15. TAGUNG

HERBSTSITZUNG
(Straßburg, 2. – 3. Dezember 2008)

Kommunalwahlen in Armenien

(beobachtet am 28. September 2008)

Empfehlung 255 (2008)[1]


Der Kongress,

1. Verweist auf:

a. die Statutarische Entschließung (2000) 1 des Ministerkomitees des Kongresses der Gemeinden und Regionen Europas;

b. die Grundsätze, die in der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung festgelegt sind und die von Armenien am 25. Januar 2002 ratifiziert und in diesem Land am 1. Mai 2002 in Kraft traten;

c. die Entschließung 167 (2003) über die lokale Demokratie in Armenien, die vom Ständigen Ausschuss des Kongresses am 26. November 2003 verabschiedet wurde;

d. seinen Bericht über die Kommunalwahlen, die am 25. September und 16. Oktober 2005 in Armenien stattfanden (Berichterstatter: Sean O’Brien (Irland, L)), am 9. November 2005 durch den Ständigen Ausschuss des Kongresses verabschiedet;

2. Unterstreicht seine Rolle bei der Wahlbeobachtung, insbesondere von Regional- und Kommunalwahlen;

3. Ist zufrieden mit dem Grundsatz eines Gesetzes über die Gemeinde Yerevan, das in erster Lesung im armenischen Parlament behandelt wurde, und  nach dem der Bürgermeister nicht mehr länger vom Präsidenten der Republik ernannt oder abgesetzt werden kann, wie nach aktueller Rechtslage, sondern durch die Ratsmitglieder gewählt würde. Der Kongress fordert die Vereinbarkeit dieses Gesetzes mit den diversen Stellungnahmen seitens des Europarates und die baldmöglichste Abstimmung über dieses Gesetz sowie das Inkrafttreten desselben bis spätestens Dezember 2009;

4. Bemerkt nichtsdestotrotz:

a. dass die durch die tragischen Ereignisse vom März 2008 verursachten Spannungen weiter anhalten und sich diametral zu der Atmosphäre verhalten, die für eine normale Durchführung von Kommunalwahlen erforderlich wäre. Insbesondere besteht weiterhin Unklarheit über die Anzahl und das Schicksal von Personen, die nach den Ereignissen inhaftiert wurden.  Außerdem erhielten die Zwischenfälle, die während der Kommunalwahlen am 7. September auftraten, die gespannte Atmosphäre aufrecht;

b. dass die sukzessive Abhaltung mehrerer kommunaler Nachwahlen zur Besetzung von Ämtern von Ratsmitgliedern und Gemeindevorstehern für Verwirrung sorgte und für ein mangelndes Interesse bei den Wählern, was zur Unterminierung der aktiven öffentlichen Beteiligung am Aufbau des demokratischen Prozesses führte. Außerdem schienen die Kommunalwahlen in vier Bezirken der Stadt keine tatsächliche Signifikanz zu haben, da gemäß geltendem Recht neue Wahlen für den Stadtrat von Yerevan in einem Jahr durchgeführt werden müssen;

c. dass als Regel das Fehlen von Transparenz und die angeführten oder berichteten Spannungen in einigen Wahllokalen die kontinuierliche Entwicklung der lokalen Demokratie in Armenien unterminierten;

d. dass in den Bezirken, in denen es lokale Gemeinderatswahlen gab, die niedrige Wahlbeteiligung das geringe Interesse an der kommunalen Verwaltung belegte.Andererseits führten in Gebieten, in denen es politisch um viel ging, Unregelmäßigkeiten, häufig gemeldete Spannungen in den Wahllokalen und eine ungewöhnlich hohe Wahlbeteiligung zu dem Eindruck, dass noch viel getan werden muss, um die demokratische Kultur auf lokaler Ebene zu festigen;

e. dass in einigen Fällen Einflussnahmen/Einschüchterungen gemeldet wurden und dass die Delegation selbst einen Mangel an Transparenz sowohl der Wahl- als auch der Auszählverfahren beobachtete;

