14. PLENARTAGUNG
(Straßburg, 30. Mai – 1. Juni 2007)

Gemeindedemokratie in „der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien“

Empfehlung 217(2007)[1]


Der Kongress, mit einem Vorschlag der Kammer der Gemeinden befasst,

1. Nimmt Bezug auf

a. Artikel 2, Absatz 1.b der Satzungsentschließung (2000) 1 über den Kongress, der vorsieht, dass eines der Ziele des Kongresses darin besteht, „dem Ministerkomitee Vorschläge zur Förderung der örtlichen und regionalen Demokratie zu unterbreiten“;

b. Artikel 2, Absatz 3 der Satzungsentschließung über den Kongress, wo es heißt, dass „der Kongress in regelmäßigen Abständen der Reihe nach Länderberichte über die Situation der örtlichen und regionalen Demokratie in allen Mitgliedsstaaten sowie in Staaten, welche die Aufnahme in den Europarat beantragt haben, erstellen und dabei insbesondere sicherstellen soll, dass die Grundsätze der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung eingehalten werden“;

c. seine Entschließungen 31 (1996), 58 (1997) und 106 (2000), mit denen die Richtlinien für die Abfassung der oben erwähnten Berichte festgelegt wurden;

2. Weist auf seine Empfehlung 82 (2000) und seine Entschließung 100 (2000) über die örtliche Demokratie in „der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien“ hin;

3. Nimmt den Bericht über die örtliche Demokratie in der „ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien“ (CPL (14)2REP) zur Kenntnis, den Jean-Claude Frécon (Frankreich, SOC, L) als Berichterstatter nach zwei offiziellen Besuchen erstellt hat. Als Stellvertreter des Berichterstatters besuchte Michel Guegan (Frankreich, NR, L) am 30. und 31. Januar 2006  Skopje, Struga und Gostivar, worauf Jean-Claude Frécon vom 20. – 22. Februar 2007 einen weiteren Besuch in Skopje machte. Der Berichterstatter und sein Stellvertreter wurden bei ihrer Aufgabe von Herrn Jean-Marie Woehrling (Frankreich) als Berater und Mitglied der Gruppe unabhängiger Sachverständiger  zum Thema der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung unterstützt, dem der Kongress für seinen Beitrag danken möchte;

4. Dankt allen Regierungsbehörden, den gewählten Vertretern der Gemeinden „der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien“, dem nationalen Gemeindeverband (ZELS) sowie den Experten und Vertretern der internationalen Gemeinschaft im Land für ihre Auskünfte und Anmerkungen anlässlich ihrer Begegnungen mit dem Berichterstatter;

5. Dankt den Herren Michel Rivollier und Gjorgji Jovanovski vom Informationsbüro des Europarats in Skopje für ihre Unterstützung bei der Organisation der Besuche des Berichterstatters;

6. Berücksichtigt, dass

a. die Europäische Charta der kommunalen Selbstverwaltung von „der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien“ unterzeichnet und ratifiziert wurde und am 1. Oktober 1997 in Kraft trat;

b. die Empfehlung 82 (2000) des Kongresses zur Situation der örtlichen Demokratie in „der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien“ ernstliche Mängel in der dortigen örtlichen Demokratie aufgezeigt und die ungenügende finanzielle Ausstattung der Gemeinden beklagt hatte;

c. die Frage der Stärkung der örtlichen Demokratie  in „der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien“  seit 2002 eine neue Dimension angenommen hat, da die Dezentralisierung Teil des 2001 geschlossenen „Rahmenabkommens“ von Ohrid war;

d. das Gesetz Nr. 52/95 über die kommunale Selbstverwaltung  2002 neu gefasst wurde. Obwohl diese Neufassung zahlreiche Verbesserungen enthält, ändert sie jedoch die Gemeindeorganisation nicht wesentlich, da sich das Gesetz auf  Durchführungsbestimmungen beruft;

e. 2004 als Folge des Gesetzes Nr. 55/04 vom 16. August 2004 über die Organisation der Einheiten der kommunalen Selbstverwaltung eine gebietsmäßige Neueinteilung erfolgte, mit der die Zahl der Gemeinden von 124 auf 84 reduziert wurde, ohne dass die betroffenen Gemeinden angemessen konsultiert worden wären, und ein Gesetz über die Stadt Skopje erlassen wurde;


f. das Verfahren zur Stärkung der Gemeinden insbesondere mit der Verabschiedung eines Gesetzes über Gemeindefinanzen und größere Zuständigkeiten der Gemeinden in Fragen der Stadtplanung im Juli 2004 einsetzte und ab Juli 2005 ein Programm zur Übertragung bestimmter Infrastrukturaufgaben (samt den entsprechenden Haushaltsmitteln und dem entsprechenden Personal) umgesetzt wurde, etwa in Bezug auf Grund- und Sekundarschulen, Museen und Bibliotheken sowie zahlreiche Wohlfahrtseinrichtungen (Altenheime, Wohlfahrtszentren, Betreuungsstätten, Feuerwehreinrichtungen und Kindergärten);

