19..TAGUNG

Straßburg, 26. – 28. Oktober 2010

Nachhaltige Entwicklung von Gebirgsregionen und die Erfahrung in den Karpaten

Empfehlung 296 (2010)[1]

1. Die Bedeutung von Gebirgsregionen in der europäischen Landschaft wird oft unterschätzt. Sie bieten unglaubliche Naturschönheiten, kulturellen Reichtum und wichtige Ökosysteme für die ganze Bevölkerung. Ihre wirtschaftliche Entwicklung verdient Vorrang und verlangt Maßnahmen, die mit dem Schutz und der Achtung der Umwelt vereinbar sind.

2. Der Kongress der Gemeinden und Regionen des Europarats betont erneut sein Engagement zugunsten einer integrierten und spezifischen Vorgehensweise bei der Entwicklung von Gebirgsregionen, die mit besonderen Strukturproblemen, besonders beim Umweltschutz, beim Verkehr und der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung zu kämpfen haben. Der Kongress bekräftigt die im Entwurf der Europäischen Gebirgscharta[2] enthaltenen Grundsätze.

3. Er weist abermals darauf hin, dass die regionalen Stellen angehalten werden sollten, eine aktive Rolle in allen das Gebirgsmassiv betreffenden Fragen zu übernehmen. Es bedarf einer integrierten und nachhaltigen Entwicklungspolitik zur Erhaltung der natürlichen Ressourcen dieser Regionen angesichts solcher Probleme wie Umweltverschmutzung, planloser Entwicklung und nichtnachhaltiger Nutzung natürlicher Ressourcen.

4. Politische Maßnahmen zur Entwicklung von Gebirgsregionen müssen vor allem auf den sozialen Zusammenhalt abstellen, um besonders Probleme wie die hohe Arbeitslosigkeit, die Entvölkerung und Überalterung anzugehen. Auch Achtung und Erhalt des kulturellen Erbes und der sprachlichen Vielfalt der Bergbewohnen sind zu berücksichtigen.


5. Integrierte Politik dieser Art muss auch den gebietsmäßigen Zusammenhalt im Auge behalten, alle Ebenen der Verwaltung braucht es dazu. Engere Zusammenarbeit auf internationaler, nationaler, regionaler und kommunaler Ebene ist gefragt. Der gebietsmäßige Zusammenhalt wird durch solidarische Zusammenarbeit unter den Städten, dem jeweiligen Umland und den ländlichen Gebirgsgegenden gestärkt.

6. Ferner sollte Politik dieser Art das gesamte Gebirgsmassiv erfassen und auf Makroebene, regionaler wie internationaler Ebene, angegangen werden, da fast alle europäischen Gebirgsregionen Ländergrenzen überschreiten.

7. Die Karpaten-Kette erstreckt sich über sieben Länder[3]; dort leben 17 Millionen Menschen, dort finden sich außergewöhnlich schöne Natur und reiche Kultur. Diese Region hat mit besonderen Umwelt-, Gesellschafts- und Wirtschaftsproblemen zu kämpfen, die durch die Abgelegenheit der Gegend verstärkt werden. Manche Teile dieser Gebirgskette sind in der Tat Grenzland mit schlechter Anbindung an die weiter unten gelegenen Städte. Die Gesamtheit des Gebiets und seiner Bevölkerung ist mit anderen europäischen Bergregionen vergleichbar; die Region ist innerhalb des europäischen Kontinents strategisch günstig gelegen. Die Karpaten verdienen daher stärkere Beachtung und entsprechende Unterstützung durch die Europäische Union. 

8. Der Kongress beglückwünscht die Unterzeichnerstaaten des Rahmenübereinkommens zum Schutz und zur nachhaltigen Entwicklung der Karpaten (Karpaten-Konvention) zu der bereits geleisteten Arbeit sowie den bereits unternommenen Bemühungen zum Erhalt und zur nachhaltigen Entwicklung der Gebirgskette mit Hilfe von Initiativen wie dem Karpaten-Netz von Naturschutzgebieten (CNPA).

9. Nichtsdestoweniger ist der Kongress überzeugt, dass Gemeinden und Regionen eine bedeutsame Rolle bei der Umsetzung der Karpaten-Konvention zu spielen haben. Der Kongress fordert dazu auf, sie unter Beachtung des Subsidiaritätsprinzips und der Zuständigkeit der verschiedenen Verwaltungsebenen von Anfang an bei der Ausarbeitung von Projekten stärker einzubeziehen.

