15. TAGUNG

HERBSTSITZUNG
(Straßburg, 2. – 3. Dezember 2008)

Lokale Demokratie in Belgien:
Nichternennung von drei Bürgermeistern durch die flämischen Behörden

Empfehlung 258 (2008)[1]


Der Kongress, in Reaktion auf den Vorschlag seiner Kammer der Gemeinden;

1. Verweist auf Artikel 2, Absatz 1.b. der Statuarischen Entschließung (2000) in Bezug auf den Kongress der Gemeinden und Regionen Europas, der besagt, dass eines der Ziele des Kongresses sei, „dem Ministerkomitee Vorschläge einzureichen, um die lokale und regionale Demokratie zu fördern“, und auf Artikel 2-3 der Statuarischen Entschließung (2207)6 des Ministerkomitees;

2. Nimmt Bezug auf den Informationsbericht über die Erkundungsmission in Belgien zur Feststellung der tatsächlichen Lage im Hinblick auf die Nichternennung von drei Bürgermeistern durch die flämischen Behörden (13. und 14. Mai 2008, CPL(15)8REP); verfasst von Michel GUEGAN (Frankreich), Mitglied des Ausschusses für institutionelle Fragen der Kammer der Gemeinden des Kongresses und Dobrica MILOVANOVIC (Serbien), stellvertretendes Mitglied des Ausschusses für institutionelle Fragen der Kammer der Regionen des Kongresses;

3. Der Dank geht an die Regierungs- und parlamentarischen Stellen, die regionalen und kommunalen gewählten Vertreter Belgiens, die Städte- und Gemeindeverbände in Belgien und die involvierten Wissenschaftler und Sachverständigen für ihre vorgelegten Informationen und ihre Stellungnahmen bei den Sitzungen mit der Delegation;

4. In Anbetracht dessen, dass Belgien die Europäische Charta der lokalen Selbstverwaltung am 24. August 2004 mit Wirkung vom 1. Dezember 2004 unterzeichnet hat und dass es Vorbehalte in Bezug auf Artikel 3, Absatz 2, Artikel 8, Absatz 2 und Artikel 9, Absätze 2, 6 und 7 vorgebracht hat;

5. Unter Berücksichtigung der Empfehlung 131 (2003) des Kongresses über lokale Demokratie in Belgien;

6. Verweist auf die folgenden Probleme in Bezug auf das Funktionieren der lokalen Demokratie in Belgien:

a das Versäumnis der flämischen Behörden, drei gewählte Bürgermeister innerhalb eines angemessenen Zeitrahmens zu ernennen, hat die ordnungsgemäße Verwaltung öffentlicher Angelegenheiten gestört;

b. die belgischen Sprachgesetze, in ihrer Auslegung und Anwendung seitens der flämischen Regierung in den Gemeinden mit so genannten Sonderabmachungen, erschweren es französischsprachigen belgischen Staatsbürgern, sich in lokale Angelegenheiten einzubringen. Diese Situation ist mit dem Geist der Charta, die von Belgien ratifiziert wurde, unvereinbar, und insbesondere mit der Erwägung 5 der Präambel, die darauf hinweist, dass die Partizipation der Bürger ein grundlegendes Prinzip der lokalen Demokratie ist;

c. die Weigerung, in Form einer Abstrafung drei Bürgermeister zu ernennen, ist angesichts der Tatsache, dass keine Disziplinarverfahren gegen die drei Bürgermeister eingeleitet wurden, unverhältnismäßig. Diese Situation ist mit Artikel 8, Absatz 3 der Europäischen Charta der lokalen Selbstverwaltung unvereinbar;

d. die Aufsicht über die lokalen Behörden seitens der flämischen Behörden, insbesondere die Ernennung von gewählten Bürgermeistern durch die Regierung, ist mit dem allgemeinen Geist der Charta, insbesondere mit der Präambel und Artikel 4 und 8 der Charta unvereinbar;

e. Empfehlung 131 (2003) des Kongresses, die besagt, dass die belgischen Behörden ein System verabschieden, bei dem Bürgermeister nicht durch die Regierung ernannt, sondern durch die Bevölkerung oder den Stadtrat gewählt werden, wurde bisher weder in der flämischen Region noch in der Brüssel-Hauptstadtregion implementiert.


7. Empfiehlt der belgischen Regierung:

a. den flämischen Innenminister zu bitten, ohne weitere Verzögerung die drei Bürgermeister zu ernennen, deren Listen gewählt wurden, um die Störung der Verwaltung der öffentlichen Angelegenheiten zu beenden;

b. die Sprachgesetze zu prüfen und insbesondere die Art und Weise, in der diese in den Gemeinden mit so genannter Sondervereinbarung angewandt werden; sowohl Französisch als auch Niederländisch durch die Stadträte und den Bürgermeister und die Gemeinderäte bei den Sitzungen des Stadtrats zu gestatten;

c. ein System zur Wahl der Bürgermeister durch den Stadtrat oder durch die Bürger zu fördern, das die Kontrolle der regionalen Stellen über die Gemeinden verringern und die Einhaltung der relevanten Bestimmungen der Empfehlung 131 (2003) des Kongressen sicherstellen würde;

d. die Vorbehalte neu zu bedenken, die Belgien im Hinblick auf Artikel 3, Absatz 2, Artikel 8, Absatz 2 und Artikel 9, Absätze 2, 6 und 7 vorgebracht hat, und auf diesem Wege zu gewährleisten, alle Bestimmungen der Europäischen Charta der lokalen Selbstverwaltung einzuhalten;

8. Empfiehlt dem Ministerkomitee, diese Empfehlung der belgischen Regierung zu übermitteln;

9. Empfiehlt der Parlamentarischen Versammlung, der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) und dem Menschenrechtskommissar die oben aufgeführten Beobachtungen und Empfehlungen bei der Beurteilung zu berücksichtigen, ob Belgien seinen Verpflichtungen nachgekommen ist.



[1] Diskussion und Zustimmung durch den Ständigen Ausschuss der Kammer der Gemeiden am 2. Dezember 2008 und Annahme durch den Ständigen Auschuss des Kongresses am 3. Dezember 2008 (siehe Dokument CPL(15)8REC, Empfehlungsentwurf vorgelegt durch M. Guégan (Frankreich, L, NR) und D. Milanovic (Serbien, L, NR) Berichterstatter).