14. PLENARTAGUNG
(Straßburg, 30. Mai – 1. Juni 2007)

Klimawandel: Vorgehensweise auf lokaler und regionaler Ebene

Empfehlung 215(2007)[1]


1. Die globale Erwärmung ist eine der schwerwiegendsten Herausforderungen für die nachhaltige Entwicklung, die Gesundheit und das Wohlergehen der Menschheit und die Wirtschaft und verursacht bereits durch extremes Wetter, wie z. B. Hitzewellen, Überflutungen, Stürme und Dürren, Zerstörungen und Unterbrechungen auf dem europäischen Kontinent. Um dem Problem des Klimawandels begegnen zu können, bedarf es eines gemeinsamen und verantwortungsvollen Handelns auf allen Entscheidungsebenen und des Bemühens jedes Bürgers und eines veränderten Lebensstils;

2. Der Klimawandel fordert eine dringliche, verantwortungsvolle, globale und solidarische Reaktion der internationalen Gemeinschaft. Die neuste Beurteilung der gegenwärtigen und zukünftigen Auswirkungen des Klimawandels der Zwischenstaatlichen Sachverständigengruppe über Klimaänderungen der Vereinten Nationen (Weltklimarat; IPCC) verweist auf die potenzielle Gefahr des Klimawandels, der Konflikte über Wasser, die Ausbreitung von Krankheiten und die Migration von Millionen von Menschen weltweit auslösen könnte. Die Zahl der Migranten wird erheblich steigen, laut einiger Schätzungen wahrscheinlich auf 50 Mio. bis 2010;

3. Der Kongress der Regionen und Gemeinden Europas des Europarats ist der Überzeugung, dass der Klimawandel zur Priorität erklärt werden und die Aufmerksamkeit aller Politiker aller politischen Ebenen erhalten muss. Er ist besorgt über die Beschleunigung und das wachsende Ausmaß der Auswirkungen des Klimawandels sowie über die wirtschaftlichen und monetären Folgen, wie sie im Stern-Report dargelegt sind. Daher bestätigt er erneut die Notwendigkeit schneller und resoluter Maßnahmen und gibt zu bedenken, dass dies langfristig erheblich die Kosten für unsere Gesellschaft reduzieren wird und die Ergebnisse in allen Bereichen effizienter sein werden;

4. Der Kongress erkennt an, dass Europa an vorderster Front gegen den Klimawandel und seine Folgen kämpft. Er begrüßt die Führerschaft und das Engagement der Europäischen Union hinsichtlich Klimawandel und insbesondere die von den Staatsführern und Regierungen der Europäischen Union am 9. März 2007 getroffene Entscheidung, sich auf ein das Kyoto-Protokoll übersteigendes Ziel zur Reduzierung der CO2-Emissionen um 30% vor 2020 zu verpflichten;

5. Der Kongress ist sich bewusst, dass die Ziele des Kyoto-Protokolls nicht ausreichen. Es ist mehr als dringlich, dass die internationale Gemeinschaft konsequent verhandelt, um ein umfassendes neues weltweites Abkommen abzuschließen, das die globale Erwärmung stoppt und das unmittelbar nach Ende der Laufzeit des Kyoto-Protokolls 2010 in Kraft treten muss;

6. Die wissenschaftlichen Beweise belegen, dass eine Schadensminderungspolitik allein nicht ausreicht, um den Klimaschäden zu begegnen, und dass eine Anpassungspolitik erforderlich ist, um sicherzustellen, dass die Bürger vor den Gefahren des Klimawandels geschützt werden und um zur Wirtschaft und der nachhaltigen Entwicklung der Gemeinschaften beizutragen;

7. Der Kongress bekräftigt seine beständige Verpflichtung hinsichtlich der nachhaltigen Entwicklung und begrüßt die Initiativen, die viele regionale und lokale Behörden zur Entwicklung von Klimaverbesserungs- und Anpassungsprogrammen ergriffen haben, und zeigt sich zufrieden, dass in vielen europäischen Staaten sogar kleine territoriale Einheiten solche Programme etablieren;

8. Der Kongress regt an, dass es einer größeren universalen Anerkennung der umfassenden Rolle bedarf, die lokale und regionale Behörden im Kampf gegen den Klimawandel spielen. Aus diesem Grund sollten ihnen entsprechende Vollmachten und Ressourcen übergeben werden, um diese Rolle effektiv in Übereinstimmung mit den Prinzipien der Europäische Charta der kommunalen Selbstverwaltung ausüben zu können;


9. Der Kongress betont, dass der Kampf gegen den Klimawandel zentraler Bestandteil der Maßnahmen aller Entscheidungsträger sein muss und dass die nationalen Regierungen umfangreiche nationale Maßnahmenkataloge zur Bekämpfung des Klimawandels und zur Anpassung an den Klimawandel entwickeln müssen. Sie sollten mehrstufige Abkommen initiieren, welche die regionalen und lokalen Verwaltungsbehörden sowohl bei der Entwicklung politischer Ansätze zu Bekämpfung des Klimawandels als auch bei der Umsetzung derselben einbeziehen. Dies ist eine Gelegenheit für die nationalen Regierungen, das Engagement, die Fähigkeiten und die Erfahrung lokaler und regionaler Behörden zu nutzen;

10. Darüber hinaus begrüßt der Kongress den Grundsatz der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC) „gemeinsamer, aber unterschiedlicher Verantwortungen“ und fordert, dass die Verteilung der Lasten auf Industrie- und Entwicklungsländer den Beitrag jedes einzelnen Staates zu den Problemen sowie dessen Fähigkeit berücksichtigt, zur Lösung des Problems beizutragen;

