15. PLENARSITZUNG
Straßburg, 27. - 29
. Mai 2008

Interkultureller und interreligiöser Dialog: eine Chance für

die lokale Demokratie

Empfehlung 245 (2008)[1]


1. Die Gemeinden und Regionen Europas sehen sich verstärkt mit einer Fülle verschiedener Werte und einer ganzen Spanne kultureller Identitäten konfrontiert, die heute nach einer Grundlage in religiösen Bezügen und Zugehörigkeiten suchen;

2. Der Europarat hat sich verpflichtet, die kulturelle Vielfalt Europas demokratisch zu verwalten und den sozialen Zusammenhalt so zu stärken, dass dies den wichtigen politischen Entscheidungen entspricht, die beim dritten Gipfeltreffen der Staats- und Regierungsführer des Europarats im Mai 2005 in Warschau getroffen wurden;

3. Der Kongress unterstützt die Erklärung zur Strategie für die Entwicklung eines interkulturellen Dialogs des  Europarats, die auf der Abschlusskonferenz zum 50. Jahrestag der Europäischen Kulturkonvention in Faro im Oktober 2005 verabschiedet wurde, sowie die Schlussfolgerungen des Juncker-Berichts, der die Entwicklung eines interkulturellen Dialogs als eine der Prioritäten der Organisation hervorhebt;

4. In der Entschließung 202 (2005) und der Empfehlung 170 (2005) über einen interkulturellen und interreligiösen Dialog: Initiativen und Aufgaben der Gemeinden, hat der Kongress den interkulturellen Dialog besonders betont;

5. Der Kongress ist der Überzeugung, dass die Gemeinden und Regionen gut positioniert sind, um in ihren Gebieten die kulturelle und religiöse Vielfalt der Bewohner abzuschätzen.   Ziel für die Gemeinden ist, durch die gewählten Vertreter und die Vertreter der verschiedenen kulturellen und religiösen Gruppen, die lokal bestehen, vertrauensvolle Beziehungen und einen regelmäßigen Dialog aufzubauen, der im Laufe der Zeit eine strukturierte Form annehmen wird;

6. Mit der Verabschiedung der Empfehlung 1202 über religiöse Toleranz in einer demokratischen Gesellschaft durch die Vollversammlung im Jahr 1993 hat der Europarat sich bereits für den Weg des Dialogs auf der Grundlage der gleichen Würde der vielfältigen Kulturen und Religionen in Europa entschieden;

7. In diesem Licht hat der Kongress einen Bericht über den Interkulturellen und interreligiösen Dialog : eine Chance für die lokale Demokratie verfasst, in dem 12 Schlüsselprinzipien genannt werden, die anzuwenden sind, um die erforderlichen Bedingungen für die Förderung eines solchen Dialogs zu schaffen;

8. Der Kongress unterstützt in vollem Umfang die Aktivitäten, mit deren Hilfe spezielle, konkrete Maßnahmen gemäß den Empfehlungen in Bezug auf die in Verbindung mit dem Weißbuch des Europarats unternommene Arbeit zu implementieren, und ruft das Ministerkomitee auf, die Mitgliedstaaten zu bitten:

a. die Gründung eines Netzwerks „Interkulturelle Städte: Regierungsführung und politische Ansätze für vielfältige Gemeinschaften“ zu unterstützen, die auf eine Stärkung der Bemühungen abzielt, auf der kulturellen Vielfalt auf lokaler Ebene aufzubauen und diese zu erweitern;

b. in den zuständigen Behörden jedes Mitgliedstaates eine Stelle einzurichten, bei der Informationen und Daten über in dem jeweiligen Land bestehende kulturelle und religiöse Netzwerke gesammelt und ausgewertet werden, und diese Informationen all jenen zur Verfügung zu stellen, die am interkulturellen Dialog beteiligt sind;

c. sich auf die kulturelle Dimension religiöser Weltanschauungen zu konzentrieren, indem sie deren Nutzen im Hinblick auf die soziale Dimension innerhalb der Gesellschaft hinweisen und die relevanten Informationen in den Geschichts- und Staatsbürgerkundeunterricht und in die Schulbücher aufzunehmen;

d. der Einbeziehung von jungen Menschen in den interkulturellen Dialog besondere Aufmerksamkeit zu widmen, u.a. durch die Entwicklung einer Politik, die sie auf ein Leben in multikulturellen Gesellschaften vorbereitet;


e. die Nichtregierungsorganisationen aktiv zu unterstützen, u.a. finanziell, damit sie ermutigt werden, die Interaktion von Methoden zu fördern, durch die die Mehrheitskultur der historisch in den betreffenden Gebieten bedingten Religion(en) betrieben und vermittelt wird, und gleichzeitig neuen kulturellen und religiösen Gemeinschaften zu ermöglichen, mit Vertretern der Mehrheitskultur in Kontakt zu treten und dadurch das gegenseitige Verständnis zu fördern;

f. über Bürgerprogramme für nichtdiskriminierendes Verhalten gegenüber Minderheitskulturen das Bewusstsein zu erhöhen;

g. Kalender zu entwerfen, in denen alle wichtigen kulturellen und religiösen Festtage auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene aufgeführt sind, um die Kenntnisse der lokalen und regionalen Bewohner über die bestehende kulturelle und religiöse Vielfalt zu steigern und das gegenseitige Verständnis zu erhöhen;

h. die Massenmedien aufzufordern, Gelegenheiten für alle zu schaffen, die Kulturen und Weltanschauungen der anderen kennen zu lernen und die Redefreiheit verantwortlich auszuüben, und Stereotypen zu vermeiden, welche die Intoleranz fördern;

i. den Koordinatoren des Europarats für den Interkulturellen Dialog anzuweisen, eine Ausgangsbewertung der Bedürfnisse der verschiedenen Partner vorzunehmen, die am interkulturellen und interreligiösen Dialog beteiligt sind, mit dem Ziel einer möglichen zukünftigen Hilfestellung bei der Realisierung von Projekten, die auf die Förderung dieses Dialogs abzielen;

j. die Ernennung eines Diversitäts-Kommissars oder –Ombudsmannes/-frau auf lokaler und/oder regionaler Ebene zu fordern, der die Aufgabe hat, die Anfragen über die Verwaltung und die Unterstützung von Initiativen zu sammeln, welche die weitere Entwicklung des interkulturellen und interreligiösen Dialogs fortführen.



[1] Diskussion und Annahme durch den Kongress am 29. Mai 2008, 3. Sitzung (siehe Dokument CG(15)15REC, Empfehlungsentwurf vorgelegt durch P. Corneloup (Frankreich, L, EVP/CD) und G. Martini (Italien, L, EVP/CD), Berichterstatter).