18. TAGUNG

Straßburg, 17.-19. März 2010

Kommunalwahlen in Aserbaidschan (23. Dezember 2009)

Empfehlung 284 (2010)[1]

1. Der Kongress der Gemeinden und Regionen Europas verweist auf:

a. die Statutarische Entschließung (2000)1 des Ministerkomitees betreffend den Kongress der Gemeinden und Regionen Europas;

b. die in der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung geäußerten Prinzipien, die von Aserbaidschan am 15. April 2002 ratifiziert wurde und in diesem Land am 1. August 2002 in Kraft trat;

c. Entschließung 151(2003) über die lokale und regionale Demokratie in Aserbaidschan;

d. vorausgegangene Berichte über beobachtete Wahlen in Aserbaidschan, vor allem den Bericht über die Kommunalwahlen vom 17. Dezember 2004, und die Empfehlung 206(2006) über die teilweise Wiederholung der Kommunalwahlen in Aserbaidschan (beobachtet am 6. Oktober 2006).

2. Der Kongress unterstreicht seine spezifische Rolle bei der Beobachtung von Kommunal- und Regionalwahlen in den Mitgliedstaaten des Europarats.

3. Der Kongress:

a. ist sich der positiven Entwicklungen im Hinblick auf die technische Organisation der Wahlen am 23. Dezember 2009 bewusst und hat einen wesentlichen Fortschritt festgestellt, insbesondere im Vergleich zu den vorausgegangenen Kommunalwahlen im Oktober 2006. Der Kongress berücksichtigt des Weiteren, dass die Wahlen in einer ruhigen Atmosphäre stattfanden und dass die grundlegenden Gegebenheiten gut vorbereitet wurden;

b. betrachtet es im Vergleich zu vorausgegangenen Wahlen als Fortschritt, dass wesentlich mehr Frauen (26,5%) und junge Menschen (27,6%) unter den Gemeindevertretern sind, die bei den am 23. Dezember 2009 durchgeführten Kommunalwahlen gewählt wurden, was ein Zeichen für eine sehr aktive Beteiligung von Frauen und jungen Menschen am öffentlichen politischen Leben des Landes spricht.


4. Der Kongress:

a. begrüßt die sichtbaren Verbesserungen der letzten Jahre bezüglich der wirtschaftlichen Stabilität des Landes;

b. nimmt des Weiteren in gebührender Weise Kenntnis von der Entscheidung der zentralen Wahlkommission, die Ergebnisse aus 33 Wahllokalen in 9 Kommunen für ungültig zu erklären, um die Mängel zu untersuchen, die bei der Wahl aufgetreten sind. Außerdem wurden 18 Wahlkreis- und 2 Wahlkommissionen aufgelöst und die Vorsitzenden der 2 Wahlkommissionen wurden entlassen. Auch der Leiter der Verwaltung in einem Distrikt wurde aufgrund seines Eingreifens in den Wahlprozess entlassen.

5. Allerdings stellt der Kongress mit Bedauern fest, dass:

a. trotz mehrfacher Aufforderung Aserbaidschan immer noch die Empfehlung des Kongresses über die Schaffung eines Stadtrates und die Wahl eines Bürgermeisters von Baku erfüllen muss (wie in Artikel 3 der Europäischen Charta der lokalen Selbstverwaltung festgelegt);

b. die allgemeine politische Situation in Aserbaidschan, die durch ein Fehlen einer wahrhaft pluralistischen Parteienlandschaft geprägt ist, wenig Raum für die Opposition lässt, was sich am Wahltag zeigte, an dem es kaum echte Oppositionskandidaten gab;

c. es nur wenige Anzeichen für eine lebhafte Wahlkampagne gab und die Medien, insbesondere das Fernsehen, hauptsächlich das Bild eines Einparteiensystems in Aserbaidschan vermittelte, in dem Wahlen keine große Rolle spielten;

d. der kaum vorhandene Wahlkampf, in den Straßen und im Fernsehen, das Fehlen einer wahrhaft pluralistischen Parteienlandschaft und das Fehlen eines echten Systems der lokalen Selbstverwaltung zu einer geringen Wahlbeteiligung führten; der Kongress hält diese geringe Wahlbeteiligung für ein Alarmzeichen;

e. einige Gebäude, die als Wahllokale dienten, schwer zugänglich für Personen mit Behinderungen und ältere Menschen waren.

6. Außerdem ist der Kongress besorgt im Hinblick auf die Lesbarkeit der Wahlzettel, das Zählungssystem für Wahlberechtigte, die Rolle und den Ursprung der inländischen Wahlbeobachter und insbesondere im Hinblick auf Zwischenfälle, die sich in einigen Wahllokalen während der Stimmauszählung ereigneten und die Anlass geben, den ordnungsgemäßen Ablauf der Wahlen vom 23. Dezember 2009 ernsthaft in Zweifel zu ziehen.

7. Der Kongress ist im Hinblick auf die politischen Machtverhältnisse, Zuständigkeiten und finanziellen Mittel der Gemeinden nach wie vor über den Zustand der territorialen Demokratie in Aserbaidschan besorgt. Dies lässt den Behörden Raum für Verbesserungen.

8. In Berücksichtigung der vorstehenden Anmerkungen fordert der Kongress die aserbaidschanischen Behörden auf, alle notwendigen Schritte zu unternehmen:

a. um Instrumente einzuführen, welche die Transparenz hinsichtlich der Wahlbeteiligung und Stimmauszählung[2] stärken, und um das System für die Überwachung der Stimmabgabe zu überarbeiten;

b. um durch das Einführen von Maßnahmen die Rolle der inländischen Beobachter klar zu definieren und konkret die Personen zu benennen, die während der Stimmabgabe und der Auszählung anwesend sein dürfen;

c. um den Pluralismus in den Medien zu verbessern, insbesondere im Hinblick auf Fernsehen und Radio, und rechtliche Bedingungen zu schaffen, in denen alle Journalisten und Medien frei und ohne Einschüchterung oder Bedrohung arbeiten können;

d. um die Verbote von Radiosendern aufzuheben und verhaftete Journalisten freizulassen;

e. um die Regelungen für die Zuweisung freier Sendezeit im Fernsehen und im Radio für Wahlwerbung bei Kommunalwahlen zu ändern (wie im Wahlgesetz von Aserbaidschan vorgesehen), um so Wahldebatten unter Teilnahme von Oppositionsvertretern zu ermöglichen;

f. um die Regelung abzuschaffen, die besagt, dass die Kandidaten politischer Parteien in mehr als der Hälfte aller Gemeinden registriert sein müssen, um kostenlose Sendezeit zu erhalten;

g. um, allgemeiner gesprochen, die Situation hinsichtlich der Verpflichtungen zu prüfen, die im Hinblick auf die Europäische Charta der lokalen Selbstverwaltung eingegangen wurden, insbesondere im Hinblick auf die Änderung der Gesetzgebung, um die Wahl des Bürgermeisters von Baku zu ermöglichen und die finanzielle Autonomie der Gemeinden in Aserbaidschan zu stärken.



[1]  Diskussion und Zustimmung durch die Kammer der Gemeinden am 18. März 2010 und Annahme durch den Kongress am 19 März 2010, 3. Sitzung (siehe Dokument CPL(18)2, Begründungstext), Berichterstatter : F. LEC, Frankreich (L, SOZ))

[2] (z. B. durch eine verbesserte Lesbarkeit der Stimmzettel, indem man separate Angaben der Stimmen für die Kandidaten verschiedener Parteien vorlegt)