Entschliessung 127 (2002)1 betreffend nachhaltige Entwicklung und die Liberalisierung des Energiemarktes
Der Kongress,
Ruft in Erinnerung:
1. Den Bericht über nachhaltige Entwicklung und die Liberalisierung des Energiemarktes, den Herr Peter Torkler (Deutschland, G) im Namen des Ausschusses für nachhaltige Entwicklung und unter Mitarbeit vonseiten der Experten des Europäischen Sekretariats des ICLEI vorgelegt hat;
2. Die Schlusserklärung der von der Stiftung für die Wirtschaft und nachhaltige Entwicklung der Regionen Europas (FEDRE) am 18. und 19. Juni 2001 in Genf durchgeführten Konferenz über die Liberalisierung der Energiemärkte und die nachhaltige Regionalentwicklung;
3. Die früher über energiepolitische Fragen durch den KGRE angenommenen Texte, insbesondere:
a. die Entschliessung 246 (1993) über die Bekämpfung des Treibhauseffekts und den Schutz der Ozonschicht,
b. die Empfehlung 42 und die Entschliessung 64 (1998) über nukleare Sicherheit und kommunale sowie regionale Demokratie,
c. die Empfehlung 57 (1999) betreffend kommunale und regionale Wirtschaftsinstrumente für die Umwelt;
Berücksichtigt folgendes:
4. Energiepolitik hat immer lokale und regionale Auswirkungen: Energie wird auf lokaler Ebene produziert und verbraucht, und auch die Übertragung und Verteilung von Energie hat örtliche Folgen;
5. Die Gemeinden und Regionen sind verantwortlich für die Gesundheit, das Wohlbefinden und die Produktivität jener, die in ihrem Gebiet leben und in ihren Gebäuden arbeiten. Eine Verbesserung der Lebensbedingungen in städtischen und ländlichen Gebieten erfordert oft die Annahme konkreter, genau umrissener Energiemassnahmen;
6. Die kommunalen und regionalen Gebietskörperschaften haben ein unmittelbares Interesse daran, Energie einzusparen, denn sie sind Eigentümer oder Vermieter grösserer Gebäude, und ihre Energierechnungen machen im allgemeinen 1 bis 2% ihres Gesamthaushalts aus. In mehreren Mitgliedstaaten fallen den Gemeinden und Regionen überdies bestimmte Aufgaben im Bereich der Produktion, der Verteilung, der wirksamen Nutzung und der Einsparung von Energie zu;
7. In manchen Ländern wird die Fähigkeit der Gemeinden zu entsprechenden Aktivitäten eingeengt durch gesamtstaatliche Energiepolitiken, die zentralisierte, grossräumige Lösungen bevorzugen und Brennstoffe auf Kohlebasis subventionieren. Ausserdem unterliegen die Gemeinden auch dem Zwang zur guten Bewirtschaftung der öffentlichen Mittel, was bedeutet, dass sie alle Produkte zum günstigstmöglichen Preis einkaufen müssen;
8. In energiewirtschaftlicher Hinsicht haben die europäischen Gemeinden und Regionen folgende Hauptziele gemeinsam:
a. Förderung einer rentableren Nutzung von Energie,
b. Förderung von Angeboten sparsamerer und saubererer Energie,
c. wann immer möglich, Förderung der Nutzung erneuerbarer Energiequellen,
d. Bemühung um die Beseitigung der in manchen Haushalten herrschenden Brennstoffarmut;
9. Den Gemeinden und Regionen stehen viele Einflussmöglichkeiten auf den örtlichen Energieverbrauch zur Verfügung. Auf dem Wege über eine bessere Nutzung der Energie und einen geringeren Einsatz fossiler Brennstoffe können die Gebietskörperschaften die Qualität der Luft verbessern, Arbeitsplätze schaffen, Geld sparen und ihren Einwohnern mehr Lebensqualität bieten;
10. Die öffentlichen Dienstleistungsunternehmen müssen ihre Rolle angesichts des deregulierten Marktes neu definieren. Im liberalisierten Markt stehen den öffentlichen Unternehmen weniger Kredite für Klimaschutzmassnahmen zur Verfügung, weshalb eine Konzentration auf wirtschaftlich profable Massnahmen angezeigt ist;