11. Angesichts des oben Aufgeführten empfiehlt der Kongress dem Ministerkomitee des Europarats:

a. den Klimawandel in alle Arbeitsbereiche des Europarats aufzunehmen, einschließlich Migration, soziale Kohäsion, Bürgerrechte, Gesundheits- und Umweltfragen, indem er seine Lenkungsausschüsse auffordert, Wege zu untersuchen, wie man den Klimawandel in ihre Arbeitsprogramme integrieren kann;

b. die Entwicklungsbank des Europarats zu bitten, als Vorbild ihre Fonds und Investitionen umweltfreundlicher zu gestalten und sicherzustellen, dass das System zur Verteilung von Geldern Anreize für Projekte enthält, die das Problem des Klimawandels und den kontinuierlichen Abbau von Kohlendioxid und risikoarmes Wirtschaften einschließen;

12. Darüber hinaus fordert der Kongress das Ministerkomitee des Europarats auf, die Mitglieder und Beobachterstaaten zu bitten:

a. jene Staaten, die dies bisher noch nicht getan haben, aufzufordern, das Kyoto-Protokoll zu unterzeichnen;

b. die Zielsetzungen des Kyoto-Protokolls umzusetzen und bereits jetzt zusätzliche Maßnahmen zu ergreifen, die Ziele dieses Abkommens zu übertreffen, ehrgeizige mittelfristige Ziele und Zielvorgaben für die Zeit nach Kyoto ab 2010 zu setzen, die lokale und regionale Behörden und deren Netzwerke in den Prozess integrieren;

c. dem Klimawandel und seinen Folgen die höchste Priorität auf der politischen Agenda einzuräumen, eine umfassende und effektive Klimapolitik in alle relevanten Politikbereiche aufzunehmen und die Teilnahme aller lokalen und regionalen Behörden an diesem Prozess sicherzustellen;

d. nationale Aktionspläne zum Klimawandel in Partnerschaft mit allen Beteiligten umzusetzen, insbesondere den lokalen und regionalen Behörden, und:

i.          geeignete Anpassungsmaßnahmen mit den territorialen Behörden zu entwickeln und diese in langfristige Entwicklungsstrategien zu integrieren, insbesondere in jene Bereiche, die am stärksten betroffen sind;

ii.          finanzielle und steuerliche Anreize für die Entwicklung umweltfreundlicher Maßnahmen zu gewähren, insbesondere im Bereich Energieeffizienz und erneuerbare Energien;

iii.         Informations- und Aufklärungskampagnen über den aktuellen Zustand der Umwelt und das Ausmaß der globalen Erwärmung durchzuführen und verantwortungsvolle politische Ansätze und Verhaltensweisen aller Privatpersonen, Unternehmen und Industrien zu fördern;

iv.         Ausbildungseinrichtungen und Beratungsprogramme für lokale und regionale Behörden zu entwickeln, auf den wachsenden Bedarf an neuen Fähigkeiten und Kompetenzen zu reagieren, die erforderlich sind, um umweltfreundliche Ansätze und neue bereichsübergreifende Arbeitsmethoden zu etablieren;

e. sicherzustellen, dass territoriale Behörden die Befugnis und die Gelder erhalten, die erforderlich sind, um eine solide institutionelle Grundlage für Umweltschutzmaßnahmen zu bieten und um koordinierte Aktionen zu erleichtern;

f. die Forschung für Innovationen zu verstärken, den Erfahrungsaustausch zu fördern und weiterhin Methodologien für den Entwurf, die Umsetzung und die Überwachung lokaler Klimaschutzprogramme zu entwickeln;

g. der grenzübergreifenden Natur des Klimawandels und den damit verbundenen Herausforderungen auf allen Verwaltungsebenen größere Aufmerksamkeit zu widmen;

h. die Rolle der lokalen und regionalen Behörden in den internationalen Organen zu prüfen, den Klimawandel zu verfolgen und zu überprüfen, und insbesondere die Vereinten Nationen einzuladen, mit der Konvention über den Klimawandel, in der sie momentan lediglich als Nichtregierungsorganisationen geführt werden, die Vertretung und Sichtbarkeit lokaler und regionaler Behörden in ihrer Arbeit zu formalisieren und zu verstärken;

13. Der Kongress empfiehlt des Weiteren dem Ministerkomitee des Europarats, die Europäische Union aufzufordern:

a. die Politik zum Klimawandel abzustimmen und sicherzustellen, dass die europäischen Strategien auf den drohenden Klimawandel reagieren und dass Beurteilungen über die Auswirkungen von Gesetzen durchgeführt werden;

b. den lokalen und regionalen Behörden im Kampf gegen den Klimawandel durch klare und unterstützende gesetzliche und finanzielle Rahmenbedingungen zu helfen, die auch Gelder einschließen, die für Anpassungsmaßnahmen und Forschung erforderlich sind;

c. die Möglichkeiten für mehrstufige Klimaabkommen und –verträge zu untersuchen und den lokalen und regionalen Behörden Anreize zu bieten, die in diesen Abkommen enthaltenen bindenden Verpflichtungen einzugehen;

14. Der Kongress fordert die Parlamentarische Versammlung des Europarats auf:

a. ihre Bemühungen weiterzuführen, die Aufmerksamkeit nationaler Parlamente auf die Notwendigkeit zu lenken, eine geeignete Gesetzgebung umzusetzen, die mit dem oben beschriebenen Grundsatz und den Herausforderungen des Klimawandels vereinbar ist.



[1] Diskussion und Annahme durch den Kongress am 31. Mai 2007, 2. Sitzung (siehe Dokument CG(14)5REC, Empfehlungsentwurf vorgelegt durch A. Mediratta (Vereinigtes Königreich, L, EVP/CD), Berichterstatter).