Entschliessung 160 (2003)1 betreffend Lokale Partnerschaften zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt in der Schule

Der Kongress, mit Bezug auf den Vorschlag der Kammer der Gemeinden,

1. Hat zur Kenntnis genommen:

a. die Arbeiten der Konferenz "Lokale Partnerschaften zur Prävention und Bekämpfung von Gewalt in der Schule", die vom 2.-4. Dezember 2002 in Strassburg im Rahmen des integrierten Projekts "Antworten auf die Gewalt im Alltag in einer demokratischen Gesellschaft" gemeinsam durch den KGRE, das Direktorat Jugend und Sport und das Direktorat Schulische, ausserschulische und Hochschulbildung organisiert wurde;

b. die zu Ende der Konferenz angenommene und der vorliegenden Entschliessung beigeheftete Schlusserklärung;

c. die Sammlung von Fallstudien, die der Konferenz durch Vertreter der Erziehungsministerien, der Gemeinden und der Schulen von 23 europäischen Ländern vorgelegt wurden;

2. Erinnert an:

- die Europäische Städte-Charta;

- die Empfehlung 17 (1996) des KGRE betreffend die Verantwortung und Initiativen der Städte auf dem Gebiet der Erziehung;

- die Empfehlung 59 (1999) des KGRE betreffend Europa 2000: Beteiligung der Jugend - jugendlliche Bürger;

- die Entschliessung 99 (2000) des KGRE betreffend Kriminalität und Unsicherheit in den Städten Europas: die Rolle der Gemeinden;

- die Entschliessung 116 (2001) des KGRE betreffend den Leitfaden zum Thema: Gemeinden und Verbrechensverhütung in der Stadt;

- die Empfehlung (2002)12 des Ministerkomitees an die Mitgliedstaaten betreffend die Erziehung zu demokratischem Bürgertum;

3. Begrüsst die Tatsache, dass die Organisation dieser Konferenz im Rahmen des durch den Generalsekretär für 2002-2004 eingeleiteten integrierten Projekts es Menschen aus sehr unterschiedlichen Kreisen ermöglicht hat, sich an der Konferenz zu beteiligen: Bildungs- und Jugendministerien, Gemeinde- und Regionalabgeordneten, Vertretern von Jugendbewegungen, NROs, Sozialarbeitern, Forschern, Vertretern der Polizei usw.;

4. Stellt fest:

a. eine Zunahme von Erscheinungen der Gewalt in ganz Europa, die vor den Schulen nicht Halt macht;

b. das Vorkommen einiger besonders tragischer Gewalttaten in Schulen in verschiedenen europäischen Ländern, vor allem aber eine signifikante Zunahme von weniger schweren, aber sich häufig wiederholenden oder sogar alltäglich werdenden Formen von Gewalt;

c. die Existenz eines Spektrums von gewalttätigem Verhalten, das von Belästigung über verbale Agressionen zu Beschädigung von Einrichtungen und Gebäuden bis zu körperlichem Angriff reicht, zu schweigen von rassistischen Taten und Gewalt gegen Mädchen;

d. ein tendenziell in immer frühere Lebensjahre fallender Beginn schulischer Gewalt, sodass nun auch die Jüngsten betroffen sind;

e. erhebliche Besorgnis über das Problem der schulischen Gewalt in allen Ländern Europas, zuweilen auch im Zusammenhang mit einem spezifischen Kontext wie beispielsweise Südosteuropa;

5. Ist der Ansicht, dass die Erscheinungen schulischer Gewalt nicht zu trennen sind von dem Problem der Gewalt in der Stadt schlechthin, zumal die Urheber von Gewalttaten ihre Aktivitäten nicht auf die Schule beschränken;

6. Ist besorgt über die Risiken, die diese schulische Gewalt unseren Gesellschaften insgesamt auferlegt durch:

- eine Verschlechterung des Image der Schule in den Augen von Schülern, Eltern und sogar des Lehrkörpers;

- eine Verschlechterung der Unterrichtsbedingungen, die zu vermehrtem Schulversagen führen kann;

