Empfehlung 154 (2004)1 zur Bekämpfung der großen Armut in den Städten: die Rolle der Gemeinden

Der Kongress, gestützt auf den Vorschlag der Kammer der Gemeinden,

1. Nach Prüfung und in Anlehnung an den Bericht über die Rolle der Gemeinden bei der Bekämpfung der großen Armut in den Städten, der auf einem Fragebogen basiert, der an mehrere tausend Gemeinden der Mitgliedstaaten des Europarates geschickt wurde;

2. Unter Verweis insbesondere auf Entschließung 243 (1993) des KGRE über Bürgerrechte und große Armut: Erklärung von Charleroi

3. Eingedenk:

a. der Empfehlung (2003)19 des Ministerkomitees an die Mitgliedstaaten bezüglich der Verbesserung des Zugangs zu den Sozialrechten, insbesondere der Artikel 9, 10, 14 al. 3, sowie der Anstriche 6-7-9 -12 -13 -15 -27 und 37 des Anhangs der Empfehlung;

b. der Empfehlung R (93) 1 des Ministerkomitees an die Mitgliedstaaten über den effektiven Zugang zu Recht und Gerechtigkeit für Menschen, die in großer Armut leben;

c. des Berichtes des Ausschusses für Sozialordnung, Gesundheit und Familienangelegenheiten der Parlamentarischen Versammlung (Dok. 7981 (1998)) bezüglich der Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung und der Stärkung des sozialen Zusammenhalts in Europa;

d. der Empfehlung 1196 (1992) der Parlamentarischen Versammlung bezüglich der extremen Armut und sozialen Ausgrenzung: Auf dem Wege zu einem garantierten Mindesteinkommen;

e. der revidierten Europäischen Sozialcharta, insbesondere Artikel 30, in dem das Recht jeder Person auf Schutz vor Armut und sozialer Ausgrenzung anerkannt wird;

4. In der Erwägung, dass:

a. die kommunalen Gebietskörperschaften, insbesondere die großen und mittleren Städte, direkt unter dem Phänomen der großen Armut leiden;

b. die Gemeinden sich oft am Kampf gegen die große Armut in den Städten zusammen mit privaten, sozialen, insbesondere karitativen Vereinen und Organisationen beteiligen, aber auch in einigen Fällen auf die Unterstützung des privaten Sektors zählen können;

c. die meisten Maßnahmen für alleinstehende Frauen, Langzeitarbeitslose oder Personen mit zu niedrigem Einkommen durchgeführt werden sowie für die Kinder dieser Familien, Migranten, Ausgegrenzte oder ältere Menschen ohne Rente;

5. Ist jedoch der Auffassung, dass:

a. zahlreiche kommunale Gebietskörperschaften in Europa, die mit dem Problem der großen Armut in den Städten konfrontiert sind, nicht die Möglichkeiten oder Mittel besitzen, ohne staatliche Beihilfen Maßnahmen in diesem Bereich zu ergreifen;

b. die Maßnahmen der Gemeinden sich oft auf Dringlichkeitsmaßnahmen beschränken wie zum Beispiel Verteilung von Nahrungsmitteln und vorübergehende Unterbringung oft zu Lasten einer längerfristigen Politik;

c. die Effizienz der Gemeindepolitik bei der Bekämpfung der großen Armut in den Städten besonders durch eine mangelnde Koordination und fehlende Begleitmaßnahmen sowie unzureichende Informationen gemindert wird;

d. die Städte sich auf bestehende Praktiken in anderen Gemeinden stützen können und dadurch Zeit und Energie sparen können, wodurch Fehler vermieden werden können;

6. Empfiehlt den Mitgliedstaaten des Europarates:

a. den kommunalen Gebietskörperschaften die notwendigen spezifischen Finanzbeihilfen zukommen zu lassen, um augenblicklich die Leiden der Menschen zu lindern, die für ihre Existenzbedürfnisse nicht selbst aufkommen können;

b. abgesehen von den makro-ökonomischen Maßnahmen zur Beschäftigung der sozial schwachen Gruppen auch die wirtschaftliche Wiedereingliederung (auch „Drittsektor“ oder „Sozialwirtschaft“ genannt) auszubauen, die einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung der großen Armut leistet;

c. der Frage der Unterkunft besondere Aufmerksamkeit zu schenken, da diese nicht nur für die soziale oder berufliche Wiedereingliederung wichtig, sondern sogar lebenswichtig ist. Insbesondere die Zwangsräumung in all ihren Formen ist mit Hilfe der entsprechenden Gesetzgebung und Vorschriften zu verhindern, sowie die Zahl der Sozialwohnungen in den großen Städten aber auch im ländlichen Raum zu erhöhen, um die Abwanderung in die Stadtzentren zu vermeiden;

7. Empfiehlt dem Ministerkomitee des Europarates:

a. die Mitgliedstaaten des Europarates aufzufordern, sich durch das „Recht auf Schutz vor Armut und sozialer Ausgrenzung“ verbunden zu fühlen, indem Artikel 30 der revidierten Sozialcharta in Teil III, Art. A al b integriert wird;

b. in der Folge die Mitgliedstaaten gemeinsam mit den Gemeinden aufzufordern, nationale Strategien zur Verringerung der großen Armut in den Städten auszuarbeiten, die Maßnahmen zur Förderung des effektiven Zugangs zu Beschäftigung, Wohnung, Ausbildung, Erziehung, Kultur, Sozialhilfe und medizinische Versorgung von Personen beinhalten, die oder deren Familien sozial ausgegrenzt oder arm sind oder es werden könnten;

c. die große Armut in den Städten auf die Tagesordnung der 3. Gipfelkonferenz der Staats- und Regierungschefs des Europarates zu setzen, bei der hierzu ein Aktionsplan geprüft werden könnte;

8. Empfiehlt dem Verbindungsausschuss der INRO, die über einen partizipativen Status im Europarat verfügen:

a. die nationalen und internationalen Organisationen des Verbandssektors, die im Kampf gegen die große Armut aktiv sind, zu ermutigen, ihre Bemühungen und Aktionen vor Ort, insbesondere zusammen mit den Gemeinden und Regionen fortzusetzen;

b. die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, ein internes Monitoring einzurichten, um die positiven Auswirkungen der vor Ort durchgeführten Aktionen zu bewerten.

1 Diskussion und Zustimmung durch die Kammer der Gemeinden am 26. Mai 2004 und Annahme durch den Ständigen Ausschuss des Kongresses am 27. Mai 2004 (siehe Dok. CPL (11) 5, Empfehlungsentwurf vorgelegt durch E. Tobler (Schweiz, L, NI)