14. TAGUNG

FRÜHJAHRSTAGUNG
(Malaga, 13 – 14 März 2008)

Für eine Politik der Biodiversität in städtischem Umfeld

Entschliessung 249 (2008)[1]


1. Die biologische Vielfalt[2] ist wesentlich für das Leben, das Wohlergehen und das ökologische Gleichgewicht. Sie wird durch irreparable, noch nie da gewesene Schäden bedroht, die durch Menschen verursacht werden, insbesondere durch die Umweltverschmutzung, die Erwärmung der Erde und der Urbanisierung, die man nicht im Griff hat.

2. Die Biodiversität in einem städtischen Umfeld ist für die Gesundheit, die Lebensqualität und die wirtschaftliche und soziale Erschließung von Städten von grundlegender Bedeutung. Sie steht für eine gelungene Kohabitation zwischen den Menschen und der Natur und stellt eine Brücke zwischen der Stadt- und Landbevölkerung dar. 

3. Der Kongress der Gemeinden und Regionen des Europarates ist der Meinung, dass die nachhaltige Entwicklung konzertierte Lösungen erfordert und dass Strategien für die urbane Biodiversität auf derselben Ebene wie die restliche Umweltpolitik betrachtet wird, insbesondere hinsichtlich der Raumordnung, des Transports und der Mobilität, der Energiequellen, des Wasser- und Abfallwirtschaft.

4. Das Ausmaß des Klimawandels kann dank der Absorptionsfähigkeit von Kohlendioxid durch die Biodiversität deutlich reduziert werden. In urbanen Gegenden eröffnet die Biodiversität Möglichkeiten, auf die Auswirkungen des Klimawandels durch Senkung der Temperaturen, durch Verbesserung der Luft-, Wasser- und Bodenqualität und den Schutz gegen die Sonne sowie durch Verbesserung des Wasserablaufs, vor allem bei Überschwemmungen, entsprechend zu reagieren.

5. Auch wenn sie nur einen schwachen Bruchteil der weltweiten Biodiversität darstellt, so ist die städtische Biodiversität doch von ganz besonderer Bedeutung, weil sie den größten Teil der Weltbevölkerung, der in Städten lebt, berührt. Das Problem ist hautnah und deshalb wichtig dafür, dass die Bevölkerung  um die Biodiversität weiß und sie versteht. Darüber hinaus trägt die urbane Biodiversität dazu bei, ein Gefühl für die kulturelle und regionale Identität hervorzurufen. Sie bietet ein Instrument zur Wiederbelebung der Stadtteile und könnte Gegenstand pädagogischer und rekreativer Aktivitäten sein.

6. Der Kongress begrüßt international existierende Instrumente zur Förderung und zum Schutz der Biodiversität. Er nimmt mit Zufriedenheit die Pionierinitiative des Europarates, die Berner Konvention über die Erhaltung der europäischen wildlebenden Pflanzen und Tiere und ihrer natürlichen Lebensräume von 1979 zur Kenntnis, gefolgt von der Konvention zur Erhaltung der Biodiversität (CDB) der Vereinten Nationen von 1992 und von der kürzlichen Initiative « Countdown 2010 », deren Ziel der verringerte Verlust der Biodiversität bis zu diesem Datum ist. 

7. Nichtsdestoweniger stellt der Kongress mit Sorge fest, dass keiner der grundlegenden Texte zum Schutz der biologischen Vielfalt die städtische Biodiversität behandelt. Diese Lücke ist umso bedauernswerter als die umliegenden Gemeinden eine große Vielfalt Tiere und Pflanzen aufweisen, die im städtischen Milieu besonderen Zwängen unterliegen.

8. Der Kongress begrüßt die Europäische Landschaftskonvention des Europarates (2000), die anerkennt, dass die städtischen und stadtnahen Gebiete Landschaften sind, die zu schützen, zu pflegen und zu gestalten sind und überall für die Lebensqualität der Bevölkerung eine wichtige Rolle spielen.

9. Der Kongress begrüßt die Erklärung von Curitiba über Städte und Biodiversität  (2007), unterzeichnet von Bürgermeistern aus der ganzen Welt, die die wichtige Rolle der Gemeinden beim Schutz der Biodiversität unterstreicht. Zudem begrüßt er den "Brabant – Oisterwijk Appeal 2007" "Siegerregionen für die biologische Vielfalt 2010", der im Rahmen des europäischen Engagements für die biologische Vielfalt bis 2010 Inhalte auf lokaler und regionaler Ebene vorgibt.

10. Der Kongress bewertet die von einigen Netzwerken und Gemeinden durchgeführten Aktionen zur Verbesserung und zum Schutz der biologischen Vielfalt als besonders wichtig im Rahmen des Countdown 2010, der lokalen Agenda 21 und im Hinblick auf das Internationale Jahr der Biodiversität 2010.


11. Der Kongress hofft, dass die Anerkennung und die wachsende Beteiligung der Gebietskörperschaften bei der Realisierung der Ziele für die Biodiversität 2010 sowie die Unterstützung der 6. Ministerkonferenz "Umwelt für Europa" (Belgrad 2007) ein Vorbote steigender internationaler Anerkennung der Biodiversität in städtischer Umgebung darstellt.