- eine Trivialisierung von gewalttätigen Verhaltensformen, die sich ausserhalb der Schule und später im Erwachsenenleben wiederholen werden;

- eine wahrscheinliche Zunahme der Anzahl junger Menschen mit Integrationsschwierigkeiten in die Gesellschaft aufgrund ihres Verhaltens oder ihrer schlechten Schulleistungen;

7. Ist deshalb der Ansicht, dass schulische Gewalt enorme wirtschaftliche sowie soziale Kosten und viel Leid verursacht und deshalb nach vermehrter Aufmerksamkeit und der Mobilisierung aller gesellschaftlichen Akteure ruft;

8. Ist der Überzeugung, dass sich jede Politik zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt auf folgende Grundprinzipien stützen muss:

a. Die Verhütung von Gewalt in der Schule ist eine zentrale Dimension der Heranbildung zu demokratischer Bürgerlichkeit, was bedeutet: zu Toleranz, interkultureller Beziehungsfähigkeit, Gleichbewertung der Geschlechter, Menschenrechten und friedlichen Konfliktlösungen;

b. Dem Schutz möglicher Opfer und der Hilfeleistung an Gewaltopfer gebührt Priorität;

c. Es müssen langfristige Politiken eingesetzt werden, in denen die präventiven und die reaktiven Massnahmen einander die Waage halten;

d. Die Jugendlichen müssen als die in allererster Linie betroffenen Akteure und zugleich als wesentliche Partner bei jeder Aktion auf diesem Gebiet anerkannt werden;

e. Jede Gewalttat verdient eine rasche, aber gemessene, der Schwere der Tat angemessene Reaktion;

f. Situationen potenzieller Gewalt sind am ehesten im Dialog zu meistern, wobei Schüler und Lehrpersonen ihre Fähigkeiten zur Verhandlung, zum friedlichen Konfliktmanagement und zur Vermittlung zwischen Gleichgestellten entwickeln;

9. Ist - da die tieferen Gründe für die schulische Gewalt grossenteils externer Art sind - überzeugt, dass Antworten darauf nur dann wirksam sein können, wenn die verschiedenen Elemente des Bildungssystems, die Eltern sowie sämtliche Akteure der örtlichen Gemeinschaft partnerschaftlich darin zusammenarbeiten;

10. Ist der Meinung, dass sich solche lokalen Partnerschaften locker entwickeln müssen, ohne dass schwerfällige Strukturen geschaffen werden, damit ein hohes Mass an Reaktionsbereitschaft und eine auf gegenseitige Vertrauensbeziehungen und einen regelmässigen Dialog gestützte Zusammenarbeit entstehen kann;

11. Ist der Überzeugung, dass die Gemeinden in einer Schlüsselposition sind, um leistungsfähige Neuerungen für die Entwicklung solcher lokaler Partnerschaften zu unterstützen oder selber einzuführen und Begegnungen sowie einvernehmliches Handeln zwischen ihren verschiedenen lokalen Behörden, der Zivilgesellschaft, der Arbeitswelt und der örtlichen Gemeinschaft insgesamt anzuregen;

12. Fordert die Gemeinden Europas auf:

a. der Schlusserklärung der Konferenz über "Lokale Partnerschaften zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt in der Schule" besondere Aufmerksamkeit entgegenzubringen;

b. anzuerkennen, dass die Verhütung und Bekämpfung schulischer Gewalt Teil ihrer umfassenden Politik zur Bekämpfung der Unsicherheit in den Städten ist und diesem Ziel den verdienten Vorrang sowie die menschlichen, materiellen und finanziellen Mittel zu widmen, die sie für eine effiziente und dauerhafte Aktion benötigen;

c. sich durch die bei der Konferenz vorgestellten Fallstudien und durch die in der Schlusserklärung vorgeschlagene Sichtweise zu Initiativen für die Schaffung lokaler Partnerschaften anregen zu lassen, wie sie die Erklärung zur Verhütung und Bekämpfung schulischer Gewalt vorschlägt;

