16. PLENARTAGUNG
Straßburg, 3. - 5. März 2009

Interkulturelle Städte

Empfehlung 261 (2009)[1]

1. Die interkulturellen Städte stellen das notwendige Gegengewicht zu der weltweiten Bewegung hin zur wirtschaftlichen und kulturellen Integration dar, allgemein als Globalisierung bekannt. Die europäischen Städte haben ein grundlegendes Interesse an der Förderung des Kulturaustausches und der multikulturellen Identitäten, da diese die Basis der kulturellen Vielfalt in Europa bilden. 

2. Nationale Regierungen und regionale Behörden haben ein Interesse daran, die Städte tauglich zu machen für die kulturelle Vielfalt, indem sie ihnen helfen, die nötigen Räume und Instrumente zu finden, um den interkulturellen Austausch und Dialog mit den Städten zu führen und zu fördern. Gleichzeitig sollten die zuständigen Politiker sichergehen, dass die Identitäten sich frei äußern und auf lokaler Ebene voll und ganz entwickeln können und es obliegt den Städten, ständig zu prüfen, ob dies der Fall ist.

3. Eine starke kulturelle Identität darf nicht die Stärke der nationalen Identität schmälern. Im Gegenteil, die nationale Identität muss offen und flexibel genug sein, damit die unterschiedliche kulturelle Herkunft und die besonderen kulturellen Erfahrungen ihrer Bürger integriert und akzeptiert werden, dies macht einen pluralistischen Staat aus.

4. Bei der Förderung der kulturellen Vielfalt muss die Inklusion eine der Prioritäten sein, um die Exklusion von heute auszugleichen. Es liegt an den Städten selbst, eine ausreichende Offenheit hierbei an den Tag zu legen. Sie müssen anerkennen, dass sowohl die kulturellen Gruppen und Gemeinschaften auf ihrem Gebiet als auch der Beitrag dieser Gruppen zur sozialen Kohäsion der Stadt verschieden ist, darunter auch die Gruppe, die als Neuankömmlinge und Einwohner auf Zeit eingestuft werden. Die Regierungen sollten den Städten helfen, mit der Herausforderung fertig zu werden, eine inklusive Identität zu entwickeln. Das Zugehörigkeitsgefühl zu einem Ort ist wichtig bei der Bildung der Identität.

5. Angesichts des oben Gesagten ist der Kongress,

a. überzeugt von der Notwendigkeit, die Empfehlung 115 (2002) des Kongresses über die Beteiligung ausländischer Einwohner am öffentlichen Leben in der Gemeinde weiter zu stärken;

b. überzeugt davon, dass ausländische Einwohner, die dauerhaft und rechtmäßig auf dem Gebiet eines Staates angesiedelt sind, Rechte erhalten sollten, darunter auch politische Rechte, im Gegenzug dafür, dass sie Verpflichtungen gegenüber dem Gastland eingehen;

c. der Auffassung, dass viele Städte in ganz Europa bereits Initiativen auf ihrer Ebene ergriffen haben, um dieses demokratische Defizit zu beheben, indem sie insbesondere beratende Ausländerbeiräte eingesetzt haben;

d.unter Berücksichtigung des Weißbuches des Europarates über den interkulturellen Dialog (verabschiedet bei der Tagung des Ministerkomitees im Mai 2008);

e. überzeugt von der Notwendigkeit, die Wahrnehmung der Vielfalt in der Gemeinschaft als Ressource anstatt als Bedrohung zu fördern;

f.überzeugt von der Notwendigkeit, dass die Gemeinden die Vermischung und Interaktion der Kulturen erleichtern sollten;

g.überzeugt von der Notwendigkeit, multikulturelle Identitäten zu entwickeln, die alle sozialen, ethnischen und kulturellen Gruppen einschließen;

h.der Auffassung, dass einer der Hauptvorteile der interkulturellen Städte die Vielfalt und das Kulturerbe ihrer Bevölkerung ist;

