16. PLENARTAGUNG
Straßburg, 3. - 5. März 2009

Öffentliche Wasser- und Abwasserdienste für eine nachhaltige Entwicklung

Entschließung 278 (2009)[1]

1. Das Wasser ist ein lebenswichtiges Gut und eine der größten Herausforderungen in jedem Land der Welt. Der Zugang zu einer ausreichenden und qualitativ hochwertigen Wasserversorgung und Abwasserentsorgung ist ein wichtiges Thema auf allen Ebenen der Regierungsführung. Die Wasserfrage betrifft nicht nur die Entwicklungsländer.

2. Die Welt durchlebt große Veränderungen und erlitt in den vergangenen Jahren mehrere große Katastrophen im Zusammenhang mit Wasser. Die Wirbelstürme, Überschwemmungen und Dürren, die zahlreiche Länder heimsuchten, erinnern uns daran, dass das Wasser auch eine zerstörerische Kraft hat. Diese Realität betrifft zahlreiche Regionen der Welt und in Europa.

3. In einigen Regionen Europas stehen die Wasserressourcen unter großem Druck. Dieser entsteht durch den Bevölkerungszuwachs und die Konzentration der Bevölkerung in den Städten, den veränderten Lebensstil und Lebensstandard, die Wirtschaftsentwicklung und die Auswirkungen der intensiven Landwirtschaft. Nicht nur in den Städten ist eine immer größere Menge Wasser notwendig, sondern auch für die Nahrungsmittelproduktion, die Erzeugung von Energie und die industrielle Nutzung.

4. Abgesehen von der Wasserversorgung gehört zu den Wasserdiensten jetzt auch eine saubere Abwasserbehandlung, bei der immer umweltfreundlichere Abfallnormen einzuhalten sind. Außerdem verschlechtert sich die Wasserinfrastruktur schnell und ihre Sanierung ist schwerfällig und kostspielig.

5. Bei einer effizienten Wasser- und Abwasserwirtschaft muss auch der Klimawandel berücksichtigt werden. Die erwarteten Niederschlags- und Temperaturschwankungen aufgrund des Klimawandels müssen bei der künftigen Wasserwirtschaft, Landwirtschaft, Energie und Umwelt berücksichtigt werden.

6. Der Kongress der Gemeinden und Regionen des Europarates teilt die Ansicht des Ausschusses der Regionen bezüglich der Art und Weise, wie das Problem der Wasserverknappung und der Dürre in der Europäischen Union zu behandeln ist. Er ist fest davon überzeugt, dass der Prozess und die Praktiken der Wasserwirtschaft vor immer komplexeren intersektoriellen Schwierigkeiten stehen. Nur eine Änderung der Einstellung, innovative Ansätze sowie neue Lösungen können helfen, diese Schwierigkeiten zu überwinden.


7. Der Kongress ist ebenfalls überzeugt, dass angesichts der globalen Veränderungen, die manchmal schnell und manchmal weniger deutlich sind, die Wasserwirtschaft hauptsächlich eine lokale Frage ist und es daher keine universelle Antwort gibt. Es gibt jedoch Lösungen und die meisten von ihnen haben mit der Regierungsführung und der Bewirtschaftung zu tun. Der Kongress ist der Auffassung, dass die Entscheidungen betreffend Wasser unbedingt auf Ebene der Gebietskörperschaften getroffen werden müssen und der private Sektor, die NROs und die Verbraucher einbezogen werden sollten.

8. Obwohl es für einige Regierungen schwierig ist, mit den unterschiedlichen und von einander abhängigen Problemen bei den Wasserressourcen fertig zu werden, ist die Kooperation und die Teilung der Verantwortung zwischen den verschiedenen Ebenen der Regierungsführung zur Verbesserung der Wasser- und Abwasserwirtschaft notwendig.

9. Der Kongress ist überzeugt, dass die demokratische und nachhaltige Bewirtschaftung des Wassers, als ein gemeinsames Gut, eine große Herausforderung ist. Er erkennt an, dass es angesichts der zunehmenden Komplexität der Wasserprobleme schwierig ist, Entscheidungen über ein Wasserbewirtschaftungsmodell zu treffen. Angesichts der Tragweite der notwendigen Maßnahmen und Finanzmittel, ruft er die Gebietskörperschaften auf, die öffentliche Diskussion zu diesen Fragen anzuregen.

10. In Europa gibt es eine große Vielfalt von Diensten zur Wasser- und Abwasserwirtschaft, aber oft sind es die Gemeinden, die mit diesen Diensten beauftragt sind. Das Ausmaß und die Beteiligung des Privatsektors sind von einem Staat zum anderen unterschiedlich, je nach historischem Kontext.

11. In den letzten Jahren haben sich verschiedene Formen der Beteiligung des Privatsektors am Wassersektor entwickelt. Es gab große Diskussionen über die Intervention des Privatsektors, den finanziellen Profit, die Modalitäten zur Festsetzung des Wasserpreises und die Ansiedlung ausländischer Betreiber.

12. Die Hauptfragen betreffen die Regulierung und die Kontrolle der Preise der Wasserdienste, den Preis und die Finanzierung der Dienste, ihre Qualität und Leistung und die Modalitäten für die Anwesenheit privater Betreiber in einem Sektor, der ein lebenswichtiges Grundbedürfnis befriedigen soll.