d. die Schlusserklärung der Konferenz bei den Dienststellen ihrer Gemeinde verbreitet bekannt zu machen, um eine allgemeine Debatte zu dem Thema zu veranlassen, ein Bewusstwerden und die Entwicklung eines Klimas der Solidarität und der Zusammenarbeit zwischen den Dienststellen sowie eine Mobilisierung aller betroffenen Akteure in der Gemeinde zu bewirken;

e. Initiativen zu entwickeln und diejenigen anderer Akteure zu unterstützen, die bei der örtlichen Gemeinschaft ein Bewusstwerden und die Erkenntnis anstreben, dass die Verhütung von Kriminalität in den Städten einschliesslich der Bekämpfung von Gewalt in den Schulen eine multidisziplinäre und solidarische Aktion aller Sektoren der örtlichen Gemeinschaft und der Bevölkerung insgesamt erfordert;

f. dafür zu sorgen, dass die Jugendlichen gebührend beigezogen werden zu der Festlegung und Einführung von Strategien und Programmen der Verhütung und Bekämpfung schulischer Gewalt und dass sie intensiv herangezogen werden bei der Erarbeitung und Umsetzung von Jugendpolitiken allgemein;

g. ein ganzes Sortiment von einander ergänzenden Aktionen zu entwickeln, die einerseits die sozialen und wirtschaftlichen Gründe für das Aufkommen gewalttäiger Verhaltensweisen bei Jugendlichen anzielen und ihnen andererseits die Möglichkeit bieten, soziale, solidarische und bürgerliche Verhaltensweisen einzuüben;

h. anhand der in der Europäischen Charta für die Beteiligung der Jugend am öffentlichen Leben der Gemeinde und Region enthaltenen Grundsätze und Vorschläge, eine weitergehende Einbeziehung der Jugendlichen in das örtliche Leben allgemein und eine bessere Berücksichtigung ihrer Probleme und Vorschläge zu fördern und von den frühesten Jahren an die Entwicklung ihrer aktiven und solidarischen Bürgerlichkeit, ihre Fähigkeiten, zu argumentieren und ihren Standpunkt zu vertreten, zuzuhören und die Argumente Anderer zu verstehen, Unterschiede zu akzeptieren, Konflikte gewaltlos zu lösen, sich für etwas zu entscheiden, gemeinsam Verantwortung zu übernehmen und zu Anderen konstruktive und unaggressive Beziehungen aufzubauen zu unterstützen;

i. Programme für die Begleitung der Jugendlichen nach Schulschluss, in den öffentlichen Verkehrsmitteln, in den Schulferien, beim Sport und in der Freizeit, besonders in benachteiligten städtischen Gebieten, zu unterstützen;

j. in Partnerschaft mit den Verantwortungsträgern in den Schulen innovative Aktionen zu entwickeln, die die Schulen vermehrt dem örtlichen Leben öffnen;

k. dafür zu sorgen, dass die örtlichen und regionalen Medien gemessen und ausgewogen und nicht nur über Gewalttätigkeiten, sondern auch über positive Initiativen zur Prävention und zur Sensibilisierung der Jugendlichen und der öffentlichen Meinung berichten;

13. Fordert den Kongress und insbesondere den Ausschuss für Erziehung und Kultur der Kammer der Gemeinden auf:

a. die Arbeiten sowie die Schlusserklärung der genannten Konferenz so breit wie möglich bei den Gemeinden und Regionen Europas zu verteilen;

b. sich im Rahmen der Folgearbeiten zum integrierten Projekt Nr. 2 "Antworten auf die Gewalt im Alltag einer demokratischen Gesellschaft" in Zusammenarbeit mit den übrigen Partnern und Co-Organisatoren der Konferenz innerhalb des Europarats zu beteiligen an der Ausarbeitung einer Empfehlung des Ministerkomitees an die Mitgliedstaaten;

c. sich im Rahmen der Folgearbeiten zu dem genannten integrierten Projekt zu beteiligen an der Ausarbeitung einer Sammlung von Erfahrungen und Beispielen guter Praxis im Hinblick auf Strategien zur Verhütung und Bekämpfung schulischer Gewalt;

d. beizutragen zur Fortsetzung des Austauschs von Erfahrungen und der Verbreitung von Beispielen guter Praxis in Europa, insbesondere mithilfe der Entwicklung von Netzen zur Beobachtung von Gewalt im Alltag im Rahmen des integrierten Projekts.

