Entschliessung 35 (1996)1 über Nord-Süd Lokaldemokratie : die europäische Charta der kommunalen Selbstverwaltung im Einsatz

Der Kongreß,

mit Bezug auf den Vorschlag der Kammer der Gemeinden,

1. Begrüßt den von Dr. Frendo vorgelegten Bericht über “Nord-Süd Lokaldemokratie : Die Europäische Charta der kommunalen Selbstverwaltung im Einsatz“ und möchte den Malteser Behörden für die Organisation dieses erfolgreichen Kongresses danken.

2. Erinnert daran, daß die Malteser Konferenz einberufen wurde, um zu untersuchen, inwieweit die Prinzipien der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung, die in den neuen Demokratien Mittel- und Osteuropas als Gesetzesgrundlage erfolgreich angewendet werden, von Bedeutung und Nutzen für Länder außerhalb Europas sein könnten, besonders in denjenigen, wo der Prozeß demokratischer Reformen zwar begonnen hat, jedoch stets labil ist.

3. Ist der Ansicht, daß die Europäische Charta der kommunalen Selbstverwaltung - auf Initiative des CLRAE, als erstes und momentan auch als einziges internationales Instrument seiner Art bezüglich kommunaler Selbstverwaltung, die vollständigste universelle Referenz zu diesem Thema bleibt, und den verschiedenen europäischen Ländern eine beträchtliche Hilfestellung für die Rechtfertigung und Bestätigung kommunaler Selbstverwaltung bietet.

4. Betont, daß die Europäische Charta das ideale Instrument in verankerten Lokaldemokratien darstellt, in welchen :

a) sie in Mittel- und Osteuropa erfolgreich zur Anwendung kam;

b) sie lange vor dem Maastrichter Abkommen das erste internationale Instrument darstellte, das eine spezifische Referenz für und eine anwendbare Definition von Subsidarität beinhaltete, d.h. “im allgemeinen sollen vorzugsweise die Behörden, die den Bürgern am nächsten stehen, den öffentliche Pflichten nachkommen”. Zuweisung von Verantwortung an andere Behörden sollte das Ausmaß und Wesen der Aufgabe sowie die Forderungen nach Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit abwägen”;

c) ihre Vorlagen für die Anpassung einer Vielzahl spezifischer Situationen ausreichend ausgerichtet sind;

d) sie eine stichhaltige rechtliche Grundlage für die Einbeziehung von Bestimmungen für die Garantie von Lokaldemokratie in der staatlichen Verfassung gibt;

e) sie nicht nur Prinzipien aufstellt, sondern auch als praktisches Mittel zur täglichen Anwendung von Lokaldemokratie dient;

f) sie gemeinsame Werte von universeller Relevanz vertritt ;

5. Erinnert, daß die Anwendung der Charta in Ländern Mittel - und Osteuropas, auch wenn sie an der Vorbereitung nicht beteiligt waren, ein positiver Präzedenzfall ist, dem ebenso außerhalb europäischer Grenzen gefolgt werden könnte.

Die Anwendung der Prinzipien der Charta in Mittelmeerländern betreffend

6. Behält im Auge, daß die Mittelmeerländer weiterhin einen Vektor politischer und kultureller Übergänge darstellen, wie in den letzten Jahren die Schaffung von Kooperationsnetzen zwischen Gemeinden dieser Region, wie z.B. Med Urbs, sowie der allmähliche Aufbau und die Bestätigung der Lokaldemokratie in einer Reihe von Ländern dieser Region zeigten.

7. Erinnert trotz alledem daran, daß die Lokaldemokratien bestimmter Länder dieser Region nicht mit den Prinzipien der Charta übereinstimmen.

8. Ist sich darüber bewußt, daß die letzte Konferenz über Mittelmeerregionen, die 1995 in Zypern stattfand, die Bedeutung der Charta und der Lokaldemokratie als ein Teil des Friedensprozesses im Nahen Osten unterstrichen wurde - eine Aufgabe der Charta, die in naher Zukunft weiter ausgebaut werden sollte.

9. Glaubt an die wichtige Stärkung und Entwicklung externer Beziehungen zwischen Gemeinden der nördlichen und südlichen Mittelmeerküsten in einer weiten Reihe von Themen und Programmen gemeinsamen Interesses.

Die Anwendung der Prinzipien der Charta in afrikanischen Ländern betreffend

10. Ist sich darüber bewußt, daß bestehende Lokaldemokratiestrukturen in einigen afrikanischen Ländern unter folgenden Punkten leiden :- eine unangemessene verfassungsrechtliche oder rechtliche Grundlage; eine excessiv zentrale Regierungsrichtung; zu stark von zentralen staatlichen Beihilfen abhängig, deren Berechnungsgrundlage häufig willkürlich und instabil erscheint; eine labile Gemeinschaftsgrundlage.

11. Anerkennt des weiteren, daß afrikanische Gemeinden in der Führung sinnvoller Verhandlungen mit ihren zentralen Regierungen häufig unfähig sind, aufgrund der Abwesenheit eines gesetzlich vorgeschriebenen Konsultationsrechts und/oder aufgrund der Schwäche ihrer repräsentativen Verbände.