6. Empfiehlt dem Ministerkomitee:

a.die Mitgliedstaaten anzuregen, den Beitrag der Nichtstaatsbürger zur politischen Stabilität und zum Wohlstand der Städte, zur Kreativität, Vitalität, zum Wohlergehen ihrer Bürger und zu ihrer erfolgreichen Integration anzuerkennen und die Arbeit in den Städten zu unterstützen;

b. die Mitgliedstaaten aufzufordern, ausländischen Einwohnern das Wahlrecht bei Gemeindewahlen zu gewähren und die Konvention über die Beteiligung von Ausländern am öffentlichen Leben auf lokaler Ebene zu ratifizieren;

c.anzuerkennen, dass starke inklusive interkulturelle Städte, denen es gelungen ist, Bürger unterschiedlicher Herkunft dazu zu bringen, sich mit ihrer Stadt zu identifizieren, sich als innovationsfähig zeigen und in der Lage sind, die Ressourcen, Fähigkeiten und Kreativität ihrer Bevölkerung zu nutzen, um die Attraktivität zu stärken und neue Investitionen und Arbeitsplätze anzuziehen;

d.sicherzustellen, dass die Städte über ausreichende Mittel verfügen, um eine inklusive Identität zu schaffen, die gleichzeitig alle Gruppen auf ihrem Gebiet berücksichtigt und dem interkulturellen und interreligiösen Dialog, dem Schutz der Minderheiten und der Achtung ihrer kulturellen Rechte die nötige Aufmerksamkeit zu schenken, sich aber auch der Gefahr des Ethnozentrismus bewusst zu sein;

e.sicherzustellen, dass landesweite Programme für die Schulung von Beamten und Angestellten der Sozialdienste eingerichtet werden, die für die Zuwanderer und Menschen aus Zuwanderfamilien zuständig sind und damit Fallstricke und Gefahren der Ausgrenzung und Entfremdung zu vermeiden;

f. sicherzustellen, dass die Beamten, die für das interkulturelle Konfliktmanagement zuständig sind, sowie die Kulturvermittler, eine spezifische Schulung erhalten, bevor sie ihre Arbeit antreten, damit sie ausführliche Kenntnisse über die Vielfalt und Komplexität der spezifischen kulturellen Identitäten erwerben, die in der Stadt, in der sie arbeiten, vertreten sind;

g.die öffentlich-rechtlichen Medien anzuregen, zur Bildung der multikulturellen Identitäten beizutragen, indem landesweite Partnerschaft und Programme der Medien für eine ausgewogene Berichterstattung über die Vielfalt eingerichtet werden;


h. die Bedeutung der Sprache für die kulturelle Vielfalt und die kulturelle Identität anzuerkennen und die Mitgliedstaaten, die dies noch nicht getan haben, aufzufordern, die Rahmenkonvention für den Schutz nationaler Minderheiten und die Europäische Charta für Regional- oder Minderheitensprachen zu ratifizieren und die Verwendung von Regionalsprachen in den Verwaltungen auf regionaler und lokaler Ebene zu fördern;

i. die Bedeutung von Migrantenvereinigungen, sozioökonomischen Organisationen, NROs und anderen beratenden Organen anzuerkennen;

j.die Planung und Umsetzung von Projekten zur Sanierung der Stadtviertel und der Programme für den Zugang zu Wohnungen, Gemeindezentren und anderen öffentlichen Räumen zu unterstützen, die die Vermischung und Interaktion der Kulturen fördern und ermöglichen;

k. die nationalen, regionalen und lokalen Vereinigungen und Organe bei der Einrichtung von Programmen und Kampagnen zur Bekämpfung von Rassismus, Diskriminierung und Fremdenhass zu unterstützen;

l.die Einführung eines interkulturellen Lehrplans an Schulen mit Fächern wie Bürgerkunde und Menschenrechtserziehung auf allen Ebenen national, regional und lokal zu unterstützen;

m. die Einrichtung lokaler Integrationsbeiräte zu unterstützen, in der die Vertreter der Zuwanderer gemeinsam mit den interkulturellen und interreligiösen Beiräten aktiv beteiligt werden, damit sie in den Entscheidungsprozess einbezogen werden.



[1] Diskussion und Zustimmung durch die Kammer der Gemeinden am 4. März 2009 und Annahme durch den Kongress am 5. März 2009, 3. Sitzung (siehe Dokument CPL(16)1REP, Begründungstext, Berichterstatter: J. Nilsson, (Schweden, L, SOC)).