7. Nimmt mit Befriedigung zur Kenntnis, dass:

a. die seit 2001 und vor allem seit 2005 von „der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien“ ergriffenen Maßnahmen einen deutlichen Wandel und sichtbaren Fortschritt in Richtung auf bessere örtliche Demokratie darstellen;

b. die Gemeinden im Großen und Ganzen mit ihren neuen Aufgaben hinreichend zurecht gekommen sind und sich das Niveau örtlicher Dienstleistungen verbessert hat;

c. die Zusammenarbeit zwischen den Gemeinden und der Landesregierung zugenommen hat, vor allem durch den Gemeindeverband (ZELS), dessen Rolle in Abschnitt 81 des Gesetzes über die kommunale Selbstverwaltung bekräftigt wird. Im März 2003 unterzeichneten der Minister für kommunale Selbstverwaltung und der Präsident von ZELS eine Vereinbarung zur Zusammenarbeit und gemeinsamem Vorgehen bei der Dezentralisierung;

8. Stellt folgende Probleme hinsichtlich einer funktionierenden örtlichen Demokratie in „der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien“ fest:

a. das Gesetz über die kommunale Selbstverwaltung weist zwar formell den Gemeinden weit reichende Zuständigkeiten zu, um sich aber ein wirkliches Bild dieser Kompetenzen zu verschaffen, muss auf zahlreiche Spezialgesetze Bezug genommen werden, welche die Einzelheiten regeln;

b. in vielen Fällen schränken diese Spezialgesetze die im allgemeinen Gesetz festgelegten Zuständigkeiten wieder ein und oft reichen die verfügbaren Haushaltsmittel nicht aus, um die übertragenen Kompetenzen voll wahrzunehmen;

c. „die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien“ hat das Übereinkommen über die Teilnahme von Ausländern am öffentlichen Leben auf kommunaler Ebene bisher nicht unterzeichnet und ratifiziert;

9. Empfiehlt den Behörden „der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien“:

a. mit der Zeit immer mehr Zuständigkeiten auf die Gemeinden zu übertragen und ihnen zusätzliche Mittel zuzuweisen, da die zusätzlichen Kompetenzen der Gemeinden derzeit noch relativ beschränkt sind;

b. dafür zu sorgen, dass die neuerlichen Gemeindeaufsichtsverfahren, vor allem hinsichtlich der Gemeindefinanzen und der kommunalen Personalverwaltung, laufend ausgewertet werden, damit sichergestellt wird, dass diese Bestimmungen nicht wieder dazu führen, dass die Verantwortlichen auf kommunaler Ebene erneut von den staatlichen Stellen abhängen und es wieder zu einer schleichenden Zentralisierung kommt;

c. die Kompetenz und Professionalität des Gemeindepersonals durch Schaffung echten Sachverstands im Bereich der kommunalen Verwaltung und Betonung einer neuen „Verwaltungskultur“ weiter zu stärken, damit Probleme nicht von einer persönlichen Warte aus angegangen werden, sondern im Hinblick auf öffentliche Effizienz und Qualität der Dienstleistung gegenüber dem Publikum;

d. den kommunalen Bediensteten einen echten Status zu verleihen, der es ihnen gestattet, ihre Arbeit neutral, unparteiisch und professionell zu verrichten;

e. sich weiterhin darum zu bemühen, dass kommunale Bedienstete eine Berufsausbildung erhalten und ihr fachliches Können verbessern. Die zahlreichen Initiativen in diesem Bereich bedürfen ordentlicher Koordinierung durch alle Betroffenen;

f. unverzüglich den Anteil an den eigentlichen örtlichen Steuern (oder den Anteil der Gemeinden an der Mehrwert- und Einkommenssteuer) zu erhöhen und zugleich die staatlichen Zuschüsse zu reduzieren;

g. für Transparenz des Standes der kommunalen Steuereinnahmen und staatlichen Zuschüsse zu sorgen;

h. sich eindeutig an den Grundsatz „Für jede Aufgabe auch die nötigen Mittel“ zu halten, d.h. dafür zu sorgen, dass bei jeder Übertragung von Aufgaben auf die Gemeinden auch die entsprechenden Mittel, die der Staat für die fragliche Aufgabe bisher aufgewandt hat, übertragen werden. Ein Ausschuss unabhängiger Experten sollte über die Einhaltung dieses Grundsatzes wachen;

i. einerseits die Möglichkeit zu erwägen, eine einzige, sowohl dem Staat als auch den Gemeinden gegenüber verantwortliche Behörde mit der Aktualisierung des Katasters und der Einziehung der kommunalen Grundsteuer zu beauftragen, sowie andererseits die Möglichkeit staatlicher Eintreibung gemeindlicher Steuern im Auftrag der Gemeinden zu prüfen;

j. zusätzliche Maßnahmen zu ergreifen, um sinnvolle, aber zugleich transparente und objektive Voraussetzungen für kommunale Darlehensaufnahmen festzulegen;