12. Glaubt, daß Partnerschaften zwischen europäischen und afrikanischen Gemeinden, dezentralisierte Kooperationsprojekte und fähigkeitsaufbauende Programme, so wie z.B. das Programm zur Entwicklung von Gemeinden einen bedeutenden Beitrag darstellen, um diese Probleme anzugehen, und sollten die Prinzipien der Charta voll berücksichtigen.

Die territoriale Zusammenarbeit im allgemeinen betreffend

13. Glaubt, daß die direkte Zusammenarbeit zwischen Gemeinden und deren jeweiligen nationalen Verbänden in Nord-Süd Fragen für beide Seiten ein bedeutendes Mittel darstellt, was den Erfahrungsaustausch in Fragen der Lokaldemokratie anbetrifft und häufig auch für die europäischen Gemeinden selbst von Nutzen ist.

14. Ist der Ansicht, daß obwohl sich Partnerschaften, Verschwisterungen und andere Kooperationsformen zwischen Gemeinden in Europa und anderswo in den letzten Jahren vervielfacht haben, eine solche Zusammenarbeit in manchen Fällen durch einen fehlenden angemessenen rechtlichen oder politischen Rahmen behindert werden könnte.

15. Erinnert daran -wie bereits gezeigt wurde -, daß ein globales Engagement, wie z.B. der auf dem Weltgipfel von Rio angenommene Tagesordnungspunkt 21 und Habitat II Tagesordnung ideale Mittel zur Förderung weiterer Zusammenarbeit zwischen Gemeinden bilden, was die angesprochenen Punkte betrifft.

16. Unterstreicht, daß der Bedarf an stärkeren Kontakten zwischen dem CLRAE, möglicherweise in Zusammenarbeit mit anderen europäischen Organisationen, und nationalen Gemeindeverbänden in Nicht-Mitgliedsländern besteht, sowie der Bedarf an einem progressiven Aufbau eines festen politischen Klimas und einer Struktur für eine weltweite Zusammenarbeit der Gemeinden.

Beschließt :

17. Die Möglichkeit eines Chartaentwurfs zur kommunalen Selbstverwaltung als eine Konvention auf der Ebene der Vereinten Nationen zu untersuchen, falls angemessen in Zusammenarbeit mit anderen internationalen Organisationen und/oder Gemeindeverbänden;

18. Die Organisation weiterer Seminare im Sinne der derzeitigen Malta-Konferenz um somit die Möglichkeit einer Ausdehnung der Anwendung der Prinzipien der Charta auf andere Teile der Welt zu verfolgen.

19. Eine aktive Teilnahme und Expertise in angemessenen Seminaren außerhalb Europas zu Themen der Lokaldemokratie durch seine Nord-Süd-Arbeitsgruppe sicherzustellen;

20. Wo angemessen, die Vorbereitung nationaler Berichte zur Lokaldemokratie in Ländern außerhalb Europas zu unterstützen und/oder daran teilzunehmen, im Sinne der vom CLRAE bereits durchgeführten Berichte für ausgewählte Mitglieds- und Antragsländer.

21. die Förderung und/oder Übernahme vergleichender Studien über:-

- die Ausdehnung der Charta auf Länder mit verschiedenen Formen und Traditionen kommunaler Verwaltung,

- Führungsstile, Wege und Durchschnitte in welchen öffentliche Verantwortlichkeit und Zugänglichkeit gesichert sind;

22. Die Möglichkeit einer Verwendung der Charta als Beitrag im Friedensprozeß im Nahen Osten zu untersuchen, zum Beispiel:-

- die 5. Konferenz der Mittelmeerregionen, der Europäischen Charta und deren Anwendung auf kommunale demokratische Aspekte im Friedensprozeß im Nahen Osten zu widmen;

- die Gründung einer gemeinsamen Arbeitsgruppe unter der Schirmherrschaft des CLRAE mit Mitgliedern von Gemeinden aus den betroffenen Ländern;

23. Eine stärkere Zusammenarbeit mit dem Nord-Süd Zentrum des Europarats was angemessene Programme des Zentrums im Zusammenhang mit kommunaler Verwaltung und Lokaldemokratie angeht; insbesondere in Hinsicht auf die Arbeit des Zentrums in Sachen trans-mediteraner Kooperation und der Spezialeinheit zur Lokaldemokratie; und eine stärkere Initiative für ein integriertes Informatiksystem über mediterane Kooperation (Medgate).

24. Bi- und multilaterale Hilfsorganisationen dabei zu unterstützen, ihre Hilfsprogramme - wo es angemessen erscheint - , zu assoziieren und weiter zu verbinden, um demokratische Reformen in Empfangsländern, vor allem auf kommunaler Ebene, voranzubringen.

1 Diskussion und Zustimmung durch die Kammer der Gemeinden am 3. Juli 1996 und Annahme durch den Ständigen Ausschuss des Kongresses am 5. Juli 1996 (siehe Dok. CPL (3) 8, Entschliessungsentwurf vorgelegt von Herrn H. Frendo, Berichterstatter)