40. TAGUNG

Gewährleistung der Achtung der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung in schweren Krisensituationen

Empfehlunsentwurf 453 (2021)[1]

1.      Der Kongress der Gemeinden und Regionen des Europarats verweist insbesondere auf:

a.   die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK, 1950);

b.   die Statutarische Entschließung CM/RES(2020)1 in Bezug auf den Kongress der Regionen und Gemeinden des Europartes und die revidierte Charta, die dieser angehängt ist angenommen vom Ministerkomitee;

c.   die Europäische Charta der kommunalen Selbstverwaltung (SEV Nr. 122, 1985) und deren Zusatzprotokoll über das Recht zur Beteiligung an den Angelegenheiten der kommunalen Verwaltung (SEV Nr. 207, 2009);

d.   die Nachhaltigkeitsziele (SDGs) der Agenda für nachhaltige Entwicklung 2030 der Vereinten Nationen, insbesondere Ziel 11 „Nachhaltige Städte und Gemeinden“ und Ziel 16 „Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen“;

e.   das Informationsdokument der Generalsekretärin des Europarates „Achtung der Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte während der COVID-19-Krise: Toolkit für Mitgliedstaaten“ (2020);

f.    den Bericht der Venedig-Kommission über die Achtung der Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit bei Ausnahmezuständen (2020);

g.   die Kongress- Empfehlung 444(2020) „Kommunal- und Regionalwhalen in schweren Krisensituationen“;

h.   die Kongress-Empfehlung 455(2021) „Wiederkehrende Themen auf Grundlage der Bewertungen, die sich aus dem Monitoring und den Wahlbeobachtungmissionen ergeben (Referenzzeitraum 2017-2020)“.

2.      Der Kongress betrachtet die COVID-19-Pandemie als schwere Krisensituation, die die Ausübung der kommunalen Demokratie größeren Beeinträchtigungen und einem größeren Druck aussetzt, als dies normalerweise der Fall ist. Obwohl die Pandemie sich unterschiedlich auf Regionen und Gemeinden auswirkt, hat sie allgemein zu signifikanten und vielfältigen Herausforderungen in den Mitgliedstaaten des Europarates geführt, insbesondere im öffentlichen Gesundheitswesen, bei der Bereitstellung von Sozialleistungen und in der Wirtschaft, und hat auch in einigen Fällen bereits bestehende Trends zur Zentralisierung beschleunigt.

3.      Der Kongress erkennt an, dass die schweren Krisensituationen in einigen Fällen die Einführung einheitlicher Maßnahmen in einem Staat erfordern können. Diese sollten jedoch in den Grenzen der verfassungsrechtlich Gewaltenteilung umgesetzt werden und auf eine Weise, die die wertvolle Rolle der kommunalen Gebietskörperschaften erhält. Aus diesem Grund kann eine krisenbedingte Zentralisierung nur temporärer Natur sein und darf selbst in Notzeiten nicht die kommunale Autonomie unterminieren, durch die ein wichtiger Beitrag zum Kampf gegen COVID-19 geleistet wird.


4.      Der Kongress wiederholt aus diesem Grund, dass die Grundsätze und Standards der kommunalen Demokratie, die in der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung verkörpert sind und von allen 47 Mitgliedstaaten des Europarates ratifiziert wurden, in Krisenzeiten jederzeit hochzuhalten sind, um die kommunale Demokratie zu sichern und die Widerstandskraft und Nachhaltigkeit der kommunalen Selbstverwaltung zu gewährleisten.

5.      In Anbetracht der obigen Ausführungen ruft der Kongress das Ministerkomitee auf, die entsprechenden Stellen in den Mitgliedstaaten des Europarates zu ermutigen:

a.   in ihrem Krisenmanagement und ihrer Konjunkturpolitik die vielfältigen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die kommunalen Gebietskörperschaften zu berücksichtigen, indem sie einen speziellen Fokus auf jene legen, die von der Krise am härtesten betroffen sind. Konjunkturprogramme und Krisenpräventionspläne sollten nach wirksamer Rücksprache mit den Gemeinden entworfen bzw. überarbeitet werden. Dies wird die kommunale Eigenverantwortung einer Politik sicherstellen, die für eine erfolgreiche Umsetzung an der Basis im gemeinsamen Interesse aller Regierungsebenen und Bürgern benötigt wird;

b.   sicherzustellen, dass die kurzfristige Zentralisierung, die in einigen Fällen angewandt wurde, um Entscheidungen zu beschleunigen und zu vereinfachen, nur eine temporäre Maßnahme ist, und eine langfristige Zentralisierung der Zuständigkeiten und der damit verbundenen finanziellen Mittel zu vermeiden. Die Entscheidungen zur Fortführung oder Unterbrechung der krisenbedingten Zentralisierung sollten an den Grundsätzen der Notwendigkeit, Verhältnismäßigkeit und Zeitweiligkeit gemessen werden;

c.   die Gemeinden in ihren Bemühungen beim Umgang mit den Herausforderungen im öffentlichen Gesundheitswesen und den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Problemen, die durch COVID-19 entstanden sind, weiter zu unterstützen. Dies kann durch die Zuweisung angemessener finanzieller Mittel an die Gemeinden, damit diese ihre neuen Aufgaben wahrnehmen können, den Verzicht auf eine übermäßige Aufsicht, die Sicherstellung der Koordinierung und die systematische Aufklärung über nationale und regionale Maßnahmen, den Austausch guter und schlechter Praktiken beim Krisenmanagement sowohl innerhalb des Staates als auch über nationale Grenzen hinweg und die Unterstützung der Zusammenarbeit zwischen den Kommunen erreicht werden;

d.   zu versuchen, die Eigenmittel der Gemeinden zu erhöhen und die kommunalen Einnahmequellen zu diversifizieren, um die Gemeinden krisensicher zu machen und um sicherzustellen, dass die Bedingungen der Finanztransfers den kommunalen Stellen Raum lässt, die Prioritäten bei ihren Ausgaben selbst zu bestimmen;

e.   die öffentliche Partizipation im Internet als Ergänzung zu traditionelleren Formen der Bürgerbeteiligung an den Angelegenheiten der Gemeinde zu fördern, unter gleichzeitiger Achtung der Grundsätze der Gleichheit in Bezug auf den Internetzugang;

f.    ihre Kooperation und den politischen Dialog mit dem Kongress fortzusetzen, um die kommunale und regionale Demokratie durch die Anwendung der Charta zu verbessern und die Plattform des Kongresses zu COVID-19 zu nutzen, um gute Praxisbeispiele von der kommunalen und regionalen Ebene in Reaktion auf schwere Krisen auszutauschen.



[1] Diskussion und Annahme durch den Kongress am 24.märz 2021, 2. Sitzung (siehe Dokument CG(2021)40-07final, Begründungstext), Berichterstatter: Leendert VERBEEK, Niederlande (R, SOC/G/PD) und Robert-Csongor GRÜMAN, Rumänien (R, EPP/CCE).