13. PLENARTAGUNG

DREIZEHNTE TAGUNG

(Straßburg, 30. Mai – 1. Juni 2006)

Empfehlung 196 (2006)1

über die

Gemeindedemokratie in Liechtenstein

(1) Diskussion und Zustimmung durch die Kammer der Gemeinden am 30. Mai 2006 und Annahme durch den Ständigen Ausschuss des Kongresses am 1. Juni 2006 (siehe Dok. CPL(13)3, Empfehlungsentwurf vorgelegt durch C. Newbury (Vereinigtes Königreich, L, EVP/CD), Berichterstatter).


Der Kongress,

1. Unter Bezug auf:

a. Artikel 2, Absatz 1.b der statutarischen Entschließung (2000) 1 über den Kongress der Gemeinden und Regionen Europas, der als eines der Ziele des Kongresses das „Vorlegen von Vorschlägen zur Förderung der Demokratie der Gemeinden und Regionen an das Ministerkomitee“ definiert;

b. Artikel 2, Absatz 3 der statutarischen Entschließung (2000) 1 über den Kongress, der vorsieht, „der Kongress erarbeitet regelmäßig länderspezifische Berichte über die Lage der Demokratie auf Gemeinde- und Regionsebene in allen Mitgliedstaaten sowie in allen Staaten, die sich um den Beitritt zum Europarat bewerben und wacht insbesondere über die wirksame Umsetzung der Grundsätze der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung ”;

c.Entschließungen 31 (1996), 58 (1997) und 106 (2000) des Kongresses, die Leitlinien für die Erstellung dieser Berichte festlegen;

2. Nimmt den Bericht über die Situation der Gemeindedemokratie in Liechtenstein zur Kenntnis, den der Berichterstatter Christopher Newbury (EVP/CD, L, Vereinigtes Königreich) nach einem offiziellen Besuch in Liechtenstein (3. und 4. November 2005) mit Hilfe von Professor Jean-Marie Woehrling, Mitglied der Gruppe unabhängiger Experten der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung ausarbeitete, dem der Kongress für seinen Beitrag dankt;

3. Dankt allen Vertretern der Regierung und des Parlaments sowie den gewählten Vertretern der Städte und Gemeinden von Liechtenstein sowie den Experten, die bereit waren, die Delegation des Kongresses (die aus einem Berichterstatter, einem Experten und dem Sekretariat bestand) bei ihren Besuchen zu treffen und auch bei der Ausarbeitung des Berichtes behilflich waren;

4. Wünscht die Behörden in Liechtenstein und das Ministerkomitee und die Parlamentarische Versammlung des Europarates auf die untenstehenden Bemerkungen und Empfehlungen aufmerksam zu machen;

5. Bezüglich der Umsetzung der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung („die Charta”) und der allgemeinen Situation der Gemeindedemokratie:

a. verweist darauf, dass Liechtenstein die Charta am 1. September 1988 ratifiziert hat und dass nach dem Rechtssystem Liechtensteins ratifizierte internationale Konventionen direkt auf nationaler Ebene anwendbar sind, ohne dass es ein Gesetz zur Umsetzung des internationalen Rechtes in nationales Recht geben müsste;

b. stellt fest, dass bezüglich der allgemeinen Situation der Gemeindedemokratie in Liechtenstein die Institutionen in Liechtenstein insgesamt den Anforderungen der Charta entsprechen;

c. stellt fest, dass die Revision des Gemeindegesetzes am 13. Dezember 1988 nach der Ratifizierung der Charta deutlich zeigt, dass Liechtenstein die kommunale Selbstverwaltung im Einklang mit der Charta fördern möchte;

d. begrüßt die positive Rolle der Gemeindevorsteherkonferenz bei diesem Prozess;

e. stellt jedoch fest, dass die Art und Weise, wie die Charta umgesetzt wird, einige Fragen aufwirft und noch verbessert werden sollte;

