18. TAGUNG
Straßburg, 17.–19. März 2010

Minderheitensprachen – ein wertvolles Gut für die regionale Entwicklung

Entschließung 301 (2010)[1]

1. Sprachliche Minderheiten sind ein Vorteil für die wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung einer Region. Sie stellen ein enormes Potenzial dar, das sehr häufig vernachlässigt wird. Wenn man dieses Potenzial sinnvoll einsetzt, kann es die kulturellen und wirtschaftlichen Aktivitäten stimulieren und einen erheblichen Beitrag zum Wohlstand einer Region leisten.

2. Die meisten Menschen, die eine Regional- und Minderheitensprache sprechen, sind mehrsprachig. Es wurde vielfach nachgewiesen, dass mehrsprachige Menschen regelmäßig in ihren Leistungen einsprachige Menschen übertreffen. Dies hängt sowohl von kognitiven Fähigkeiten ab, die das Erlernen einer Sprache begleiten, als auch von der Tatsache, dass in vielen Bereichen Sprachfähigkeiten immer stärker gefragt sind.

3. Die europäischen Grenzregionen sind Heimat vieler Sprachminderheiten. Diese Minderheiten spielen häufig eine Schlüsselrolle beim Aufbau einer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, die eine wichtige Komponente der europäischen Integration ist. Die Regionen, die Minderheitensprachen in ihren Gebieten gefördert haben, erleben ein Wachstum ihrer eigenen und angrenzenden Regionen.

4. Die Regionen Europas müssen den Mehrwert erkennen, den Regional- und Minderheitensprachen darstellen. Sie leisten einen wichtigen Beitrag zum Kulturtourismus und zum kulturellen Erbe.

5. Sprache ist ein Schlüsselaspekt der kulturellen Identität. Sie ist ausschlaggebend für das kollektive Gedächtnis der Bevölkerung und den Prozess, über den komplexe kulturelle Identitäten vermittelt werden. Wenn Sprachminderheiten die vollständige Anerkennung ihrer Sprachen erlangen und in der Lage sind, sich im öffentlichen und im privaten Bereich darzustellen, wird das daraus resultierende Selbstbewusstsein einen Dominoeffekt sowohl im Hinblick auf wirtschaftliche Aktivität als auch im Hinblick auf kulturelle Kreativität haben.

6. Das Rahmenübereinkommen des Europarats über den Schutz nationaler Minderheiten und die Europäische Charta über Regional- und Minderheitensprachen sind wertvolle Instrumente zum Schutz und zur Förderung der Minderheitenpopulationen und ihrer Sprachen in Europa, die es verdienen, bekannter und systematisch umgesetzt zu werden.

7. Die Gesundheit ihrer Sprachen ist ein Schlüsselindikator für die kulturelle Entwicklung und Vitalität einer Region. Es ist ein Zeichen einer gereiften Demokratie, wenn die Sprachen aller Minderheitengruppen einen ordnungsgemäßen Status, Anerkennung und Förderung erhalten.

8. Angesichts des Vorstehenden ruft der Kongress die Regionen und Gemeinden auf:

a. sicherzustellen, dass die Regionen eine Sprachenpolitik verabschieden, die in angemessener Weise die autochthonen Sprachen, die es in ihren Regionen gibt, schützt und fördert;

b. eine umfassendere Nutzung der Regional- und Minderheitensprachen in der Bildung, der Verwaltung, den Medien, der Wirtschaft und im gesellschaftlichen Leben zu fördern;

c. eine Kompetenz für Regional- und Minderheitensprachen bei der Beschäftigung im öffentlichen Sektor zu fördern;

d. angemessene Mittel zur Verfügung zu stellen, um ab der Grundschule einen Unterricht in Regional- und Minderheitensprachen sicherzustellen;

e. die Gründung mehrsprachiger Schulen zu fördern, in denen der Unterricht in der offiziellen Amtssprache durch Regional- oder Minderheitensprachen ergänzt wird;

f. die Nutzung von Regional- oder Minderheitensprachen in den lokalen und regionalen Medien und im gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben zu unterstützen;

g. Regional- oder Minderheitensprachen durch ein vielfältiges Angebot kultureller Aktivitäten zu fördern, z. B. durch Theateraufführungen, Ausstellungen, Literaturveranstaltungen und Gesangswettbewerbe;

h.grenzüberschreitende Verträge über Sprachunterricht und Schulaustausch zu ermutigen und zu fördern, mit dem Ziel, die grenzüberschreitende wirtschaftliche Zusammenarbeit auszubauen.



[1] Diskussion und Zustimmung durch die Kammer der Regionen am 18. März 2010 und Annahme durch den Kongress am 19. März 2010, 3. Sitzung (siehe Dokument CPR(18)3, Begründungstext), Berichterstatter : KH. Lambertz, Belgien (R, SOZ) und F. Mukhametshin, Russische Föderation (R, ULDG)).