Empfehlung 47 (1998)1 betreffend kommunale und regionale Demokratie in Lettland

Der Kongress,

1. In Anbetracht seiner an seiner 4. Plenartagung (Strassburg, 3.-5. Juni 1997) angenommenen Entschliessung 58 (1997), die sich stützt auf den Bericht über den Stand der Gemeindedemokratie in den Mitgliedstaaten [Berichterstatter: Herr Chénard, Frankreich] und auf den Anhang zu diesem - worin der vom lettischen Kommunalverband ausgearbeitete Text "Die kommunale Selbstverwaltung in Lettland seit 1989" und die Bemerkungen hierzu vonseiten der zentralstaatlichen lettischen Behörden wiedergegeben sind -, und insbesondere gestützt auf:

a) Abschnitt 14 der oben genannten Entschliessung, worin die Klage der lettischen Gemeinden über einen schweren, ihre Aussichten auf Selbstverwaltung einengenden Mangel an Finanzmitteln sowie über die zentralistische Haltung der staatlichen Regierung verzeichnet ist, die sich auch in der Aufhebung der Direktwahl der Regionalvertreter äussert;

b) Abschnitt 18 der oben erwähnten Entschliessung, worin die Ausarbeitung eines besonderen Berichts über den Stand der kommunalen und regionalen Demokratie in Lettland durch den Kongress empfohlen wird;

2. In Anbetracht des durch die Arbeitsgruppen über die 'Lage der Gemeindedemokratie in den Mitgliedstaaten' sowie über die 'Regionalisierung in Europa' vorgelegten Berichts über den Stand der kommunalen und regionalen Demokratie in Lettland, der hinsichtlich der kommunalen Aspekte durch Herrn Markku Pohjola (Berichterstatter, Finnland) und hinsichtlich der regionalen Aspekte von Herrn Leon Kieres (Berichterstatter, Polen) ausgearbeitet wurde;

3. Begrüssend:

a) das Vorgehen bei der Ausarbeitung des in Abschnitt 2, oben, erwähnten Berichts, das den Aufbau eines offenen und konstruktiven Gesprächs mit den betroffenen zentralstaatlichen, regionalen und kommunalen Behörden Lettlands ermöglichte;

b) die Ratifikation der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung durch Lettland, welche damit in diesem Lande am 1. April 1997 in Kraft getreten ist, jedoch bedauernd, dass sich Lettland nicht zur Übernahme der Artikel 6.2, 7.2, 9.4 und 9.8 der Charta verpflichtet hat, welche im einzelnen den Status und die Rekrutierung des Gemeindepersonals, die Entschädigung der Gemeindeabgeordneten für die Kosten der Amtsausübung, die Beschaffenheit der Finanzsysteme, auf denen die kommunalen Mittel beruhen und den Zugang der Gemeinden zum nationalen Kapitalmarkt betreffen;

4. Hinsichtlich der in der Verfassung verankerten Anerkennung des Grundsatzes der kommunalen Selbstverwaltung, in Anbetracht des Artikels 2 der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung:

Fordert das lettische Parlament (Saeima) auf, die Verfassung (Satversme) dahingehend zu ändern, dass der oben genannte Grundsatz ausdrücklich, und zwar gestützt auf Artikel 3, Abschnitt 1, der Charta, erwähnt wird;

5. Hinsichtlich der rechtlichen Anerkennung des in Abschnitt 4, oben, genannten Grundsatzes:
Empfiehlt den Organen von Parlament und Regierung Lettlands, dafür zu sorgen, dass das Gesetz vom 19. Mai 1994 betreffend die kommunale Selbstverwaltung dem Artikel 2 der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung vollständig entspricht und die kommunale Selbstverwaltung somit nicht mehr als eine "Form der staatlichen Verwaltung" bezeichnet wird;

6. Hinsichtlich der Finanzmittel der Gemeinden:

Empfiehlt den Organen von Parlament und Regierung Lettlands:

a) ihre Gesetzgebung dahingehend zu ändern, dass die Gemeinden und Regionen künftig einen grösseren Anteil ihrer eigenen, aus ausschliesslichen Lokalsteuern aufgrund selbst festgelegter Sätze bestehenden Finanzaufkommen behalten können, dies in Übereinstimmung mit Artikel 9, Abschnitte 1 und 3, der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung;

b) den Finanzausgleich auf ein standardisiertes System objektiver Kriterien zu gründen, um der zentralstaatlichen Verwaltung die Möglichkeit zu entziehen, diesbezüglich ihr freies Ermessen walten zu lassen;

c) unverzüglich die Unsicherheit und Unzuverlässigkeit der Finanzierungsquellen von Gemeinden und Regionen abzubauen sowie in naher Zukunft die Vielfalt dieser Quellen zu erweitern und die Aufnahme von Kapital zuzulassen, um die Investitionstätigkeit von Gebietskörperschaften anzuregen;

7. In Kenntnis der bedeutenden sozio-ökonomischen Probleme, vor denen die Zentralbehörden stehen, dennoch auf die grossen Schwierigkeiten hinweisend, welchen die Gemeinden wegen ihrer schwachen Finanzen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben begegnen:

Empfiehlt den Organen von Parlament und Regierung Lettlands, die im Gange befindliche Gebietsreform zu gründen auf:

a) die vorgängige Konsultation der kommunalen und regionalen Gebietskörperschaften, dies in Übereinstimmung mit Artikel 4, Abschnitt 6, und mit Artikel 5 der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung;

b) das Erfordernis, die politische, administrative und finanzielle Autonomie der Gebietskörperschaften zu verstärken und das Subsidiaritätsprinzip anzuwenden, so wie es in Artikel 4, Abschnitt 3, der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung niedergelegt ist;

8. Bedauernd, dass nach der Annullierung der Durchführung der Regionalwahlen 1997 die Organe der regionalen Parlamente und Exekutiven heute mit kommunalen, von den Städten ernannten Abgeordneten besetzt sind:

Empfiehlt den Organen von Parlament und Regierung Lettlands, dafür zu sorgen, dass nach Abschluss der in Abschnitt 7, oben, erwähnten Gebietsreform die Vertreter der regionalen Gebietskörperschaften wieder durch die Bürger direkt gewählt werden können;

9. In Anbetracht der grossen Anzahl von Bewohnern Lettlands ohne staatsbürgerliche und politische Rechte, die in einigen Städten, worunter die Hauptstadt, fast 50% der Einwohner ausmachen, und eingedenk der Präambel der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung:

a) Hält es für wichtig, diese Einwohner in das demokratische Leben des Landes zu integrieren, wozu gerade die Gemeindedemokratie sich besonders gut eignet;

b) Empfiehlt den Organen von Parlament und Regierung Lettlands, diesen Einwohnern das Wahlrecht in den unter die Zuständigkeit der Gemeinden fallenden Angelegenheiten zu erteilen, indem Lettland dem Europäischen Übereinkommen über die Beteiligung der Ausländer am öffentlichen Leben der Gemeinde beitritt.

1 Diskussion und Annahme durch den Kongress am 28. Mai 1998, 3. Sitzung (siehe Dok. CG (5) 5, Empfehlungsentwurf vorgelegt von Herren M. POHJOLA und L. KIERES, Berichterstatter)