11. Bei den kommunalen Dienstleistungsunternehmen handelt es sich meistens um kleine und mittlere Unternehmen. Die Konkurrenzlage hat diese scharfsichtiger gemacht für die Entdeckung und Nutzung von Gelegenheiten, ihre Stellung auf dem einheitlichen Markt aufrecht zu erhalten oder zu verbessern;
Ist Überzeugt,
12. Dass die Gemeinden und Regionen angesichts der Öffnung der Energiemärkte den ihnen zukommenden Platz einnehmen wollen, sind sie sich doch dessen wohl bewusst, dass es die lokale Ebene ist, auf welcher der energieverbrauchende Bürger anzutreffen ist und wo Massnahmen zur Wirkung gelangen;
Fordert die Gemeinden und Regionen auf:
13. Die Frage der Produktion und des Verbrauchs von Energie in ihrem Gebiet zu prüfen und eine Energiestrategie auszuarbeiten, die daraufhin angelegt ist, die Nachfrage nach Energie zu reduzieren und sauberere, wirksamere und erneuerbare Methoden für die Energieproduktion und -verteilung zu fördern;
14. Die personellen und materiellen Mittel bereitzustellen, um eine nachhaltige Energiepolitik auszuarbeiten und umzusetzen, beispielsweise durch die Schaffung einer örtlichen Agentur für Energiewirtschaft. Für kleine Gebietskörperschaften, die vielleicht weder die Mittel noch die technischen Kompetenzen für einen integrierten Energieplan haben, liessen sich regionale Zentren schaffen, die solche Gebietskörperschaften über Partnerschaften in den Genuss der technischen und finanziellen Mittel und des nötigen Know-how bei der Verwaltung und Durchführung von Programmen kommen lassen könnten;
15. Ihre Energie- und Umweltpolitik in ihre ländlichen und städtischen Raumordnungs-, Beschäftigungs- und wirtschaftlichen Entwicklungspolitiken einzuarbeiten, da Energie und Umwelt ein wesentlicher Faktor dieser Politiken ist;
16. Für alle Aspekte des Energieverbrauchs sowohl in der öffentlichen Verwaltung wie auch in den Haushalten und Verbänden Kontrollsysteme einzurichten, aufgrund deren die Bevölkerung über ihren Energieverbrauch und über die Fortschritte beim Energiesparen informiert werden kann;
17. Gegebenenfalls einen kommunalen Ausschuss für die Überwachung der Elektrizitätsverteilung einzurichten, um den diesbezüglichen Einfluss der Gemeinde bzw. Region zu stärken und eine zusätzliche Einkommensquelle zu schaffen;
18. Für einen allgemeinen Beratungsdienst zu sorgen, der den Haushalten, Unternehmen und Organisationen hilft, ihren Energieverbrauch für Heizung, Beleuchtung und den Betrieb von Apparaten zu senken; sich der Information, der Werbung oder des konkreten Beistands zu bedienen, etwa in Form von Umfragen oder auch von Belohnungen für die Verbesserung von Wohnbauten als Anreiz für die Haushalte, ihren Energieverbrauch zu senken;
19. Den Energieverbauch in sozialen Wohnbauten wirkungsvoll zu steuern und zu reduzieren; mithilfe von Ausbildung und von Werbung die Verwaltungen wie die Mieter für die Rolle zu sensibilisieren, die sie im Ansteuern dieses Zieles spielen können;
20. Mittels Kundenwerbung, Information und öffentlicher Werbung die am Ort angesiedelten Unternehmen für die Vorzüge des Energiesparens zu gewinnen und sie, wenn möglich, durch noch weitere Formen der Unterstützung zu ermutigen, in Energiesparmassnahmen zu investieren;
21. Darauf zu achten, dass die Suche nach Energieeinsparungen auch voll in die Strategien des öffentlichen Verkehrs übernommen wird;