ANHANG

Strassburg, den 4. Dezember 2002

IP2(2002)27 def

Lokale Partnerschaften zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt in der Schule

Europarat
Strassburg (Frankreich)
2.-4. Dezember 2002
Saal 1 (Europagebäude)

Konferenz organisiert durch

Den Kongress der Gemeinden und Regionen Europas

Das Direktorat Jugend und Sport

Das Direktorat Erziehung und Hochschulunterricht

Schlusserklärung

angenommen bei Konferenzende

Diese Konferenz wurde im Rahmen des integrierten Europarat-Projekts "Antworten auf die Gewalt im Alltag in einer demokratischen Gesellschaft" durchgeführt.

1. Die Konferenz "Lokale Partnerschaften zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt in der Schule" wurde vom 2. bis 4. Dezember 2002 am Sitz des Europarats durchgeführt. Sie wurde vom Kongress der Gemeinden und Regionen Europas, dem Direktorat Jugend und Sport und dem Direktorat Erziehung und Hochschulunterricht organisiert. Sie fand im Rahmen des integrierten Projekts (2002-2004) statt, das auf eine Initiative des Generalsekretärs des Europarats hin zum Thema "Antworten auf die Gewalt im Alltag in einer demokratischen Gesellschaft" lanciert worden ist.

2. Es trugen etwa 150 Teilnehmer zur Debatte bei. Sie vertraten Bildungs- und Jugendministerien auf nationaler und lokaler Ebene, Vertreter von Gemeinden und Regionen, von Jugendbewegungen, von Nichtregierungsorganisationen sowie von verschiedenen lokalen Dienststellen weiterer nationaler Ministerien (Innenministerium, Justizministerium usw.).

3. Die Diskussion stützte sich auf eine Anzahl genereller Überlegungen, auf eine Untersuchung der Situation in verschiedenen Ländern oder Regionen Europas sowie auf etwa dreissig Fallstudien.

4. Beim Abschluss der Debatten nahmen die Teilnehmer die vorliegende Schlusserklärung an. Sie enthält die in den Debatten erarbeiteten Schlussfolgerungen sowie eine Reihe von an die anwesenden Akteure gerichteten Empfehlungen.

Gewalt in der Schule

5. Die öffentliche Meinung im allgemeinen und alle betroffenen Akteure sind im Laufe der letzten Jahre besonders stark für das Phänomen der Gewalt in der Schule sensibilisiert worden, dies vor allem auch aufgrund sehr tragischer Vorkommnisse, welche die Medien besonders eifrig aufgriffen haben.

6. Diese tragischen Ereignisse, die glücklicherweise gering an der Zahl blieben, sind in Wahrheit ein besonders deutlicher Ausdruck von weniger schwerer Gewalt, deren Vorkommen schwierig zu beziffern, deren Zunahme aber sehr real ist.

7. Die Zunahme der Erscheinungen von Gewalt kennzeichnet sämtliche europäischen Gesellschaften und macht vor den Schulen nicht Halt. Die Tendenz dazu ist unterschiedlich und betrifft nicht alle sozialen Gruppen in gleicher Weise. Dennoch schwächt sie die Demokratie insgesamt.

8. Wenn darauf auch in angemessener Weise reagiert werden muss, so sollte man dabei doch besonders gemässigt bleiben, um die relative Wichtigkeit dieser Erscheinungen innerhalb des Schullebens der Mitgliedstaaten des Europarats nicht zu übertreiben.

9. Gewalt in der Schule ist kein neues Phänomen, scheint sich aber in ihrem Wesen im Lauf der letzten Jahre stark verändert zu haben aufgrund vor allem der wachsenden Durchlässigkeit der schulischen Welt für die Spannungen und Schwierigkeiten aller Art, welche die Gesellschaft insgesamt und die die Schule umgebende lokale Gemeinschaft insbesondere kennzeichnen.