13. Der Kongress ruft die europäischen Gebietskörperschaften und ihre Verbände auf, sich auf das 5. Forum im März 2009 in Istanbul vorzubereiten und alles zu tun, um ihre Rolle international zu stärken. Die Erklärungen des 4. Weltwasserforums in Mexiko waren ein beträchtlicher Fortschritt, da die wichtige Rolle der Gebietskörperschaften bei der Wasserwirtschaft dort anerkannt wurde. Diese Position muss nun gefestigt werden.

14. Der Kongress fordert die Gebietskörperschaften der Mitgliedstaaten des Europarates auf:

a. das Prinzip zu vertreten, dass die Wasserressourcen ein öffentliches Gut sind, das der staatlichen Kontrolle unterstehen sollte und vernünftig und gerecht auf die Nutzer verteilt werden muss;

b. die öffentliche Kontrolle über die Dienste so lokal wie möglich zu halten und Gewerkschaften, Verbände und Konsortien zu bilden, wenn qualitative, quantitative und technische Faktoren dies erfordern;

c. sicherzustellen, dass das Kapital der Infrastrukturen in öffentlicher Hand bleibt, um eine langfristige Bewirtschaftung zu garantieren, kurzfristige Ansätze zu vermeiden und staatlich/private Partnerschaften als Mittel zu sehen, bestimmte Aufgaben bei der Erbringung der öffentlichen Dienste zu erfüllen;

d. gegen eine schlechte Verteilung der Verantwortung anzukämpfen und bessere und weniger kostspielige Lösungen für die gegenwärtigen und künftigen Herausforderungen zu suchen, indem die öffentlichen Wasserdienste mit denen der Wasserressourcen zusammenarbeiten;


e. als gleichwertige Partner bei der integrierten und horizontalen Bewirtschaftung der Wasserressourcen tätig zu werden und territoriale Lösungen zur Verringerung der Kosten für die gewählte Technologie zu suchen, Instrumente zur Wassererzeugung auszutauschen und innovative Technologien einzuführen;

f. die ‘3 E’ der Nachhaltigkeit – wirtschaftlich, ökologisch und ethnisch – bei der Ausarbeitung und Umsetzung ihrer staatlichen Wasser- und Abwasserpolitik zu berücksichtigen;

g. detaillierte Studien über einen gerechten Zugang zu diesen Diensten für die Ärmsten durchzuführen und die Erfahrungen in diesem Bereich zu vergleichen, um Lösungen zu finden, die ein Recht auf Zugang zum Dienst garantieren, zu einem Preis, der akzeptabel für die Gebietskörperschaft und die Nutzer ist;

h. in der Gebietskörperschaft und in der Region dafür einzutreten, dass Kenntnisse und Kompetenzen zur Verbesserung der Wasserbewirtschaftung erworben werden und die Organisation der öffentlichen Wasser- und Abwasserdienste erleichtert wird;

i. die bestehenden Organisationen zu nutzen oder gegebenenfalls Verbände der Gebietskörperschaften zu gründen, um Erfahrungen bei den öffentlichen Wasser- und Abwasserdiensten auf nationaler Ebene und insbesondere auf europäischer Ebene auszutauschen;

j. den Verbraucher in die Kontrolle der Wasser- und Abwasserdienste mit einzubeziehen;

k. und im Rahmen des Fünften Weltwasserforums, das vom 16. bis 22. März 2009 in Istanbul stattfindet:

i.              sich aktiv am 5. Weltwasserforum zu beteiligen, damit die Rolle der Gemeinden und Regionen im internationalen Wasserprozess gestärkt wird;

ii.             die grundlegende Rolle der Gemeinden und Regionen in der Organisation und bei der Kontrolle der Wasser- und Abwasserdienste sowie ihre Wahlfreiheit bei den verschiedenen Bewirtschaftungsmethoden zu bekräftigen;

iii.            dem Istanbuler Wasserkonsens eine Erklärung der Gemeinden und Regionen beizufügen, die beim Fünften Forum verabschidetet wird und offiziell Massnahmen zur praktischen Umsetzung zu ergreifen.

15. Der Kongress beauftragt seinen Ausschuss für nachhaltige Entwicklung:

a. sich weiterhin mit der Wasserführung und insbesondere den Folgen des Klimawandels und der Wasserwirtschaft zu beschäftigen;

b. die Gebietskörperschaften dabei zu unterstützen, ihre Rolle bei der Wasserwirtschaft voll und ganz zu übernehmen;

c. die Kooperation mit dem Ausschuss für Umwelt, Landwirtschaft und Gebietskörperschaften der Parlamentarischen Versammlung für eine gemeinsame Strategie der Wasserwirtschaft fortzusetzen;

d. den Austausch mit dem entsprechenden Ausschuss des Ausschusses der Regionen über Wasserfragen auszubauen, insbesondere im Hinblick auf das 5. Weltwasserforum, und gemeinsam an der Frage einer effizient und reell geteilten Verantwortung in der Wasser- und Abwasserwirtschaft zu arbeiten;

e. sich regelmäßig mit den internationalen Gemeinde- und Regionalverbänden, insbesondere der Weltunion der Kommunen und dem ICLEI – Local Governments for Sustainability auszutauschen, damit die Rolle der Gemeinden und Regionen bei der Wasserwirtschaft und im internationalen Wasserprozess stärker anerkannt wird.



[1] Diskussion und Annahme durch den Kongress am 3. März 2009, 1. Sitzung (siehe Dokument CG(16)6REP, Begründungstext, Berichterstatter: V. Gorodetskiy (Russische Föderation, L, SOC) und P. Jansen (Niederlande, R, EVP/CD).