Der Kongress, mit Bezug auf den Vorschlag der Kammer der Gemeinden,
1. Berücksichtigt die Ergebnisse und die Schlusserklärung der vom 10.-12. Oktober 2001 in Innsbruck (Österreich) durchgeführten Konferenz über "Die Gemeinden und die öffentlichen Dienste in Europa", welche der Kongress zusammen mit dem Ausschuss der Regionen der Europäischen Union sowie mit der Stadt Innsbruck organisiert hatte;
2. In Anbetracht der Tatsache, dass die Erbringung der öffentlichen Dienstleistungen, insbesondere in den Bereichen Energie, Transportwesen, Bewirtschaftung das Wassers und Abfallentsorgung, zu den Grundobliegenheiten der Gebietskörperschaften gehören;
3. Im Bewusstsein der Tatsache, dass die Erbringung öffentlicher Dienste in vielen Fällen unter Berücksichtigung und in Wahrung des Subsidiaritätsprinzips zu geschehen hat;
4. Der Ansicht, dass öffentliche Dienste, als Mittel, den Interessen der Allgemeinheitzu dienen, folgendes leisten sollten: die Konsumenten befriedigen, die soziale, wirtschaftliche und territoriale Kohäsion sicherstellen und die Umwelt schützen entsprechend dem Grundsatz einer nachhaltigen Entwicklung der europäischen Gebiete;
5. Stellt fest, dass die Liberalisierung und die Öffnung der Grenzen der EU-Mitgliedstaaten der Europäischen Union die Tendenz verstärkt haben, sich von den öffentlichen Anbietern abzuwenden und private Anbieter zu bevorzugen; diese Tendenz wurde weiter akzentuiert durch die Direktiven der Europäischen Union bezüglich der Gas- und Elektrizitätsmärkte;
6. Hebt diesbezüglich hervor, dass der Privatsektor als Anbieter öffentlicher Dienste in der Lage ist, sich den Regeln der Europäischen Union anzupassen, dass er erhebliche Kostensenkungen und qualitative Verbesserung ermöglichen kann, die Innovation und Diversifikation der Dienste fördert und sich als wirksam sowie leistungsfähig bei der Lieferung von Gütern und Dienstleistungen erweisen kann;
7. Ist der Meinung, dass private genau wie öffentliche Unternehmen dem Interesse der Allgemeinheit dienen, Umwelt und Gleichberechtigung als Werte achten, den Konsumentenschutz sicherstellen und dafür sorgen können, dass die geleisteten Dienste den realen Erwartungen der Kunden entsprechen;
8. Ist jedoch der Meinung, dass der Privatsektor bei der Erbringung seiner Dienstleistungen nicht immer für Ausgewogenheit und soziale sowie territoriale Kohäsion sorgen kann und sich eher nach dem Nutzen als nach dem Allgemeininteresse richtet, eher nach Maximierung als nach Optimierung der Gewinne strebt und nicht unbedingt einer demokratischen Kontrolle unterliegt;
9. Unterstreicht, dass die gemeindeeigenen Betriebe, die mit der Erbringung von Dienstleistungen beauftragt sind, dank der Liberalisierung der Märkte Anstrengungen unternommen haben, leistungsfähiger zu sein, Kosten zu reduzieren, Innovationen zu fördern, die Qualität der Dienstleistungen zu verbessern und die Konsumenten zu befriedigen;
10. Ist der Meinung, dass das Eigentumsrecht auf Infrastrukturen, vor allem betreffend die Systeme zur Wasserversorgung und Abwasserentsorgung, welche vor Jahrzehnten errichtet und seither verantwortungsvoll durch die Städte betrieben worden sind, nicht geopfert werden dürften, um die Gewinne im Privatsektor zu maximieren;
11. Unterstreicht, dass in zahlreichen zentral- und osteuropäischen Ländern bei der Konsolidierung der Märkte für Elektrizität, Gas und Abfalltransport und -beseitigung Fortschritte erzielt worden sind, dass aber dennoch in einigen dieser Länder nicht zu vernachlässigende Probleme hinsichtlich des Zustandes der Infrastrukturen (vor allem der Strassen, der Autobahnen und der Abwasserentsorgung) vorliegen;
12. Stellt fest, dass die Trinkwasser- und Elektrizitätsversorgung noch immer unausgeglichen und für den Konsumenten teuer ist und dass in einigen dieser Länder Wirtschaftswerte in Form öffentlicher Strukturen und Infrastrukturen aus Gemeindebesitz wegen unmittelbaren Kapitalbedarfs zu Billigpreisen an private Investoren verkauft worden sind;