k. allmählich den Anteil der Gemeinden an der Gesamtheit der öffentlichen Ausgaben zu erhöhen, um ihn dem Niveau in anderen europäischen Ländern vergleichbarer Größe (annähernd 16 %, was 8 % des Bruttoinlandsprodukts entspricht) anzugleichen;

l. sicherzustellen, dass die Gemeinden einen vernünftigen Anteil am öffentlichen Grundbesitz innerhalb des Gemeindegebiets erhalten. Zu diesem Zweck sollte der Staat bereit sein, den Gemeinden alle den örtlichen öffentlichen Aufgaben dienenden Gebäude sowie den zur Verfolgung einer kommunalen Entwicklungspolitik nötigen Anteil an Landbesitz zu überschreiben. Eigentumsübertragungen dieser Art können an verschiedene Bedingungen geknüpft und mit Auflagen hinsichtlich der Nutzung der Gebäude oder Ländereien verbunden werden. Um diesen Eigentumsübergang einzuleiten, bedarf es allerdings keiner vorausgehenden Totalrevision des Katasters;

m. den Gemeinderäten und Bürgern vermehrte Prüfungsrechte einzuräumen, etwa durch stärkere Beteiligung von Mitgliedern des Gemeinderats an der internen kommunalen, dem Bürgermeister unterstellten Rechnungsprüfung;

n. Maßnahmen zur Verbesserung der Effizienz der in Artikel 15 und 46 des Gemeindesteuergesetzes  vorgesehenen Kommissionen (denen das Ministerium keine besondere Bedeutung beizumessen scheint) zu ergreifen; diese Kommissionen sollten als Forum zur Diskussion, zur Abstimmung und zu Vorschlägen für die Kontrolle des Gesetzes dienen und Konsens herzustellen helfen;

o. die Handlungsspielräume der Gemeinden zu stärken, um sie in die Lage zu versetzen, eine echte kommunale Entwicklungspolitik zu konzipieren; denn bisher wurden den Gemeinden hauptsächlich Verwaltungsaufgaben (Verwaltung von Schulen, Museen usw.) übertragen. Voraussetzung dafür ist, wie oben ausgeführt, die Klärung der Frage des Eigentums an öffentlichem Grundbesitz;

p. die Zuständigkeit einer einzigen ministeriellen Instanz (vorzugsweise des Ministeriums für kommunale Selbstverwaltung mit Unterstützung des Ministerpräsidenten) zur Durchführung und Überwachung aller Dezentralisierungsmaßnahmen vorzusehen, damit sichergestellt wird, dass alle Ministerien sich an diese Politik halten;

q. die Schaffung einer neutralen, unparteiischen und fachlich kompetenten Instanz zur Schlichtung bestimmter Streitfälle zwischen Gemeinden und Staatsbehörden zu prüfen. Es wäre an ein besonderes Verwaltungsgericht oder eine nichtrichterliche Vermittlerkommission zu denken;

r. das Europaratsübereinkommen über die Teilnahme von Ausländern am öffentlichen Leben auf kommunaler Ebene zu unterzeichnen und zu ratifizieren;


10. Empfiehlt den Gemeinden, die ihnen übertragenen Zuständigkeiten voll auszuschöpfen, indem sie ihre Verwaltungsstellen weiter ausbauen und qualifiziertes Personal einstellen, hauptsächlich Spezialisten für Stadtplanungsrecht, Schulräte und Haushaltsexperten;

11. Empfiehlt dem Ministerkomitee, die vorliegende Empfehlung und die dazu gehörigen Erläuterungen den Behörden „der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien“ zuzuleiten;

12. Empfiehlt der Parlamentarischen Versammlung, bei der Kontrolle der Einhaltung der von „der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien“ eingegangenen Verpflichtungen die oben gemachten Ausführungen und Empfehlungen zu berücksichtigen;

13. Empfiehlt den für kommunale und regionale Verwaltung zuständigen Behörden „der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien“:

a. einen hochrangigen Regierungsvertreter für die Teilnahme an einer der Sitzungen des Kongresses zu benennen, um einen vorläufigen Bericht über bereits ergriffene und/oder geplante Maßnahmen zur Umsetzung der vorliegenden Empfehlung zu erstatten;

b. vorzumerken, dass (gemäß dem neuen Kongressverfahren zur Prüfung der Umsetzung von Empfehlungen) die Behörden „der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien“ die Aufforderung erhalten werden, binnen angemessener Frist dem Präsidenten des Kongressen über die Umsetzung der in dieser Empfehlung genannten Maßnahmen zu berichten.



[1] Diskussion und Zustimmung durch die Kammer der Gemeinden am 30. Mai 2007 und Annahme durch den Kongress am 1. Juni 2007, 3. Sitzung (siehe Dokument CPL(14)2REC, Empfehlungsentwurf vorgelegt durch J.‑C. Frécon (Frankreich, L, SOC), Berichterstatter).