10. Der Kongress unterstützt voll die Aufforderung der Ministererklärung[4] zur Schaffung eines eigenständigen ‘Karpatenraums’ im Rahmen des Europäischen Programms zur Gebietszusammenarbeit wie es ihn bereits in Gestalt des ‘Alpenraums’ gibt, um die allgemeinen Ziele der Karpaten-Konvention und anderer in der Region engagierter Beteiligter zu verwirklichen. Das  ‘Alpenraum-Programm’ hat ja zu zahlreichen Projekten, Netzen und neuen Wegen bei der räumlichen udn wirtschaftlichen Entwicklung in den Alpenregionen geführt. Die dabei gemachten Erfahrungen und erlangten Kenntnisse könnten den Karpaten unmittelbar zugute kommen.

11. Der Kongress begrüßt den gegenwärtig in der Europäischen Union laufenden Anhörungsprozess zur EU-Politik für den Donauraum und befürwortet, dabei einen Abschnitt der Karpaten-Region zu widmen. Die Gemeinden und Regionen sollten dazu gebracht werden, sich aktiv an der Verwirklichung einer solchen Politik zu beteiligen, um sie möglichst bürgernah zu gestalten.

12. Folglich empfiehlt der Kongress dem Ministerkomitee des Europarats, die Mitgliedsstaaten, besonders jene der Karpaten-Region, zu bitten :

a. bei politischen Entscheidungen auf nationaler und regionaler Ebene die nachhaltige Entwicklung in Gebirgsregionen mit einzubeziehen und unter Beteiligung der Gemeinden und Regionen eine bergspezifische Politik auszuarbeiten und zu verwirklichen ;


b. anzuerkennen, dass erfolgreiche Gebirgspolitik auf allen Verwaltungsebenen das gesamte Gebirgsmassiv umfassen muss. Es braucht Gesprächsrunden auf höchster Ebene unter verschiedenen Ressorts (z.B. Umweltschutz, sozialer Zusammenhalt, Regionalplanung, Energiewirtschaft) sowie unter den Gemeinden und Regionen und der Zivilgesellschaft, um alle das Gebirgsmassiv betreffenden Maßnahmen auf makroregionaler Ebene zu koordinieren.

c. sicherzustellen, dass die Betreuung und Ausführung besonderer politischen Maßnahmen und Programme für Bergregionen möglichst dezentralisiert erfolgt, sowie dafür zu sorgen, dass die Zuständigkeiten und Haushaltsmittel der Gemeinden und Regionen im Interesse solcher Politik gestärkt werden ;

d. das Zusatzprotokoll Nr. 3 zum Europäischen Rahmenübereinkommen über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Gebietskörperschaften in Form euroregionaler Zusammenschlüsse (ETS No. 206) zu unterzeichnen und zu ratifizieren, um aktiv die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zu fördern und es den Gemeinden und Regionen zu ermöglichen, Vereinbarungen abzuschließen und konkrete Maßnahmen zu entwickeln;[5]

e. die nachhaltige Entwicklung und Verwaltung von Gebirgsregionen durch geeignete politische Maßnahmen zu verbessern, wobei der Grundsatz „Wer verschmutzt, zahlt“ zu beherzigen wäre, sowie die Nutzung erneuerbarer Energien, nachhaltigen Fremdenverkehr und nachhaltige Forstwirtschaft zu fördern.

13. Der Kongress bittet die Mitgliedsstaaten, welche die Karpaten-Konvention unterzeichnet haben, dringend, die Gemeinden und Regionen bei der Umsetzung der Konvention stärker zu beteiligen.

14. Der Kongress fordert ferner die Europäische Union auf :

a.den Problemen der Karpaten bei der geplanten Politik für den Donau-Raum besonderes Augenmerk zu schenken und sicherzustellen, dass die Gemeinden und Regionen und ihre Bevölkerung einbezogen werden ;

b. einen ‘Karpaten-Raum’ im Rahmen des Europäischen Programms zur Gebietszusammenarbeit vorzusehen, um die Zielsetzung und Verwirklichung der Karpaten-Konvention im gesamten Bereich des Gebirgsmassivs unter Einschluss der Länder, die nicht in der EU sind, zu unterstützen.



[1] Diskussion und Zustimmung durch die Kammer der Regionen am 26. Oktober 2010 und Annahme durch den Kongress am 28. Oktober 2010, 3. Sitzung (siehe Dokument CPR(19)2, Begründungstext, Berichterstatter: M. Kichkovskyy, Ukraine (R, EVP/CD)

[2] Empfehlung 130 (2003) zur Europäischen Gebirgscharta.

[3] Polen, Rumänien, Serbien, die Slowakei, die Tschechische Republik, die Ukraine und Ungarn.

[4] Ministererklärung der zweiten Tagung der Konferenz der Parteien des Rahmenübereinkommens zum Schutz und zur nachhaltigen Entwicklung der Karpaten  (17.-19. Juni 2008, Bukarest, Rumänien).

[5] Empfehlung Rec(2005)2 des Ministerkomitees an die Mitgliedsstaaten betreffend  gute Beispiele bei der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit von Gebietskörperschaften und Behörden und die Beseitigung entsprechender Hindernisse