f. dass die Berichte von lokalen Akteuren der Zivilgesellschaft und aus der Politik belegten, dass der Zugang der Opposition zu Rundfunk und Fernsehen beschränkt bleibt, insbesondere im Hinblick auf die Möglichkeit für Kandidaten der Opposition, ihre Politik vorzustellen. Die Delegation stellte auch fest, dass Kandidaten der regierenden Koalitionsparteien im Hinblick auf öffentliche Wahlplakate weitaus besser vertreten waren;

g. dass, obwohl es genügend Frauen in den Wahlkommissionen gab, ihre Vertretung im Hinblick auf die Kandidaturen, wählbaren Posten und Bezirksratssitze sehr beschränkt bleibt;

h. dass das Reagieren auf Beschwerden, die von Kandidaten eingereicht werden, im alleinigen Ermessen der Vorsitzenden der Wahllokale liegt und daher Zweifel hinsichtlich der Effektivität von Streitbeilegungsverfahren und deren Beantragung bestehen;

i. dass, obwohl die Delegation die Präsenz einer hohen Zahl an lokalen Beobachtern und Vertretern der Kandidaten als positives Zeichen der Wahl betrachteten, die Präsenz zu vieler Personen mit schlecht definierten Aufgaben in einigen Wahllokalen und das Auszählen aber nicht zu einem ruhigen Wahlvorgang beitrug;

5. Fordert die armenischen Behörden auf, alle erforderlichen Maßnahmen zur Implementierung der folgenden Empfehlungen zu ergreifen:

a. im ganzen Land zukünftige Kommunalwahlen an einem einzigen Tag durchzuführen;

b. das zukünftige Gesetz zum Stadtrat von Yerevan in Übereinstimmung mit den verschiedenen Stellungnahmen des Europarats in Kraft zu setzen und Wahlen innerhalb der zeitlichen Vorgaben der Verfassungsreform von 2005 durchzuführen, spätestens jedoch bis Dezember 2009;

c. sicherzustellen, dass alle politischen Parteien in der Praxis den gleichen Zugang zu den Medien erhalten und dass die Öffentlichkeit vollständige und objektive Informationen zu den verschiedenen politischen Optionen erhält, die bei Wahlen und Referenden antreten;

d. wesentlich die Teilnahme von Frauen und jungen Menschen am Wahlverfahren ausweiten, um deren Vertretung unter den Kandidaten und in Gemeinderäten zu heben;

e. die materielle Organisation der Wahllokale zu verbessern, insbesondere durch Erleichterung des Zugangs für ältere Menschen und Menschen mit Behinderungen;

f. klar die Aufgabe und die Identifikation von lokalen Beobachtern und Vertretern politischer Parteien oder von Kandidaten am Wahltag in den Wahllokalen zu definieren;

g. das Verfahren zur Streitbeilegung zu überarbeiten, insbesondere die Regelungen für die Einreichung von Beschwerden, damit alle Kandidaten in der Lage sind, ihre Rechte in Anspruch zu nehmen;

6. Des Weiteren erklärt der Kongress seine Bereitschaft, die armenischen Behörden in ihrem Bemühen zu unterstützen und ihnen dabei zu helfen, die oben aufgeführten Empfehlungen mit Blick auf die greifbare Konsolidierung der lokalen Demokratie in Übereinstimmung mit der Verpflichtung von Armenien laut Europäischer Charta der lokalen Selbstverwaltung im Land zu implementieren.

7. Der Kongress empfiehlt, daß das Ministerkomitee die vorliegende Empfehlung und sein erläuterndes Memorandum berücksichtigt und diese an die zuständigen Organe des zwischenstaatlichen Bereichs des Europarates, an die Venedig-Kommission, die Generaldirektion für Demokratie und politische Angelegenheiten und den Kommissar für Menschenrechte weiterleitet.

8. Er bittet des Weiteren die Parlamentarische Versammlung des Europarats, diese Empfehlung in ihr Verfahren zur Überwachung der Pflichten und Zusicherungen Armeniens aufzunehmen.



[1] Diskussion und Zustimmung durch den Ständigen Ausschuss am 3. Dezember 2008 (siehe Dokument CG(15)33REC, Empfehlungsentwurf vorgelegt durch P. Rondelli (San Marino, L, SOZ), Berichterstatter).