19..TAGUNG
CG(19)11
15. Oktober 2010

Kommunale und regionale Demokratie in der Russischen Föderation

Institutioneller Ausschuss

Berichterstatter: Knud ANDERSEN, Dänemark (R, ULDG[1]), Christopher NEWBURY,Vereinigtes Königreich (L, EVP/CD)

Empfehlungsentwurf 2

Zusammenfassung

Der vorliegende Folgebericht untersucht die Situation der kommunalen und regionalen Demokratie in der Russischen Föderation im Lichte der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung, der Kongress-Empfehlung 143 (2004) und der Kongress-Entschließung 171 (2004). Er berücksichtigt außerdem den Referenzrahmen für regionale Demokratie.

Der Bericht betont, dass die russische Regierung bedeutende Anstrengungen unternommen hat, sich an die Charta zu halten,und dass diese Bemühungen als Teil der gegenwärtigen Reformen fortgesetzt werden sollten. Die Empfehlung fordert die russischen Behörden auf, unter anderem die nationale Gesetzgebung zur kommunalen Selbstverwaltung zu verbessern, vor allem, wenn es um die Entlassung von Bürgermeistern geht, das Wahlsystem zu revidieren, die nötigen Maßnahmen zur Eindämmung der Korruption zu ergreifen und sicherzustellen, dass die Meinungsfreiheit und politische Debatte auf kommunaler und regionaler Ebene gefördert werden. Der Kongress wiederholt zugleich seine Empfehlung an die russischen Behörden, die Gouverneure der Regionen wieder direkt wählen zu lassen.


EMPFEHLUNGSENTWURF[2]

1. Der Kongress der Gemeinden und Regionen, unter Bezug auf :

a. Artikel 2, Absatz 1b, der statutarischen Entschließung CM/Res(2007)6, in der es heißt, dass eine der Aufgaben des Kongresses darin besteht, “dem Ministerkomitee Vorschläge zur Förderung der kommunalen und regionalen Demokratie zu unterbreiten”;

b. Artikel 2, Absatz 3 der statutarischen Entschließung CM/Res(2007)6, der bestimmt, dass “der Kongress in regelmäßigen Abständen Länderberichte über die Situation der kommunalen und regionalen Demokratie in allen Mitgliedsstaaten und Staaten, die um Beitritt zum Europarat nachgesucht haben, vorlegt und dabei insbesondere sicherstellt, dass die Grundsätze der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung eingehalten werden”;

c. die Kongress-Entschließung 299 (2010), die bestimmt, dass der Kongress sich bei seiner Überprüfungsarbeit auf den Referenzrahmen des Europarats für die regionale Demokratie stützen wird ;

d. die Empfehlung 143 (2004) sowie die Entschließung 171 (2004) zur kommunalen und regionalen Demokratie in der Russischen Föderation ;

e. das erläuternde Memorandum (CG(19)11) zur Situation der kommunalen und regionalen Demokratie in der Russischen Föderation, verfasst von Herrn Christopher Newbury und Herrn Knud Andersen.

2. Unter Hinweis darauf, dass:

a. die Russische Föderation dem Europarat am 28. Februar 1996 beigetreten ist und am 5. Mai 1998 die Europäische Charta der kommunalen Selbstverwaltung (CETS No. 122, im Folgenden die Charta) ratifiziert hat, die für Russland am 1. September 1998 in Kraft getreten ist;

b. der Institutionelle Ausschuss des Kongresses Herrn Christopher Newbury (Vereinigtes Königreich, L, EVP/CD) und Herrn Knud Andersen (Dänemark, R, ULDG) als Berichterstatter benannt und beauftragt hat, einen Bericht über die kommunale und regionale Demokratie in der Russischen Föderation zu erstellen und vorzulegen ;

c. Herr Newbury und Herr Andersen haben der Russischen Föderation zwei offizielle Besuche abgestattet: am 16. und 17. Dezember 2009 und am 14. und 15. April 2010. Begleitet wurden sie von Herrn Ruşen Keleş (Türkei), einem Mitglied der unabhängigen Expertengruppe, als Berater.

3. Dankt den Regierungsstellen, der russischen Kongress-Delegation und ihrem Sekretariat, dem Föderationsrat, dem Nationalen Gemeindekongress, gewählten Kommunalvertretern der Russischen Föderation, dem Klub europäischer Experten sowie den Hochschulvertretern und den Vertretern der Nichtregierungsorganisationen  des Landes für ihre Auskünfte und Anmerkungen während und nach den Treffen mit der Delegation.

