15. PLENARSITZUNG
Straßburg, 27. - 29
. Mai 2008

Kinder in der Stadt

Empfehlung 241 (2008)[1]

1. Der Platz von Kindern in der Gesellschaft, ihr Schutz, ihre Entwicklung und ihre Rolle als Bürger sind wichtige Themen für die gewählten Vertreter in ganz Europa.  Die Sorge über ihre Gesundheit und Sicherheit könnte zu einem fortdauernden Rückzug der Kinder aus den städtischen öffentlichen Räumen führen und verhindern, dass sie in vollem Umfang ihre Stadt oder Großstadt erleben und zu vollentwickelten Bürger heranwachsen;

2. Es besteht eine enge Verbindung zwischen der nachhaltigen Entwicklung und dem Bauen kinderfreundlicher Städte und Großstädte, die an die unterschiedlichen Bedürfnisse von Kindern, Jugendlichen und Familien angepasst sind. Orte, an denen die Umwelt geschützt wird, an denen wirtschaftliche und soziale Ungleichheiten behandelt werden und an denen eine kulturelle Vielfalt willkommen ist, sind Orte, die jene Bedingungen schaffen, die erforderlich sind, um die Welt vorzubereiten, in der Kinder leben und leben werden;

3. Paradoxerweise werden, obwohl ein Großteil der Europäer heute in städtischen Gebieten lebt, die Stadt- und Großstadtzentren als unattraktive Orte für ein Familienleben betrachtet. Dies hat dazu geführt, dass Familien, die es sich leisten können, aus den Städten abwandern, was die städtische Ausdehnung und die Abhängigkeit vom Auto vergrößern;

4. Dieser Trend wird durch die gegenwärtigen demografischen Veränderungen verstärkt, die zur Überalterung der städtischen Bevölkerung und zu einem Anstieg kinderloser Haushalte und alleinerziehender Elternteile führen. Diese Situation schränkt den generationsübergreifenden Austausch ein und stellt eine Gefahr für die langfristige Vitalität städtischer Zentren dar, da junge Familien eine wichtige Rolle für den sozialen Zusammenhalt und die wirtschaftliche Aktivität einer Stadt oder Großstadt spielen;

5. Der Kongress der Gemeinden und Regionen des Europarats bemerkt, dass die Gebietskörperschaftsebene für viele politischen Ansätze verantwortlich ist, die sich auf das Leben von Kindern auswirken. Es besteht ein Bedarf, die Gemeinden mit den Mitteln zur Förderung einer städtischen Umgebung auszustatten, in der die Entscheidung, ein Kind zu haben, leichter fällt und die der Bevölkerung die notwendigen Bedingungen für das Familienleben bietet. Städte und Großstädte müssen Orte sein, an denen Kindern aufblühen können;

6. Eine Vereinbarkeit von Arbeits- und Familienleben ist für alle Generationen von Nutzen. Fürsorgepflichten – sei es für Kinder, Eltern, Verwandte oder Kranke – verlangen nach einer flexiblen Arbeitswelt, die den Menschen ermöglicht, persönliche und berufliche Verantwortungen miteinander zu vereinbaren. Der dafür notwendige Paradigmenwechsel erfordert eine entschlossene politische Führung und verstärkte Partnerschaften der relevanten Interessengruppen;


7. Die Gemeinden müssen eine wichtige Rolle übernehmen und die erforderlichen Bedingungen im Hinblick auf die natürliche und bebaute Umwelt schaffen, um die Mobilität und die Aktivitäten von Kindern zu fördern. Die Isolierung von Einwohnern muss reduziert werden und es müssen Möglichkeiten zur Stärkung sozialer Interaktionen zwischen den Generationen, Kulturen und verschiedenen sozialen Schichten entwickelt werden. Kindern sollte es ermöglicht werden, ihren Lebensraum spielerisch, sicher und eigenständig zu erforschen;

8. Der Wunsch nach einer garantierten totalen Sicherheit durchdringt momentan unser Verhalten gegenüber Kindern. Während Sicherheitsfragen für Eltern und gewählte Vertreter sehr wichtig sind, hat in den letzten Jahren eine Verschiebung zur Sicherheitsförderung stattgefunden. Politiker, der Wirtschaftssektor und Eltern haben einen übervorsichtigen Ansatz angenommen. Die Berichterstattung der Medien über bestimmte Ereignisse hat wahrscheinlich dieses Gefühl der Unsicherheit verstärkt.;