6. Bezüglich der Befugnisse der Gemeinden:

a. weist darauf hin:

i.          dass die den Gemeinden in Liechtenstein übertragene Verantwortung beträchtlich und vergleichbar mit der übertragenen Verantwortung in anderen europäischen Ländern ist;

ii.         dass die Gemeinden trotzdem, wie in anderen Ländern auch, aufgrund der Tendenz hin zu einer Standardisierung der Dienste und Lebensbedingungen in einigen Bereichen an Einfluss verlieren;

iii.         dass es notwendig ist, diesem Trend entgegenzutreten und Maßnahmen zu ergreifen, um diese Übertragung der Befugnisse auszugleichen;

b. empfiehlt daher, Maßnahmen zu ergreifen, um die Befugnisse der Gemeinderegierung in Bereichen wie Sozialhilfe und Regional- und Stadtplanung zu stärken;

7. Stellt fest, dass die Abteilungen der Gemeinde- und Zentralregierung bei der Stadtplanung und der Frage der Baugenehmigungen gemeinsam vorgehen und:

a. empfiehlt:

i.          die derzeitigen etwas schwerfälligen Verwaltungsverfahren zu überprüfen, um zu vermeiden, dass die Genehmigungs- oder Entscheidungsverfahren unnötig lange dauern;

ii.         bei der Bearbeitung der Anträge auf Baugenehmigungen, die derzeit in zwei Stufen geprüft werden, Änderungen vorzunehmen. Die erste Stufe besteht aus einer Überlegungsphase, dann die Zustimmung oder Ablehnung durch die Gemeindebehörden und die zweite in einer Prüfung des Hochbauamtes der Zentralregierung, da nur dieses Amt die Befugnis hat zu prüfen, ob die Pläne dem nationalen Stadtplanungsgesetz entsprechen;

iii.         die Verteilung der Befugnisse und der Verantwortung zu klären und ein System einzuführen, das zwischen kleinen und großen Gemeinden unterscheidet;

b. empfiehlt daher:

i.          den Behörden in Liechtenstein, ihr Raumplanungsgesetz zu aktualisieren, obwohl die letzte Reform per Referendum abgelehnt wurde. Dies führte zu einer Lücke bei den Instrumenten in der Raumpolitik der Gemeinde, die zu schließen ist;

ii.         einen Landesrichtlinienplanzu erstellen, der diese Lücke schließt;


8. Bezüglich der Sozialhilfe:

a. verweist darauf:

i.          dass auch hier eine komplexe Aufteilung der Verantwortung zwischen den Gemeinden (Sozialhilfe fällt in ihre Eigenbefugnisse) und der Zentralregierung besteht, die im sozialen Bereich eine immer größere Rolle spielt, um zu garantieren, dass im Fürstentum gleiche Sozialbedingungen herrschen;

ii.         dass in Liechtenstein die Ausgaben für Sozialhilfe gleichmäßig zwischen den Gemeinden und dem Staat aufgeteilt werden, und dass so die Rolle der Gemeinden noch mehr geschwächt wird;

b. empfiehlt daher, die Verantwortung und die Tätigkeiten der Gemeinden zu fördern und in den Bereichen, in denen Nähe und direkter Kontakt wichtig sind, mit entsprechenden Ressourcen zu versehen;

c. verweist darauf, dass die Verteilung der Befugnisse zwischen den Gemeinden und dem Staat derzeit Gegenstand einer Gesetzesvorlage zur Aufgabenentflechtung zwischen Land und Gemeinden besteht;

d. fordert die Regierung auf, den Gemeinden die entsprechenden Finanzmittel zuzuweisen, damit sie die geplante Übertragung der Befugnisse bewältigen können;

e. stellt fest, dass insgesamt die Befugnisse der Gemeinden Artikel 3, Absatz 1 und Artikel 4 der Charta entsprechen;

9. Fordert bezüglich der Vorbehalte von Liechtenstein die Regierung auf, alle Bestimmungen der Charta zu ratifizieren und den Gemeinden einen noch besseren Rahmen zu geben, in dem sie ihre Managementfähigkeiten verbessern und ihren Kompetenzbereich erweitern können.