4. Nimmt die Fortschritte zur Kenntnis, welche die russische Regierung in Bezug auf die gesetzliche Reform bis 2003 gemacht hat, und erkennt an, was in Zusammenarbeit mit dem Gemeindeverband erreicht wurde, um die neue Gesetzgebung zur kommunalen Selbstverwaltung und die sich daraus ergebenden Strukturen zu verwirklichen, die kommunale und regionale Verwaltung in der Russischen Föderation zu modernisieren und  das kommunale Verwaltungspersonal sowie die kommunalen Wahlbeamten für ihre neuen Aufgaben auszubilden.

5. Der Kongress empfiehlt dem Ministerkomitee, die russischen Behörden aufzufordern :

a.  durch eine überarbeitete Fassung unter Einschluss aller derzeit gültigen Zusätze die Reichweite des Bundesgesetzes zur kommunalen Selbstverwaltung Nr. 131-FZ, klarzustellen;

b.  das Gesetz Nr. 131-FZ so zu ändern, dass die Errichtung kommunaler oder regionaler Zusammenschlüsse nicht länger zwingend ist, sondern den frei gewählten kommunalen und regionalen Versammlungen freigestellt bleibt ;

c.  die kürzlichen Änderungen in Artikel 74 des Gesetzes  131-FZ zur Entlassung von Bürgermeistern zurückzunehmen, um sicherzustellen, dass die Bürgermeister die Aufgaben, für die sie gewählt wurden, ohne Einmischung oder politischen Druck vom Stadtrat oder Gouverneur frei ausüben können ;

d.  den gesetzlichen Rahmen zur Regelung der Errichtung und Arbeitsweise von Gemeindezusammenschlüssen in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Charta zu schaffen ;

e.  die gesetzlichen Bestimmungen so zu verbessern, dass die Gemeinden nicht länger übertriebener Kontrolle der übergeordneten Behörden unterliegen ;

f.  vor der Verabschiedung gesetzlicher Regelungen, die es den Regionalparlamenten ermöglichen würden, Gesetze zu erlassen, die der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung zuwiderlaufen könnten, den Kongress und die Venedig-Kommission zu Rate zu ziehen ;

g.  die Direktwahl der Gouverneure der Regionen wieder einzuführen, um den Grad an regionaler Demokratie wieder zu erreichen, den die Russische Föderation vor 2004 hatte ;

h.  die Registrierung neuer politischer Parteien auf kommunaler und regionaler Ebene zu erleichtern, um es Gruppen kommunaler oder regionaler Kandidaten zu ermöglichen, sich zur Wahl zu stellen, ohne dass ihre Partei eine ungebührlich hohe Mitgliederzahl nachweisen müsste ;

i.  Maßnahmen zu ergreifen, um die Verwendung geschlossener Listen bei Kommunal- und Regionalwahlen zu unterbinden ;

j.  Maßnahmen zu ergreifen, um zu gewährleisten, dass unabhängige Kandidaten sich bei allen kommunalen und regionalen Wahlen aufstellen lassen können ;

k.  den russischen Nichtregierungsorganisationen eine ungehinderte Beobachtung kommunaler und regionaler Wahlen einschließlich der Stimmauszählung zu gestatten ;

l.  auch weiterhin die in der Empfehlung 1897 (2010) der Parlamentarischen Versammlung vorgeschlagenen Maßnahmen zur Achtung der Medienfreiheit vorzunehmen, um sicherzustellen, dass Journalisten in Sicherheit ihrer Arbeit nachgehen können und dass die Meinungsfreiheit und gesunde politische Auseinandersetzung auf kommunaler und regionaler Ebene gefördert werden ;

m.  auch künftig auf eine bessere Verteilung der Zuständigkeiten zwischen den Bundes-, Regional- und Kommunalbehörden hinzuarbeiten und Maßnahmen zu ergreifen, um Zahl und Umfang gemischter Zuständigkeiten zu verringern ;

n. die Gemeinden mit hinreichenden Haushaltsmitteln auszustatten oder sie, wie von der Charta gefordert, zu ermächtigen, Steuern zu erheben, damit sie ihre Aufgaben wahrnehmen und die öffentlichen Dienstleistungen anbieten können ;

