18. TAGUNG
Straßburg, 17. – 19. März 2010

Für nachhaltige Gleichberechtigung von Mann und Frau im kommunalen und regionalen politischen Leben

Entschliessung 303 (2010)[1]

1. Alle Mitgliedsstaaten des Europarats garantieren die rechtliche Gleichstellung von Mann und Frau einschließlich des Rechts, bei Wahlen zu kandidieren, zu wählen und gewählt zu werden. Im Alltag unterliegen diese Rechte jedoch beträchtlichen Einschränkungen.

2. In der europäischen Kommunal- und Regionalpolitik repräsentieren die gewählten Vertreter nicht immer die gesamte Breite der Bevölkerung.

3. Der Kongress sieht in der Gleichstellung von Mann und Frau einen wesentlichen Bestandteil der Menschenrechte und ein grundlegendes Element der Demokratie. Dies setzt voraus, dass beide Geschlechter in allen Bereichen des privaten und öffentlichen Lebens  sichtbar vertreten, auch dazu ermächtigt sind und wirklich gleichermaßen teilnehmen. Dank ihrer Bürgernähe können Gemeinden und Regionen die nötigen Entscheidungen treffen, um die Gleichstellung von Mann und Frau zu fördern und den Alltag der Bürger zu beeinflussen.

4. Sie können auf dem Gebiet der kommunalen und regionalen Verwaltung entsprechend tätig werden, vor allem in ihrer politischen Rolle und ihrer Rolle als Arbeitgeber, ferner im Beschaffungswesen, im Dienstleistungsbereich, bei der nachhaltigen Entwicklung und Stadtplanung, beim Zugang zu städtischen Einrichtungen und in der internationalen Zusammenarbeit.


5. In Übereinstimmung mit den Entscheidungen des Ministerkomitees[2] bemüht sich der Kongress um die Beachtung des Grundsatzes der Gleichstellung von Mann und Frau innerhalb der eigenen Institution. In diesem Zusammenhang begrüßt er die Tatsache, dass im Einklang mit seiner Charta[3] seit seiner 15. Sitzung im Mai 2008 die Delegationen aller Mitgliedsstaaten, Vollmitglieder und Stellvertreter zusammengenommen, mindestens zu 30 % aus Frauen bestehen. Der Kongress, entschlossen, in dieser Richtung weitere Fortschritte zu machen:

a. fordert die nationalen Delegationen auf, künftig diesen Mindestprozentsatz sowohl auf Vollmitglieder wie Stellvertreter anzuwenden und diese Schwelle im Einklang mit der Empfehlung Rec(2003)3 des Ministerkomitees an die Mitgliedsstaaten zur ausgewogenen Beteiligung von Männern und Frauen an der politischen und öffentlichen Entscheidungsfindung möglichst auf 40 % anzuheben;

b. In Vollzug der vorliegenden Entschließung beschließt der Kongress, regelmäßig die Geschlechterverteilung innerhalb des Kongresses zu überprüfen und die entsprechenden Angaben bei jeder Sitzung zu veröffentlichen (Anzahl von Frauen unter den Vollmitgliedern und Stellvertretern, im Vorsitz von Ausschüssen, in politischen und Arbeitsgruppen und als Berichterstatterinnen).

6. Ferner beschließt der Kongress :

a. alle Gremien, Beobachter und Partner zu bitten, bei ihrer Tätigkeit für ausgewogene Geschlechterverteilung zu sorgen;

b. die Bemühung um ausgewogene Geschlechterverteilung im Mandat aller auf Initiative des Kongresses eingesetzten Gremien zu verankern und dafür zu sorgen, dass dem bei allen Arbeiten des fraglichen Gremiums Rechnung getragen wird;

c. sich auch um Gleichstellung von Mann und Frau im Sekretariat des Kongresses zu bemühen und entsprechende Fortbildung anzubieten, damit dieses Problem bei allen Arbeiten des Kongresses im Auge behalten wird.

7. Ferner erinnert der Kongress an seine Entschließung 176 (2004) zur ausgewogenen Geschlechterverteilung auf kommunaler und regionaler Ebene: eine Politik zur Förderung der Gleichstellung von Mann und Frau in den Städten und Regionen, und unterstreicht, dass diese Politik von praktischen Schritten begleitet werden muss.