22. Die Prinzipien des Energiesparens schon in einem sehr frühen Baustadium, das heisst sogleich bei der Festlegung des Grundstücks und dem Entwurf des Gebäudes und seiner Einrichtungen zum Tragen zu bringen; etwa Wohnbauten nahe von öffentlichen Verkehrsmitteln und anderen Infrastrukturen sowie auf grösstmögliche Sonneneinstrahlung hin anzulegen und wirksame Heizsysteme und -apparate sowie einen hohen Isolationsstandard vorzusehen;
23. Durch eine Verbesserung des Nutzungsgrades von Energie in den Haushalten ärmeren Haushalten zur Deckung ihres Energiebedarfs zu bezahlbaren Preisen zu verhelfen; sie besser zu unterrichten über die Möglichkeiten, Zuschüsse zu Wohnungsverbesserungen zu erlangen und sie über Massnahmen zur Verbesserung des energetischen Preis-Leistungsverhältnisses zu beraten;
24. Die Einrichtung von energiewirksamen Systemen der Kraft-Wärme-Kopplung vorzusehen; solche Systeme sind im kleinen Massstab, beispielsweise für ein örtliches Schwimmbad, wie im grossen Massstab, etwa zur Versorgung einer ganzen Überbauung mit Elektrizität und Warmwasser, möglich;
25. Planung und andere Mittel einzuführen, um die Wahl der saubersten, wirksamsten und, wenn möglich, erneuerbaren Energiequelle begünstigen zu können, Vorhaben, die diesen Kriterien nicht entsprechen, neu zur Disposition zu stellen;
26. Dafür zu sorgen, dass mindestens ein Teil der von der Gemeinde benötigten Energie aus erneuerbaren Quellen stammt, was den doppelten Vorteil hat, das "grüne Image" der Gemeinde/Region zu stärken und auf kommunalem Territorium eine nachhaltige Industrie zu fördern;
27. Allen Einfluss, den die Gebietskörperschaft bei zentralstaatlichen Behörden oder Energielieferanten hat, für deren Beeinflussung zugunsten von Investitionen in sauberere und wirtschaftlichere Energien zu nutzen;
28. Den Betrieb kleiner Systeme für die Energieproduktion ausserhalb des Netzes zu fördern, um die örtlichen Bedürfnisse ohne die mit der Versorgung aus dem nationalen Netz verbundenen Übertragungsverluste zu decken;
29. Eine umfassende Umfrage in Auftrag zu geben, um die Möglichkeiten des Einsatzes erneuerbarer Energiequellen in ihrem Gebiet zu erkunden; aufgrund der sich ergebenden Informationen eine Strategie zur Entwicklung erneuerbarer Energie für das betreffende Gebiet auszuarbeiten;
30. In einen Dialog mit der Ortsbevölkerung zu treten, um deren Ansicht über erneuerbare Energiequellen zu erfahren und sodann die Entwicklung der geeignetsten und am stärksten befürworteten örtlichen Programme zu unterstützen;
31. Partnerschaften einzugehen, um dazu beizutragen, das Potenzial der Nutzung erneuerbarer Energiequellen in einem bestimmten Gebiet mithilfe von Pilotprojekten oder Projekten grösseren Umfangs auszuschöpfen;
32. Die öffentliche Meinung für die Vorteile und für das örtlich gegebene Potenzial erneuerbarer Energiequellen zu sensibilisieren; Personen, die geeignete erneuerbare Energiequellen entwickeln möchten, zu unterstützen, indem sie sie Beratungs- und Finanzierungsquellen zuweisen;
33. Die durch die Liberalisierung des Energiemarktes neu aufgekommenen Möglichkeiten zu nutzen, worunter:
a. innovatorische Strategien der Eigenfinanzierung wie Umlauffonds für Energieeinsparungen oder Fremdfinanzierung (Vergabe der Energieversorgung),
b. gemeinsamer Einkauf von energiesparenden Spitzenprodukten und von Technologien für die Produktion erneuerbarer Energien, um die Nachfrage danach zu fördern und die Kosten zu senken;
c. wirtschaftliche Massnahmen wie Steuern und Gebühren, um die Kosten des Energieverbrauchs voll zu internalisieren.
1 Diskussion und Annahme durch den Ständigen Ausschuss des Kongresses am 21. März 2002 (s. Doc. CG(8)27, durch Herrn P. Torkler, Berichterstatter, vorgelegter Entschliessungsentwurf).