10. Gewalt in der Schule umfasst ihrem Wesen nach sehr unterschiedliche Erscheinungen, die von unerheblichen Vorfällen bis zu sehr schweren Fällen reichen und angemessen behandelt sein wollen. Dabei sollten die mit der Beziehung der Geschlechter zueinander im Zusammenhang stehenden Aspekte besonders aufmerksam beobachtet werden.

11. Hinsichtlich der Art, des jeweiligen Kontexts und der Gründe der Gewalt in der Schule unterscheiden sich die Mitgliedstaaten sehr stark voneinander. Dennoch bestand ein sehr weitgehender Konsens hinsichtlich der Notwendigkeit, lokale Partnerschaften zu bilden, deren Modalitäten natürlich der je besonderen Situation angepasst sein müssen.

12. Einige Grundzüge sollten vielleicht hervorgehoben werden:

- die Verhütung von Gewalt als eine der zentralen Dimensionen der Erziehung zu demokratischer Bürgerlichkeit konzipieren (Toleranz und interkulturelle Beziehungen, Gleichwertigkeit der Geschlechter, Menschenrechte, friedliches Konflikt-Management, Wertschätzung des Individuums, Gewaltlosigkeit);

- die Jugendlichen als Akteure und ausschlaggebende Partner jeder Aktion in diesem Bereich ansehen;

- mit einer Sensibilisierung aller betroffenen Akteure und einer frühzeitig einsetzenden Prävention Handlungsmöglichkeiten schaffen, noch bevor sich Erscheinungen von Gewalt zeigen;

- sich für den Fall, dass solche Erscheinungen auftreten, Varianten eines raschen, dabei aber besonnenen, Handelns zurechtlegen;

- bei sämtlichen Akteuren die Einsicht fördern, dass ein Handeln notwendig ist, und ihre Bereitschaft dazu stärken;

- den Austausch und das Gespräch auf allen Ebenen der Gemeinschaft, aber auch zwischen den Ebenen, insbesondere auch unter Einbezug der europäischen Ebene, fördern;

- dem Schutz und der Betreuung von Opfern Vorrang geben;

- die Familien bei der Ausübung ihrer Rolle als Erzieher unterstützen.

Warum Partnerschaften ?

13. Da die tieferen Gründe für die Gewalt in der Schule zum Teil auf ausserschulische Erscheinungen zurückzuführen sind, sollte jede Aktion, besonders wenn sie der Verhütung dienen soll, nicht nur die verschiedenen Elemente des Bildungssystems, sondern auch sämtliche Akteure der lokalen Gemeinschaft vereinigen.

14. Somit ist die Entwicklung von Partnerschaften eine kurz- mittel- und langfristige Voraussetzung für eine wirksame Prävention, deren Mehrwert gegenüber noch so verdienstvollen Aktionen vonseiten jeweils einzelner Akteure augenfällig ist.

15. Gewalt verursacht enorme soziale Kosten, die nach einer Prävention rufen, welche derartige Akte deutlich reduziert.

16. Das Partnerschaftsprinzip stellt zwar die Zuständigkeiten und spezifischen Verhaltensregeln der einzelnen Akteure nicht notwendig in Frage, verlangt aber doch eine Öffnung von Abkapselungen und die Aufnahme von Querbeziehungen zwischen den betroffenen Akteuren oder Dienststellen.

17. Allgemein gesprochen ist das Konzept der Partnerschaft zur Verhütung von Gewalt zentral für eine jede Aktion dieser Zielrichtung im Kontext der Demokratie und der Grundwerte, deren Pflege die Mitgliedstaaten des Europarats vereint. So gesehen leistet die Entwicklung von Partnerschaften einen Beitrag an das harmonische Funktionieren der demokratischen Institutionen.

Wer sind die Partner ?