8. Der Kongress fordert die Gemeinden und Regionen folglich auf, entsprechende Impulse zu geben und politisch zu unterstützen, indem sie:

a.Frauen dazu bewegen, für Ämter zu kandidieren und diese auch wahrzunehmen, um Räte und Versammlungen repräsentativer für die Bevölkerung zu gestalten (Vielfalt der Generationen, der Herkunft und der Erfahrung in der Gemeinschaft), und zu diesem Zweck :

-          für regelmäßigen Wechsel der politischen Amtsträger sorgen;

-          gewählten Vertretern nahelegen, Frauen dazu zu bringen, sich aufstellen zu lassen;

-          sicherstellen, dass niemand seinen Wahlkampf oder seine Amtstätigkeit aus eigener Tasche finanzieren muss;

b. die entsprechende Kapazität der Gemeinden und Regionen aufbauen oder entwickeln, um Maßnahmen zu ergreifen und Dienstleistungen anzubieten, welche die Unterschiede der Geschlechter berücksichtigen, und zu diesem Zweck :

-          Informationen darüber einholen, wer ihre Dienstleistungen in Anspruch nimmt und davon profitiert und um was für Art Dienstleistungen es sich handelt, aufgeschlüsselt nach Geschlecht und sonstigen einschlägigen Kategorien;

-          mit Hilfe von Frauenorganisationen Aktionspläne zur Förderung der Gleichstellung von Mann und Frau aufstellen und verabschieden : dabei sind klare Ziele zu setzen, es muss ein Zeitplan aufgestellt werden und es müssen Kontrollverfahren vorgesehen werden; dabei ist sicherzustellen, dass die gewählten Vertreter informiert werden und die Amtsträger für die entsprechenden Fortschritte verantwortlich gemacht werden;

-          den Bediensteten der Gemeinden und Regionen die Mittel an die Hand geben, ihre Aufgaben wirksam und gerecht wahrzunehmen und sie dabei unterstützen;

-          die gewählten Vertreter und das Verwaltungspersonal im Hinblick auf die Gleichstellung von Mann und Frau entsprechend ausbilden und ihnen beibringen, bei der Haushaltsaufstellung auf die Belange ausgewogener Geschlechterverteilung Rücksicht zu nehmen;

-          den Leuten helfen, Privatleben und Beruf unter einen Hut zu bringen (Anpassung von Sitzungszeiten, Hilfe bei der Kinderbetreuung usw.);

-          Frauen helfen, in höhere Verwaltungsposten aufzusteigen;

-          das Problembewusstsein der Gewerkschaften und Personalvertretungen der Kommunal- und Regionalbediensteten schärfen und sie einbeziehen;

c. auf ihre internen wie externen Mitteilungen und die Verlautbarungen ihrer gewählten Vertreter achten und zu diesem Zweck :

-          Geschlechtsrollenklischees bekämpfen;

-          sexistisches Verhalten, das auch in anderem Zusammenhang nicht hingenommen werden könnte, im politischen Leben ablehnen und diskriminierende Haltungen untersagen;

-          sowohl von weiblichen wie männlichen Volksvertretern ein positives Bild vermitteln und ihre Arbeit mit Hilfe von Informationskampagnen über die Rolle der Volksvertreter nach außen sichtbar machen;

d. den Zugang von Frauen, besonders von Frauen, die sich zur Wahl stellen oder bereits gewählt wurden, zu den örtlichen Medien erleichtern.

9. Der Kongress schlägt den politischen Parteien, deren Mitarbeit unerlässlich ist, wenn Frauen in die Lage versetzt werden sollen, sich bei Wahlen aufstellen zu lassen,  eine neue Vorgangsweise vor, was unter anderem bedeuten würde :

-          bei der Auswahl von Kandidaten Personen zu bevorzugen, die in der Lage sind, die Sorgen und Erfahrungen der verschiedenen Bevölkerungsgruppen zu vertreten, und nicht so sehr darauf abzustellen, ob jemand schon lange als Volksvertreter gedient hat;

-          positiv etwas zu unternehmen, um mehr Frauen auszuwählen, und ihre Unterstützung weiblicher Kandidaten auch öffentlich zu zeigen;

-          ausgewogene Vertretung beider Geschlechter bei der Besetzung verantwortungsvoller Posten zu gewährleisten und nicht bloß auf Dienstalter abzustellen;

-          die Errichtung weiblicher Netzwerke zu fördern.

10. Schließlich empfiehlt der Kongress den Gemeinden und Regionen Europas, ihren Willen, für größere Gleichheit aller zu sorgen, auch förmlich zu bekräftigen, indem sie die Europäische Charta für die Gleichstellung von Mann und Frau im kommunalen Bereich unterzeichnen, die auf eine Initiative des Rats der Europäischen Städte und Regionen (Council of European Municipalities and Regions, CEMR)[4] zurückzuführen ist, und diese Charta in ihrem Zuständigkeitsbereich anwenden und mit Hilfe der zur Feststellung von Fortschritten vorgeschlagenen Mittel (Führer und Indikatoren) bewerten.



[1] Diskussion und Annahme durch den Kongress am 19. März 2010, 3. Sitzung (siehe Dokument CG(18)10, Begründungstext, Berichterstatterin : B.-M. Lövgren, Schweden (L, ULDG)).

[2] 1040. Sitzung, 5. November 2008.

[3] Charta des Kongresses der Gemeinden und Regionen  (2. Mai 2007), Artikel 2 Abs. (2) d.