14. PLENARTAGUNG
(Straßburg, 30. Mai – 1. Juni 2007)

Herausforderungen und Chancen für periphere und dünn besiedelte Regionen

Empfehlung 225(2007)[1]


1. Der gleiche Zugang zu Infrastrukturen, Diensten und wirtschaftlicher Entwicklung ist eines der Fundamente für eine nachhaltige Entwicklung und für Demokratie. Periphere Regionen, dünn besiedelte Gebiete und einige Gebirgszonen und Inseln sehen sich jedoch häufig mit einer Häufung von Nachteilen konfrontiert, aufgrund von Problemen, die mit ihrer entlegenen Lage, ihrer relativ geringen Größe im Fall von Inseln, ihrer Entfernung von wirtschaftlichen und sozialen Zentren, höheren Infrastrukturkosten und in einigen Fällen mit ihren harschen klimatischen Bedingungen zusammenhängen;

2. Zusätzlich zu den geografischen Nachteilen ist die Auswirkung der Globalisierung in peripheren Gebieten ungleichmäßig, da die demografischen Umwälzungen, die in den europäischen Staaten stattfinden, die peripheren und dünn besiedelten Gebiete überproportional hart treffen;

3. Darüber hinaus wirkt sich der Klimawandel bereits auf viele periphere Regionen aus, insbesondere viele Inseln und Küstengebiete sind durch das Ansteigen des Meeresspiegels betroffen und Bergregionen sehen sich harscheren Bedingungen und schmelzenden Gletschern ausgesetzt;

4. Periphere Regionen sind wichtig für eine nachhaltige Entwicklung des europäischen Kontinents. Viele weisen lebenswichtige Energie- oder Erzvorkommen auf und bieten eine reiche, vielfältige und oftmals fragile Biodiversität. Einige Regionen sind Heimat nativer, traditioneller Völker und Kulturen, die integraler und wertvoller Teil unseres gemeinsamen europäischen Erbes und unserer Zivilisation sind;

5. Territoriale Unterschiede sind eine Bedrohung der europäischen territorialen Kohäsion. Regionen, die in der Lage sind, ihre natürlichen Ressourcen zu nutzen, finden neue Märkte. Andere Regionen werden immer isolierter, da ihre lokalen wirtschaftlichen Netzwerke durch Warenimporte von außerhalb der Region geschwächt werden;

6. Die geografischen Veränderungen seit dem Fall der Mauer haben die Grenzen in Europa und den Regionen verändert, Länder und Regionen, die ehemals am Rande Europas lagen, befinden sich jetzt im Zentrum. Die neu gezogenen Grenzen Europas bieten größere Chancen für grenzüberschreitende und interkontinentale Partnerschaften und Netzwerke;

7. Die Globalisierung und die Informationstechnologie haben die Vorstellung von Raum, Entfernung und Reisen verändert. Dies hat zu Veränderungen des grundsätzlichen Verständnisses von Peripherie geführt, und Orte, die ehemals entfernt oder isoliert waren, entpuppen sich heute als geeignete Orte für Telearbeit; Inseln, die früher isoliert waren, sind heute Reiseziele und vormals unwirtliche Regionen sind heute für ihre Erz- und Energieressourcen bekannt;

8. Der Kongress der Regionen und Gemeinden begrüßt die Tatsache, dass in seiner Reaktion auf die Empfehlung 175 (2005) über entlegene Regionen: eine Herausforderung für die ausgewogene und nachhaltige Entwicklung in Europa, das Ministerkomitee den Kongress eingeladen hat, die Empfehlung R(87)10 über die Entwicklung von Inseln oder Archipelen als extremes Beispiel für periphere Gebiete dahingehend zu untersuchen, ob diese Empfehlung aktualisiert werden sollte, und wenn ja, die Veränderungen anzugeben, die seines Erachtens in eine überarbeitete Version der Empfehlung aufgenommen werden sollten. Diese Empfehlung bildet einen Teil des gemeinsamen Besitzstands des Europarats;

9. Im Wunsch, eine zusammenhängende Strategie für eine integrierte, regional ausgewogene Entwicklung des gesamten europäischen Kontinents zu entwickeln und angesichts der Tatsache, dass das betreffende Gebiet der Mitgliedstaaten des Europarats sich erheblich verändert hat, lädt der Kongress das Ministerkomitee des Europarats ein:

a. eine neue Empfehlung über periphere, dünn besiedelte, Insel- und Gebirgsregionen im Licht der in diesem Text dargestellten Themen und im Licht der fundamentalen Änderungen auszuarbeiten, die stattgefunden haben, seit Empfehlung R(87)10 über die Entwicklung von Inseln oder Archipelen als extreme Beispiele peripherer Regionen verfasst wurde;

b. den Kongress bei der Ausarbeitung eines rechtlichen Instruments über regionale Demokratie zu unterstützen;


