18. TAGUNG
Straßburg, 17. – 19. März 2010
Für nachhaltige Gleichberechtigung von Mann und Frau im kommunalen und regionalen politischen Leben
Empfehlung 288 (2010)[1]
1. Die von den Staats- und Regierungschefs auf Gipfeltreffen des Europarats verabschiedeten Erklärungen und Aktionspläne haben uns daran erinnert, dass die gleichberechtigte Teilnahme von Männern und Frauen ein wesentliches Element der Demokratie ist. Trotz all dieser Arbeiten gilt es, die Bemühungen des Europarats zur Förderung und Verwirklichung der Gleichstellung von Mann und Frau zu verstärken, um ein Auseinanderklaffen zwischen Rechtslage und Alltagspraxis sowohl innerhalb des Europarats als auch in den Mitgliedsstaaten zu verhindern.
2. In ähnlicher Weise ist die für eine demokratische Gesellschaft so wichtige ausgewogene Beteiligung von Männern und Frauen an der politischen Entscheidungsfindung noch keinesfalls in allen nationalen Parlamenten selbstverständlich. Im Durchschnitt beträgt der Prozentsatz von Frauen im Unterhaus oder in Ein-Kammer-Parlamenten in Europa lediglich 19.3%[2]. Nur drei Mitgliedsstaaten des Europarats[3] haben es zu ausgewogener Geschlechtervertretung gebracht (40% für beide Geschlechter) und sieben weitere[4] haben die kritische Schwelle von 30 % Frauen erreicht[5].
3. Der Kongress unterstützt voll und ganz die kürzliche Erklärung des Ministerkomitees mit dem Titel “Die Gleichstellung von Mann und Frau zu Realität werden lassen“[6]und bekräftigt sein langjähriges Bemühen um die Gleichstellung von Mann und Frau [7]. In diesem Zusammenhang begrüßt der Kongress die Tatsache, dass seit seiner 15. Sitzung (Mai 2008) die Delegationen aller Mitgliedsstaaten in Übereinstimmung mit der Charta des Kongresses[8] der Vorgabe eines Prozentsatzes von mindestens 30 % des untervertretenen Geschlechts nachgekommen sind, und drückt seine Entschlossenheit aus, auf diesem Wege fortzufahren. Er würde sich freuen, wenn die Parlamentarische Versammlung des Europarats sich dem im Juni 2008[9] gemachten Entschließungsantrag einer Anzahl ihrer Mitglieder anschließen könnte, um eine ausgewogene Vertretung beider Geschlechter in allen Delegationen zu gewährleisten.
4. Nachdem der Europarat nunmehr durch die Definition von Konzepten wie demokratische Parität und die Entwicklung verschiedener Wege entsprechender Politik den Boden dafür bereitet hat, begrüßt der Kongress ferner die Bemühungen der Verwaltung des Europarats um geschlechtliche Parität und bittet den Ausschuss für Gleichberechtigung[10], auch weiterhin eine ausgewogenere Vertretung beider Geschlechter auf allen hierarchischen Ebenen des Personals anzustreben (insbesondere mit dem Ziel von 40 % Frauen in den höheren Dienstgraden)[11].
5. Darüber hinaus ist der Kongress der Meinung, dass es in erster Linie Sache der Regierungen ist, die Gleichstellung von Mann und Frau zu fördern. Gemeinden und Regionen tragen dafür allerdings auch Verantwortung und müssen in die weiteren Bemühungen um Gleichstellung und in den Prozess gesellschaftlichen und kulturellen Wandels einbezogen werden.