9. Der Kongress glaubt, dass alle Ebenen der Governance die Pflicht haben, eine demokratische und inklusive Gesellschaft sicherzustellen, in der Kinder den ihnen zustehenden Platz in Familie, Gemeinde und gesellschaftlichem Leben erhalten, wie in der UN-Konvention über den Schutz der Kinder (1989) festgelegt. Ein starker politischer Wille ist erforderlich, um sicherzustellen, dass Kinder als vollwertige Bürger behandelt werden und bei Fragen, die ihr Leben und ihren Wohnort betreffen, in die Entscheidungsprozesse einbezogen werden;

10. Der Kongress begrüßt das Programm „Aufbau eines Europas für und mit Kindern“ des Europarats und freut sich, in Form von innovativen Erfahrungen, die auf lokaler und regionaler Ebene gemacht werden, seinen Beitrag zu diesem Programm leisten zu können. Er stellt mit Zufriedenheit fest, dass dieses Programm die europäische Follow-up-Studie des UN-Generalsekretärs über Gewalt gegen Kinder (2006) absichert, indem es die Regierungen aufruft „die Behörden in Gemeinden und Regionen zu ermutigen und zu unterstützen, die Risikofaktoren in der bebauten Umwelt zu reduzieren. Gut beleuchtete und sichere öffentliche Plätze für Kinder, einschließlich sichere Wege für Kinder und Jugendliche, sich durch ihre Gemeinden zu bewegen, sollten in die Stadtplanung einbezogen werden;

11. Angesichts des Vorstehenden empfiehlt der Kongress dem Ministerkomitee des Europarats, seine Mitgliedstaaten aufzufordern:

a.sicherzustellen, dass die Kinderrechte gefördert und durch das Gesetz und durch gesetzliche Rahmenwerke geschützt werden und dass Gutachten zur Auswirkung auf Kinder erstellt werden, um politische Maßnahmen zum Kinderschutz und zum Wohlergehen von Kindern evaluieren zu können, und in dieser Hinsicht die Unterstützung bei der Entwicklung geeigneter Beratungsangebote, Anwaltschaften und Beschwerdeverfahren;

b. auf allen Ebenen der Governance politische Ansätze zu entwickeln, um integrierte Mobilitätslösungen umzusetzen, die den öffentlichen Nahverkehr und „sanfte Fortbewegungsmittel“ fördern und die den Schutz und die Sicherheit aller Benutzer verbessern, insbesondere der Schutzbedürftigsten, wie z. B. Kinder;

c. die Gesetzgebung für Raumplanung und die Stadtentwicklung anzupassen, um auf die Bedürfnisse und Interessen von Kindern einzugehen und um sie zu ermutigen, ihre bebaute Umwelt zu erkunden und zu verstehen, wie ihre Stadt oder Großstadt funktioniert, und:

i.          Mindeststandards im Hinblick auf die Menge an Land zu erstellen, das für offene Flächen und Spielplätze reserviert wird, damit Spiel- und Sportflächen systematisch in die Stadtplanungsprojekte integriert werden;

ii.          Normen im Hinblick auf die öffentliche Ausstattung und die öffentlichen Plätze zu entwickeln, die Kinder und Erwachsene auf ihren Wegen durch die Stadt berücksichtigen und die die besonderen Einschränkungen und Hürden von Erwachsenen und Kindern reduzieren;

iii.            sicherzustellen, dass es eine Ausgewogenheit zwischen Sicherheit und Risiken im Hinblick

auf Sicherheitsnormen für die Straßen und Spielgeräte gibt und dass Installationen und Neubeschaffungsauflagen vermieden werden, die für die Gemeinden zu restriktiv sind und sie ungebührlich dem Druck von Herstellern von Straßen- und Spielplatzausstattungen aussetzen;

d. eine nationale Wohnungs- und Unterbringungspolitik auszuarbeiten, die das Recht auf Unterbringung als Grundprinzip einschließt und die die Verfügbarkeit hochwertiger, bezahlbarer Wohnungen in Stadtzentren für junge und wiederhergestellte Familien vorsieht;

e. Strategien im Rahmen des Arbeitsrechts zu fördern, die das Arbeits- und Familienleben vereinbar machen, und politische Ansätze zu erarbeiten, die auf Partnerschaften zwischen allen Ebenen der Governance und allen Beteiligten in den Bereichen Wirtschaft, Gesundheit, Bildung, Transport und Wohnen aufbaut;

f. die politische Bildung in den Schulen zu verstärken und die Mitwirkung von Kindern am demokratischen Leben der Schule und an Konsultationsprozessen zur Stadtplanung und der Umwelt zu fördern.



[1] Diskussion und Annahme durch den Kongress am 29. Mai 2008, 3. Sitzung (siehe Dokument CG(15)9REC, Empfehlungsentwurf vorgelegt durch S. Kalev (Estonien, L, NR), Berichterstatter).