13. Ist der Ansicht, dass Unternehmen, die für die Erbringung öffentlicher Güter und Dienstleistungen eine Kombination öffentlicher und privater Partner benützen, dazu beitragen, eine konsistente und kontinuierliche Tätigkeit auf Gemeindeebene, eine im öffentlichen Interesse funktionierende kollektive Kontrolle und eine verbesserte Leistung sicherzustellen. Bezeugt wird dies durch den Erfolg der in manchen europäischen Ländern bestehenden gemischtwirtschaftlichen Gesellschaften, denen die Schaffung von Synergien zwischen der Effizienz des Privatsektors und der Ausgewogenheit des öffentlichen Sektors geglückt ist;
14. Lenkt die Aufmerksamkeit der Mitgliedstaaten des Europarats auf die Notwendigkeit, in Zusammenarbeit mit den Gemeinden zu fördern:
a. die wirtschaftliche Kohäsion: durch Unterstützung der öffentlichen Unternehmen in ihrer Funktion des Schaffens von Arbeitsplätzen; durch Ermutigung der Unternehmen zur Optimierung - statt Maximierung - des Gewinns; durch Einschränkung der Praxis, den öffentlichen Besitzstand billig zu verkaufen, um rasch an Kapital zu kommen; durch die Diversifizierung der Tätigkeiten und die Verhinderung der Bildung nationaler oder internationaler Monopole, vor allem im Bereich der Wasser- und Energieversorgung;
b. die soziale Kohäsion: durch den Schutz des Interessses der Allgemeinheit durch die Sicherstellung, dass jeder Einwohner Zugang zu öffentlichen Diensten hat; durch Einbeziehung des Publikums in die Beschlussfassung über die Einrichtung und Arbeitsweise öffentlicher Dienste; durch Einführung von Tarifanpassungen für kleine Einkommen und durch ad hoc-Leistungen für Behinderte;
c. die territoriale Kohäsion: durch Sicherstellung einer territorial ausgewogenen Verbreitung der Dienstleistungen; dadurch, dass den benachteiligten, besonders auch den ländlichen und isolierten Gegenden die selben Vorteile und Tarife angeboten werden wie den Bewohnern der städtischen und wirtschaftlich besser gestellten Gebiete;
15. Macht die Regierungen der Mitgliedstaaten darauf aufmerksam, dass eine Verwirklichung dieser Ziele voraussetzt, dass die Städte und Gemeinden die Verluste aus strukturell defizitären Aktivitäten weiterhin mithilfe von Einnahmen aus gewinnbringenden Aktivitäten ausgleichen können;
16. Fordert die nationalen Regierungen und die europäischen Institutionen auf, dafür zu sorgen, dass die Gesetzgebung betreffend die öffentlichen Dienstleistungen:
a. das "Dumping", dessen einziges Ziel es ist, Konkurrenten vom Markt fernzuhalten, sanktioniert;
b. die Schaffung nationaler Monopole oder Oligopole auf dem Gebiet der öffentlichen Dienste verhindert;
17. Fordert das Europäische Parlament und den Rat der Europäischen Union auf, zu bedenken, dass die Gemeinden und Regionen oft Besitzer von Dienstleistungsunternehmen und -infrasrukturen bleiben, die wichtige Aufgaben nicht nur wirtschaftlicher, sondern auch sozialer Art erfüllen, und fordert deshalb den EU-Gesetzgeber auf, diesen Unternehmen die Möglichkeit zu gewährleisten, weiterhin Dienstleistungen zu erbringen, ohne obligatorischen Ausschreibungen unterworfen zu werden;
18. Lädt die Kommission der Europäischen Union ein, Leitlinien für die Klärung des Inhalts von Artikel 16 des Vertrags über die Europäischen Union betreffend die Gewährleistung und Sicherstellung der Versorgung mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse auszuarbeiten und bittet, dass diese Leitlinien den von den Gemeinden und Regionen zum Ausdruck gebrachten Wünschen entsprechen.
1 Diskussion und Zustimmung durch die Kammer der Gemeinde, am 5. Juni 2002 und Annahme durch den Ständigen Ausschuss des Kongresses am 6. Juni 2002 (siehe Dok. CPL (9) 4, Empfehlungsentwurf vorgelegt durch Herrn A. Schreiber, Berichterstatter)