18. Man muss sich selbstverständlich der sehr grossen Unterschiede bewusst bleiben, welche die diversen nationalen, regionalen und lokalen Situationen aufweisen; doch lässt sich denken, dass folgende Partner sich, in jeweils unterschiedlicher Weise und Intensität, beteiligen würden:

- die Schulen mit allen ihren Komponenten, insbesondere den Lehrenden und ihren Vertretern, den Verwaltungs- und Leitungsorganen, den sozialen und medizinischen Diensten sowie dem gesamten nichtlehrenden Personal. Besondere Aufmerksamkeit sollte der Rolle der Schüler, auch der sehr jungen Schüler, sowie der Eltern und ihrer Vertreter gewidmet werden;

- die Gemeinden und Regionen und deren verschiedene, vor allem in der allgemeinen Prävention tätige Dienststellen wie die Sozialdienste, die Polizeidienste, die Stellen für Raumordnung, diejenigen für kulturelle Aktionen usw.;

- alle formellen sowie informellen Jugendvereinigungen;

- die Vertreter der Zivilgesellschaft, insbesondere die mit kultureller Tätigkeit, informeller Bildung oder der Prävention von Gewalt bei gewissen Personengruppen oder an gewissen Orten befassten Nichtregierungsorganisationen sowie die Religionsgemeinschaften;

- die sozialen, wirtschaftlichen und politischen Kreise allgemein;

- die, insbesondere lokalen und regionalen, Medien;

- Vertreter der akademischen oder der spezifischen Strukturen zugehörigen Sozialforschung;

- die mit Bildungs-, Jugend-, Kultur-, Sozial-, Wirtschafts-, Gesundheitspolitik, mit Politiken des Justizwesens und der Aufrechterhaltung der Ordnung, der Raumordnung und der Städte befassten zentralstaatlichen Behörden und insbesondere deren dezentralisierte Dienststellen auf lokaler Ebene.

Bei der Ausarbeitung lokaler Strategien für die Sensibilisierung, die Prävention und für angemessene Reaktionen zu berücksichtigende Faktoren

19. Während die Beobachtungen zeigen, dass Initiativen zur Suche nach Strategien allzu oft erst in Reaktion auf sichtbar in Erscheinung getretene Gewalt ergriffen worden sind, sollten von nun an Initiativen zur Verhütung von Gewalt schon dann ergriffen werden, wenn weder ernsthafte noch auch subtilere, aber häufige Vorkommnisse vorliegen.

20. Es muss unterstrichen werden, dass jede Strategie auf diesem Gebiet darin bestehen muss, einen sich allmählich entwickelnden Prozess in Gang zu setzen statt formelle Strukturen zu schaffen, auch wenn diese natürlich notwendig wären. Solche Strategien müssen entsprechend langfristig angelegt sein.

21. Eine Evaluation des schulischen Klimas und des Klimas der örtlichen Gemeinschaft insgesamt ist hierfür unentbehrlich. Alle Partner gemeinsam sollten eine solche Beurteilung vornehmen, um die in der örtlichen Gemeinschaft vorhandenen Keime einer möglichen Entwicklung von Gewalttaten pragmatisch, aber umfassend festzustellen.

22. Es empfiehlt sich, ein Frühwarnungssystem - eine Reihe von Indikatoren für die Erfassung solcher Keime sogleich bei ihrem Entstehen - einzurichten.

23. Es müssten Foren für die gegenseitige Information, die Sensibilisierung, die Festlegung gemeinsamer Ziele, die Evaluation und Beobachtung der Lage geschaffen werden. Dabei ist allerdings die Wahrung von Flexibilität wichtig, um sich rasch an Veränderungen des lokalen Kontexts oder der anstehenden Probleme anpassen zu können.