6. Folglich empfiehlt der Kongress den Mitgliedsstaaten, die Behörden auf staatlicher, regionaler und kommunaler Ebene noch besser in die Lage zu versetzen, eine auf Gleichstellung der Geschlechter gerichtete Politik zu verfolgen, unter anderem mit Hilfe von :
- Gesetzgebung, welche die Behörden verpflichtet, bei ihrer Tätigkeit das Ziel der Gleichstellung der Geschlechter auf allen Ebenen im Auge zu behalten, zu prüfen, wieweit dies erreicht wurde, und die entsprechenden Angaben (Gleichstellungsindikatoren) zu veröffentlichen;
- entsprechender, auch finanzieller Unterstützung, um die Gemeinden und Regionen in die Lage zu versetzen, in ihren Abteilungen auf die Gleichstellung von Mann und Frau hinzuwirken, etwa in Form besonderer Programme[12] zur Förderung einer auf nachhaltiger Gleichstellung der Geschlechter beruhenden Gesellschaft durch angemessene Verteilung der Befugnisse, Mittel und Dienste auf Männer und Frauen;
- Anreizen für Frauen, sich für Politik zu interessieren, sich politisch zu engagieren und Verantwortung zu übernehmen, sowie Maßnahmen, die ihnen helfen, sich für Wahlen aufstellen zu lassen (Festlegung von Frauenquoten und Überwachung ihrer Einhaltung im Verbund mit anderen Formen positiven Handelns);
- Untersuchungen der in Frage kommenden Gremien, inwieweit weibliche Kandidaten bei Wahlen in den Medien zur Sprache kommen, und die Finanzierung von Kampagnen zur Weckung des Bewusstseins, wie wichtig es sei, auch Frauen zu wählen;
- Parität auf allen Ebenen der Verwaltung, klare Diskriminierungsverbote sowie Haushaltsmittel zur Entwicklung besonderer Hilfsmittel und Ausbildungsmaßnahmen: Berücksichtigung der Beachtung des Grundsatzes der Gleichstellung von Mann und Frau in der Beamtenlaufbahn und Fortbildung der für die Haushaltsaufstellung zuständigen Beamten, damit sie auch im Rahmen des Haushalts das Ziel der Gleichstellung im Auge behalten (sog. gender budgeting)[13].
7. Der Kongress fordert außerdem die Entwicklungsbank des Europarats auf, im Rahmen der von ihr finanzierten Projekte auf die besonderen Bedürfnisse von Männern und Frauen und die Auswirkung dieser Projekte auf die Gleichstellung der Geschlechter zu achten.
8. Der Kongress begrüßt schließlich die Bemühungen des Lenkungsausschusses für die Gleichberechtigung von Mann und Frau (CDEG), vor allem seine Entschlossenheit, ein Auseinanderklaffen zwischen Rechtslage und Praxis zu verhindern, etwa durch positive Maßnahmen zugunsten der Gleichstellung von Mann und Frau und Bekämpfung von Geschlechtsrollenklischees mit Hilfe der Schule und der Medien, und bittet die zuständigen Minister, auf ihrer Tagung in Baku am 24. und 25. Mai 2010 auch die Ebene der Gemeinden und Regionen in ihren Erörterungen zu berücksichtigen.
[1] Diskussion und Annahme durch den Kongress am 19. März 2010, 3. Sitzung (siehe Dokument CG(18)10, Begründungstext, Berichterstatterin : B.-M. Lövgren, Schweden (L, ULDG)).
[2] Asien : 18.3% ; Afrika südlich der Sahara: 18%.
[3] Finnland, die Niederlande und Schweden.
[4] Belgien, Dänemark, Deutschland, “die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien”, Island, Norwegen und Spanien
[5] Inter-Parliamentary Union (www.ipu.org): conclusions of the Report on the impact of electoral systems on the representation of women in politics. European Commission for Democracy through Law (Venedig-Kommission), Juni 2009.
[6] Making gender equality a reality. Erklärung des Ministerkomitees, Madrid, 12. Mai 2009.
[7]Empfehlung 148 (2004) zur Gleichstellung von Mann und Frau auf kommunaler und regionaler Ebene: eine Politik zur Förderung der Gleichstellung von Mann und Frau in Städten und Regionen.
[8] Charta des Kongresses der Gemeinden und Regionen (2. Mai 2007), Art. 2 Abs. 2 d.
[9]Entschließungsantrag von Frau Err und anderen zugunsten einer Quote von mindestens :30% für jedes Geschlecht in den nationalen Delegationen der Versammlung: ein neues Gebot (Drucksache.11664 vom 25.6.2008).
[10] Im März 2004 vom Generalsekretär des Europarats eingesetzt
[11] Art. 3 und 13 der Personalordnung (Diskriminierungsverbot), Art. 22 des Anhangs zur Personalordnung (Chancengleichheit).
[12] z.B. das Programm zur nachhaltigen Geschlechtergleichstellung des schwedischen Gemeinde- und Regionenverbands (SALAR).
[13] Vgl. Generaldirektion Menschenrechte udn Rechtsangelegenheiten des Europarats, „Equality in budgets: towards practical implementation“. Handreichung, April 2009.