c. zusammen mit der Europäischen Union eine gemeinsame Strategie über Wege zur Stärkung regionaler Identitäten, territorialer Diversität und die nachhaltige Entwicklung der Regionen und Städte über neue Formen innovativer und kooperativer Partnerschaften auf allen Ebenen zu erarbeiten. In diesem Kontext sollen zwischen allen Mitgliedstaaten Instrumente zur Überprüfung von Zielvorgaben für Raumplanungspolitik entwickelt werden;

d. Netzwerken und Kooperationsmaßnahmen zwischen peripheren Regionen am Rande des europäischen Kontinents und ihren angrenzenden Regionen Priorität einzuräumen;

e. die dringlichen Probleme anzugehen, mit denen sich diese Inseln und Küstenregionen konfrontiert sehen, die an vorderster Front von illegaler Einwanderung und Menschen- und Drogenhandel betroffen sind. Die betroffenen Regionen müssen eine adäquate Unterstützung und Mittel erhalten, um dieses Problem abzuschwächen und gleichzeitig sicherzustellen, dass die Menschenrechte respektiert werden;

f. die Mechanismen für den Austausch von Erfahrungen und bester Praktiken und die Entwicklung von Überwachungs- und Frühwarnsystemen in Gebieten zu fördern, die besonders anfällig für den Klimawandel und extreme Wetterbedingungen sind;

g. den Ausbau und die Umsetzung von Milderungs- und Anpassungsstrategien, um sicherzustellen, dass die Bürger, die Ressourcen und das Eigentum vor dem drohenden Klimawandel geschützt werden;

10. Weiterhin empfiehlt der Kongress dem Ministerkomitee des Europarats, die Mitgliedstaaten des Europarats zu bitten:

a. integrierte und dezentralisierte Politikansätze für die Entwicklung peripherer, dünn besiedelter, Insel- und Gebirgsregionen zu unterstützen, die auf der am besten geeigneten territorialen Ebene zu verfassen sind, sei es lokal, regional, national, selbst grenzüberschreitend, in Übereinstimmung mit dem Grundsatz der Subsidiarität, wie in der Europäischen Charta zur Selbstverwaltung und in der Arbeit des Kongresses zur regionalen Demokratie festgelegt;

b. polyzentrische Raumentwicklungsmodelle mittels innovativer Politikansätze, Strategien und Umsetzungsmechanismen zu fördern, die das Wachstum überlappender Netzwerke auf verschiedenen territorialen Ebenen unterstützen,  um so historische Grenzen, die physische Distanz von den Zentren und schlechte Kommunikationsnetzwerke zu überwinden;

c. sicherzustellen, dass Raumplanungs- und Entwicklungspolitik für periphere und dünn besiedelte Regionen in nachhaltiger und effektiver Weise verstanden und umgesetzt wird und den Interessen der unmittelbar betroffenen Bevölkerung den Vorrang einräumt;

d. Partnerschaften zwischen verschiedenen territorialen Ebenen zu fördern, um die Entwicklung integrierter Infrastrukturen in den Regionen sicherzustellen, inkl. Transport, Breitbandnetzwerke, dezentralisierte Bildung und ein verbessertes lokales Wirtschaftswachstum;

e. Mittel bereitzustellen, die für das Angebot öffentlicher Dienste und die Entwicklung von Infrastrukturen gemäß Empfehlung R(2007)4 an die Mitgliedstaaten über lokale und regionale öffentliche Dienste erforderlich sind;

f. die Euroregionen oder ähnliche europäische Netzwerke für das Management der internationalen Kooperation, den Austausch von guten Praktiken und die Entwicklung grenzüberschreitender Wirtschafts-, Sozial- und Kulturprojekte zu nutzen;

g. sicherzustellen, dass das Management und die Nutzung von Energie- und Erzvorkommen in peripheren und dünn besiedelten Regionen auf eine Weise erfolgt, die nachhaltig ist im Hinblick auf die Ressourcen und die Umwelt;


h. die Möglichkeiten der peripheren und dünn besiedelten Regionen bei der Bereitstellung geeigneter Örtlichkeiten zur Entwicklung erneuerbarer Energiequellen zu untersuchen, inkl. Biomasse, Hydroenergie, Geothermie und Solarenergie;

i. die Bewahrung und Förderung von Sprachen, Kulturen, Identitäten und Traditionen von Minderheiten zu betreiben, die in peripheren, dünn besiedelten, Insel- oder Gebirgsregionen leben.



[1] Diskussion und Zustimmung durch die Kammer der Regionen am 31. Mai 2007 und Annahme durch den Kongress am 1. Juni 2007, 3. Sitzung (siehe Dokument CPR(14)7REC, Empfehlungsentwurf vorgelegt durch I. Linge (Schweden, R, EVP/CD), Berichterstatter).