24. Wenn ein möglicherweise das Entstehen von Gewalt förderndes Phänomen oder bereits reale Gewalttätigkeiten erfolgt sind, ist eine rasche Reaktion angezeigt, insbesondere:

- Unterstützung potenzieller oder bereits nachgewiesener Opfer, die insbesondere zum Berichten ermutigt und zum Wiederlangen eines persönlichen Gleichgewichts gebracht werden müssen;

- ein Rückruf zur Ordnung für die Urheber von Gewalttaten sowie eine gemessene, aber angemessene Bestrafung, die insbesondere eine Wiedergutmachung, eine Bewusstwerdung und erzieherische Massnahmen umfasst;

- eine Aktion, welche die Gründe angeht, die dem Auftreten der Gewalt zugrundeliegen, wobei hinsichtlich dieser Frage die Rolle der örtlichen Gemeinschaft als ganzer besonders wichtig ist.

25. Bei der Umsetzung jeder Präventionsstrategie ist ein klares Vorgehen und die Festlegung der Rolle und Verantwortung jedes einzelnen sowie der Gemeinschaft als ganzer nötig. Jede Präventionsstrategie sollte im Rahmen eines demokratischen Dialogs umgesetzt werden, der die kulturelle, ökonomische und soziologische Besonderheit jedes Akteurs respektiert, und es ist eine klare Koordination aller Aktionen vonnöten, um eine Bürokratisierung oder allfällige Interessenkonflikte zu vermeiden. Eine Ausbildung der Akteure sollte in diesem Prozess mitenthalten sein.

26. Im Zentrum jeder Präventionsstrategie steht die Entwicklung von Vermittlungsverfahren. Jeder beteiligte Akteur kann zu einem gegebenen Zeitpunkt zum Vermittler werden; dessen ungeachtet wäre es aber häufig von Nutzen, wenn eine Struktur oder spezielle Personen, auch Jugendliche, dazu bestimmt würden, zuzuhören und im Sinne einer Vermittlung tätig zu werden.

DIE TEILNEHMER WÜNSCHTEN ZUM ABSCHLUSS DER DEBATTEN FOLGENDE EMPFEHLUNGEN ABZUGEBEN:

An die Mitgliedstaaten des Europarats und des Europäischen Kulturabkommens:

- alle Massnahmen auf nationaler Ebene ergreifen, die geeignet sind, die Entwicklung von lokalen Partnerschaften zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt in der Schule zu fördern, dies insbesondere durch die Annahme eines legislativen Rahmens, der Bedingungen schafft, die eine solche Entwicklung begünstigen und ihr Anerkennung sichern;

- besondere Aufmerksamkeit der Herstellung eines Kontextes zu widmen, der die Entwicklung von Präventionstätigkeiten langfristig fördert;

- die für die Einrichtung und das Funktionieren lokaler Partnerschaften insgesamt oder partiell benötigten Haushaltsmassnahmen treffen;

- die einschlägigen Ministerien und Behörden auf nationaler, regionaler oder lokaler Ebene auffordern, sich konstruktiv an den lokalen Partnerschaften zu beteiligen;

- auf zentralstaatlicher Ebene Organe für die Überwachung der gesamtstaatlichen Situation und für die Unterstützung lokaler Partnerschaften einrichten;

- auf interdisziplinärer Grundlage die Verhütung von Gewalt in der Schule in die Erstausbildung und die Weiterbildung des Lehrpersonals aufnehmen;

- den Einfluss der Medien auf die Erscheinungen von Gewalt bei der Jugend besonders aufmerksam beobachten;

- den Erfahrungs- und Informationsaustausch und die Verbreitung von Beispielen guter Praxis fördern.

An die Gemeinden und Regionen:

- die Prävention von Gewalt in den Schulen in ihre allgemeine Prävention von alltäglicher Gewalt aufnehmen;

- ihre verschiedenen Dienststellen auffordern, zu der Bildung von Strategien zur Verhütung schulischer Gewalt beizutragen;

- die Entwicklung von Präventionsstrategien materiell und finanziell, sowie wenn möglich aufgrund eines mehrjährigen Vertrages, unterstützen;

- Jugendpolitiken einschliesslich der Konsultation und Beteiligung der Jugend am demokratischen Leben der Gemeinde und Region einführen;

- den Erfahrungs- und Informationsaustausch und die Verbreitung von Beispielen guter Praxis fördern.