o.  sicherzustellen, dass ländliche Gemeinden über die zur Wahrnehmung ihrer Zuständigkeiten nötigen Mittel verfügen um zu verhindern, dass sie ihre Zuständigkeiten an übergeordnete Behörden abgeben ;

p.  den Finanzausgleich für Gemeinden und ländliche Siedlungen zu verbessern, um zu einer ausgewogeneren Verteilung der Einnahmen zu gelangen ;

q.  beschleunigt mit der Übertragung staatlichen Eigentums auf die Gemeinden fortzufahren und sie zu ermächtigen, durch zweckdienliche Grundsteuern Einnahmen zu erzielen ;

r.  mit allen verfügbaren Mitteln sicherzustellen, dass die Gemeinden in allen sie betreffenden Fragen gemäß Artikel 4 (6) der Charta gehört werden ;

s.  sicherzustellen, dass Gemeinden nur nach vollständiger Anhörung der betroffenen gewählten Gremien zusammengelegt werden ;

t.  bestehende Möglichkeiten zur Ausmerzung von Korruption auf kommunaler Ebene  in vollem Umfang zu nutzen und notfalls neue Maßnahmen zu diesem Zweck zu ergreifen, beispielsweise die Ausschreibung öffentlicher Aufträge zur Pflicht zu machen ;

u.  Schritte zur Unterzeichnung und Ratifizierung des Zusatzprotokolls zur Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung betreffend das Recht auf Mitsprache in kommunalen Angelegenheiten  (CETS No.207) zu unternehmen, um die Bürgerbeteiligung in Sachen der kommunalen Verwaltung auszuweiten ;

v.  Programme und Organisationen zur Ausbildung von Kommunal- und Regionalbeamten sowie deren gewählten Vertretern auszubauen, um auf diesen Ebenen die Effizienz der öffentlichen Dienste zu verbessern.



[1]L: Kammer der Gemeinden / R: Kammer der Regionen

ULDG: Unabhängige Liberaldemokratische Gruppe des Kongresses

EVP/CD: Europäische Volkspartei – Christdemokraten des Kongresses

SOZ: Sozialistische Gruppe des Kongresses

NR: Mitglieder, die keiner politischen Gruppe angehören

[2] Vorläufiger Empfehlungsentwurf, am 2. Juli 2010 vom Institutionellen Ausschuss angenommen.

Mitglieder des Ausschusses:

K. Whitmore(Vorsitz), Z. Alimpic, R. Aliyev, M. Y. Barcina Angulo, P. Bosch I Codola, J. Brons, E. Calota, M. Catovic, L. Caveri, V. Chilikov (Stellvertreter: D. Ruseva), M. Cohen (Stellvertreter: I. Micallef), B. Collin-Langen, M. Cools, J. Costa (Stellvertreter: A. Torres Pereira), C. M. Do Vale Cesar, S. Eichler, A.Ü. Erzen (Stellvertreter: G. Doganoglu), B. Grasset, A. Gravells (Stellvertreter: N. Mermagen), A. Grytsenko (Stellvertreter: T. Demchenko), G. Grzelak, M. Guégan, M. Gulevskiy (Stellvertreter: V. Belikov), M. Haak-Griffioen, A. Harutyunyan (Stellvertreter: E. Yeritsyan), G. Illes, M. Kebo, W. Kelsch, O. Kidik, I. Kulichenko (Stellvertreter: Y. Kartashov), O.A. Kvalöy, J. Landberg, F. Lec, P. Leuba, I. Loizidou, J.-C. Mairal, D. Milovanovic (Stellvertreter), Y. Mischeriakov, L. O. Molin, J. Mrazek, A. Muzio (Stellvertreter: F. Pellegrini), C. Newbury, P.R. Paun-Jura (Stellvertreter), G. Pavlidis, G. Pieper, H. Pihlajasaari, M. Pineschi, G. Policinschi, C. Radulescu, V.S. Rasmussen (Stellvertreter: K. Andersen), A. Rokofillou, B. Rope, V. Salygin, M.G. Sassi, J. Sauwens, P. Schowtka, D. Shakespeare, S. Ugrekhelidze, H. Van Staa, V. Varnavskiy, P. Volner, J. Wienen, M.J. Yildiz, D. Zmegac.

N.B. Die Namen der Mitglieder, die an der Abstimmung teilgenommen haben, sind kursiv gedruckt.

Sekretariat des Ausschusses: S. Poirel, T. Lisney, A. Stahl