 2009 in Istanbul bestätigt wird.

7. Außerdem erinnert der Kongress daran, dass das Wasser von Natur aus ein öffentliches Gut ist. Es ist keine Ware oder eine unbegrenzte Ressource. Das Beispiel Europas entspricht nicht den großen Diskussionen über den Status des Wassers und zeigt, dass die Einbindung der zuständigen Gemeinden und Regionen in die Lieferung der Dienste äußerst wichtig für die Nachhaltigkeit und den Erhalt des Gleichgewichts zwischen den Interessen der Wirtschaft, der Gesellschaft und der Behörden ist.

8. Eine gerechte, effiziente und nachhaltige Bewirtschaftung der Wasserressourcen erfordert einen integrierten Ansatz, koordinierte Aktionen und eine geteilte Verantwortung auf den unterschiedlichen Ebenen der Regierungsführung. Auch der Ausbau des Wissens und der Austausch von Informationen, insbesondere auf Ebene der Flussbecken sowie angemessene und kosteneffiziente Lösungen sind notwendig, damit die Wasser- und Abwasserdienste nachhaltiger wirken können.

9. Außerdem haben die Herausforderungen angesichts des Klimawandels auch Auswirkungen auf die Wasserdienste und die damit verbundenen Kosten. In dieser Situation ist eine Bewirtschaftung durch mehrere Partner sowie eine verstärkte Rolle der Staaten als Regulator notwendig, insbesondere im Hinblick auf eine ausgewogene und nachhaltige Verteilung des Wassers.

10. Es könnte nützlich sein, die ‘3 E’ der Nachhaltigkeit – wirtschaftlich, ökologisch und ethnisch – als Leitlinien zu verwenden, um sich den Herausforderungen zu stellen. Die Staaten könnten auch aus den besten Praktiken in den verschiedenen Ländern Europas lernen, die unterschiedliche Modelle der Wasserbewirtschaftung gewählt haben.

11. Für die größere Transparenz und den Vergleich der Leistungen ist die Institutionalisierung der Beteiligung des Verbrauchers an der Kontrolle der Lieferung der öffentlichen Wasser- und Abwasserdienste nötig.

12. Der Kongress ist überzeugt davon, dass es keine universelle Antwort geben kann und dass der beste Vergleich nicht der zwischen privater und staatlicher Bewirtschaftung, sondern zwischen den Maßnahmen beider Systeme zur Beschränkung unerwünschter Nebenwirkungen ist. Die staatlichen Behörden und die Zivilgesellschaft müssen stärker einbezogen werden aufgrund der Herausforderungen, vor denen die heute ausgereiften Wasser- und Abwasserdienste langfristig stehen und oft ist ein neuer Ansatz bei der Wasserbewirtschaftung erforderlich.

13. Bei der Modernisierung der Bewirtschaftung sollte insbesondere auf die richtige Regierungsebene, auf die gewünschte Integration und Verteilung der Aufgaben zwischen der nationalen Ebene und den regionalen und lokalen Betreibern geachtet werden. Auf regionaler Ebene könnte die Ausarbeitung einer Wasserversorgungspolitik und die Angleichung an die Wasserressourcenpolitik sehr vielversprechend sein. Umsetzung und Feedback könnten auf lokaler Ebene geschehen, wobei die lokalen Umstände und Interessen zu berücksichtigen sind. Die Angleichung zwischen den beiden Ebenen ist jedoch wesentlich. 

14. Angesichts des oben Gesagten empfiehlt der Kongress dem Ministerkomitee des Europarates:

a. die Europäische Konferenz der Minister für Raumordnung (CEMAT) aufzufordern, diese Empfehlungen bezüglich der öffentlichen Wasser- und Abwasserdienste in die nächsten Empfehlungen über die Grunddienste aufzunehmen;

b. den Ausschuss für Gemeinde- und Regionaldemokratie (CDLR) und seinen Expertenausschuss für Finanzen und öffentliche Dienste aufzufordern, bei ihren Arbeiten die Herausforderungen bei der Erneuerung der Wasser- und Abwasserdienste zu berücksichtigen sowie die Notwendigkeit, die Wasserbewirtschaftung zu verbessern;

c. die Entwicklungsbank des Europarates aufzufordern, im Rahmen ihrer Kredit- und Finanzpolitik Projekte zu unterstützen, die die öffentlichen Wasser- und Abwasserdienste begünstigen.


15. Der Kongress fordert das Ministerkomitee des Europarates auf, die Mitgliedstaaten zu ersuchen:

a.  die unverzichtbare Rolle der Gemeinden und Regionen bei der Wasser- und Abwasserwirtschaft anzuerkennen und sich bei der Diskussion über das Wasser nicht auf die Frage öffentlich oder privat zu beschränken;

b. Instrumente zum Vergleich der Dienstleistungen und Preise auszuarbeiten, damit eine objektive Diskussion geführt wird und geeignete Maßnahmen angeregt werden;

c. die Wasser-, Energie-, Nahrungsmittel- und Umweltpolitik noch besser zu koordinieren;

d. insbesondere darauf zu achten, dass die öffentlichen Wasserdienste und die Verwaltung der Ressourcen besser koordiniert werden;

e. die Forschung auszubauen, um bessere wirtschaftliche, technische und verwaltungstechnische Lösungen zu finden;

f. die Bevölkerung besser über die Herausforderungen der Wasserproblematik zu informieren und stärker in die komplexen Fragen einzubeziehen;

g. die Legitimität der Gebietskörperschaften als zuständige Kompetenzebene anzuerkennen und die Nichtregierungsorganisationen, die sich für die Dezentralisierung und Verbesserung der Dienste in den weniger entwickelten Ländern einsetzen, anzuregen, dies in Partnerschaft mit den Gemeinden und Regionen zu tun, damit sie ihre Handlungsfähigkeiten stärken können.

16. Der Kongress empfiehlt dem Ministerkomitee des Europarates, die Europäische Kommission zu ersuchen:

a. die Wasserdienste nicht in die Dienste von allgemeinem Interesse aufzunehmen, aufgrund der gesundheitlichen Problematik der Wasserdienste und der Tatsache, dass Wasservorräte ein natürliches Gemeingut darstellen;

b. komparative Studien der verschiedenen Organisations- und Bewirtschaftungsmodelle der Wasser- und Abwasserdienste in mehreren Ländern Europas durchzuführen und die historischen, nationalen Besonderheiten zu beachten. Besonders zu berücksichtigen sind die Folgen des Klimawandels für die Wasserwirtschaft und die räumlichen Wassererfordernisse;

c.  beste Praktiken zur Finanzierung dieser Dienste sowie verschiedene Erfahrungen mit den Gesamtkosten der Trinkwasser- und Abwasserdienste aufzuzeigen, um ein Preissystem zu erstellen, in dem alle Preiskomponentenberücksichtigt werden. Außerdem sollte ein Ausgleichsmechanismus zur Verhinderung der Ausgrenzung geschaffen werden.

17. Der Kongress fordert die Parlamentarische Versammlung des Europarates auf, die Kooperation mit dem Kongress in Wasserfragen fortzusetzen, den Erfahrungsaustausch bei der Umsetzung der öffentlichen Wasser- und Abwasserdienste und insbesondere die rechtlichen und legislativen Auswirkungen auf die verschiedenen Länder Europas zu fördern.



[1] Diskussion und Annahme durch den Kongress am 3. März 2009, 1. Sitzung (siehe Dokument CG(16)6REP, Begründungstext, Berichterstatter: V. Gorodetskiy (Russische Föderation, L, SOC) und P. Jansen (Niederlande, R, EVP/CD).