An die Schulen:

- ihre impulsgebende Rolle auch und vor allem schon vor dem Aufkommen von Erscheinungen der Gewalt wahrnehmen, insbesondere durch die Aufnahme von Gewaltverhütung in geeigneter Form in die Curricula;

- sich ganz besonders für die Schaffung eines guten Schulklimas einsetzen, indem sie auf eine Öffnung der Rolle und Funktionen der verschiedenen innerschulischen Akteure hinwirken;

- die Öffnung ihrer Schule für das Leben der sie umgebenden Gemeinschaft anregen;

- ein demokratisches Funktionieren ihrer Schule gewährleisten, das den Schülern und ihren Eltern die ihnen gebührende Wertschätzung entgegenbringt.

An die Jugendorganisationen:

- ihre Erfahrung und Praxis in die Präventivaktionen einbringen;

- zusammen mit den übrigen Partnern am Ort Aktionen zur Ausbildung und Sensibilisierung für die Prävention fördern;

- sich für die lokale Entwicklung von Jugendpolitiken, auch für die Jüngsten, einsetzen.

An die lokalen und regionalen Medien:

- nicht nur möglichst massvoll über Erscheinungen der Gewalt berichten, sondern bedenken, dass auch jede positive Initiative zur Verhütung und Sensibilisierung es verdient, der öffentlichen Meinung zur Kenntnis gebracht zu werden;

- beizutragen zur Bildung der Schüler, der Lehrpersonen, der Eltern und aller Angehörigen des Erziehungswesens hinsichtlich der Medien und der Ethik;

Dem Europarat:

die im Umfeld dieser Konferenz begonnenen Arbeiten fortsetzen, insbesondere durch:

- die Veröffentlichung und breite Verteilung des Konferenzberichts und der vorliegenden Schlusserklärung;

- die rasche Herstellung eines Handbuchs betreffend die Umsetzung von Strategien zur Verhütung schulischer Gewalt, das sich auf die obenstehenden Schlussfolgerungen stützt und eine Reihe von Beispielen guter Praxis enthält;

- die Fertigstellung der Ausbildungsmoduln für die Akteure, vor allem für die Lehrerschaft, die Jugendbetreuer, die Eltern und die verschiedenen übrigen lokalen Akteure;

- die Ausarbeitung durch die drei diese Konferenz organisierenden Organe eines Empfehlungsentwurfs zuhanden des Ministerkomitees betreffend Partnerschaften für die Verhütung schulischer Gewalt ;

- die Aufnahme der spezifisch die Prävention schulischer Gewalt betreffenden Aspekte in die das integrierte Projekt "Antworten auf die Gewalt im Alltag in einer demokratischen Gesellschaft" beendenden allgemeinen Schlussfolgerungen insbesondere im Hinblick auf die Umsetzung allgemeiner Präventionspolitiken;

- die Berücksichtigung der schulischen Dimension bei der im Rahmen des integrierten Projekts vorgesehenen Entwicklung von Netzen zur Beobachtung von Gewalt im Alltag;

- die Weiterführung der die Medien und die Gewalt betreffenden Arbeiten insbesondere hinsichtlich der an die Jugend gerichteten Medieninhalte (Medienerziehung, Ethik-Kodizes, Wirkung der Medien auf das Verhalten usw.);

- die Organisation spezifischer Tätigkeiten auf diesem Gebiet unter Berücksichtigung der Besonderheiten einzelner Länder oder Regionen (insbesondere Südosteuropa);

- die Stärkung der Arbeitsbeziehungen zu den übrigen internationalen Organisationen (z.B. UNESCO und UNICEF) im Hinblick auf die Entwicklung der Synergien insbesondere für die Verbreitung von Beispielen guter Praxis und für die Untersuchung der Gründe für Gewalt in der Schule.

1 Diskussion und Zustimmung durch die Kammer der Gemeinden am 21. Mai 2003 und Annahme durch den Ständigen Ausschuss des Kongresses am 22. Mai 2003, (siehe Dok. CPL (10) 6, Entschliessungsentwurf, vorgelegt durch Frau B. Fäldt, Berichterstatterin)