12. Angesichts des Vorangegangenen fordert der Kongress die Gemeinden und Regionen der Mitgliedsstaaten und der Beobachterstaaten des Europarates auf,

a. anzuerkennen, dass die städtischen und stadtnahen Ökosysteme ihre eigene Spezifizierung und Komplexität haben, und dass es angemessen ist, ihren Schutz, ihre Pflege und Förderung im Rahmen spezifischer Politik und eines integrierten Systems der Nachhaltigkeit  zu gewährleisten;

b. auf ihrer Regierungsebene bei der Umsetzung ihrer Aktionsprogramme zugunsten der städtischen Biodiversität, die auf die Initiative Countdown 2010 antwortet, mitzumachen;

c. die 9. Konferenz der vertragsschließenden Parteien der Konvention zur biologischen Vielfalt (CDB), die im Mai 2008 in Bonn geplant ist, zu ermutigen, sich ausdrücklich für den Schutz und die Entwicklung der Biodiversität in städtischer Umgebung zu interessieren;

d. die Verpflichtungen von Aalborg zu unterzeichnen, die „die Verantwortung der Gemeinden für den Schutz und die Erhaltung der natürlichen Gemeinschaftsgüter zu übernehmen, und ihre gerechte Verteilung zu sichern“;

e. die Interdependenz zwischen den städtischen und ländlichen Gebieten in Betracht zu ziehen und Politiken zur Förderung grüner und kompakter Städte einzusetzen und so die Ausweitung auf natürlichen Lebensraum zu verhindern;

f. Leitpläne für die städtische Biodiversität auszuarbeiten, die alle Akteure zusammenbringt:

i.          Inventare und Evaluierungen und eine Kartographie mit Ökosystemen und bedrohten Arten zu erstellen, sowie verfügbare Flächen aufzulisten, um dort eine ökologisch durchführbare Biodiversität zu entwickeln;

ii.          das Eindringen, die Ansiedlung und Vermehrung invasiver Arten unter Kontrolle zu halten;

iii.         Indikatoren für die Biodiversität zu erstellen, um regelmäßig die Effizienz dieser Politik zu evaluieren sowie Organe zur Verfolgung des Standes der Biodiversität einzurichten, die mit Strukturen zusammenarbeiten sollten, die mit der Kontrolle des Klimawandels, der Wasserpolitik, der Mobilität und der Raumplanung beauftragt sind;

iv.         steuerliche und finanzielle Maßnahmen einzuleiten, die Unternehmen und Privatpersonen dazu anhalten, die Biodiversität in ihre Bauvorhaben einzubeziehen;

v.         ökologische Korridore zu schaffen, um der Fauna und Flora die freie Entfaltung in den Biotopen sowie entlang der Wege und in natürlicher Umgebung zu ermöglichen;

vi.         die kulturelle und biologische Besonderheit jedes Landes und jeder Region in die Initiativen zur Erhaltung der Biodiversität auf lokaler Ebene einzubeziehen;

vii.        die Bevölkerung zu ermutigen, verantwortungsbewusster zu werden und sich für die Umwelt einzusetzen, indem sie die Biodiversität zum Schmuck wie auch zur Produktion in Gebäuden und öffentlichen wie privaten Plätzen einsetzt;

g. mit der Gesamtheit der betroffenen Akteure zusammenzuarbeiten, um die öffentliche Meinung hinsichtlich dieser Fragen zu sensibilisieren und pädagogische Programme über städtische Biodiversität und Folgendes umzusetzen:

i.          Initiativen für das breite Publikum hinsichtlich der Notwendigkeit vorzuschlagen, ein sauberes Ökosystem, die Wiederverwertung und die Begrünung von Wohngebieten zu erhalten;

ii.             Normen und Regeln einzuführen und Anreize zu schaffen, die das Verhalten der Bürger gegenüber der Biodiversität anleiten;

iii.            die Verantwortlichen der Wirtschaft von den Vorteilen des Schutzes und der Entwicklung der Biodiversität für die Umwelt und die Wirtschaft zu informieren;

iii.

iv.            in den Schrebergärten, am Eingang zu Gebäuden, auf Dächern und Terrassen sowie in Stadtparks die städtische Landwirtschaft zu fördern;

iv.

v.             mit den örtlichen Landwirtschaftspflegern zu kooperieren, um die Habitate wilder Arten beizubehalten sowie die Wohltaten biologischer Produkte und das Interesse, vor Ort hergestellte Produkte zu fördern;

vi.            zu Stadtzoos und ähnlichen Strukturen zur Zucht von einheimischen Haustieren zu ermuntern, vorzugsweise exotische Arten;

vi.

vii.           Informationsbroschüren vorzubereiten und Rundgänge zum Kennenlernen der städtischen Biodiversität und Grünanlagen gestalten, sowohl für die Bevölkerung vor Ort wie auch für Touristen;

h. den Erfahrungsaustausch und gute Praktiken hinsichtlich des Erhalts, des Wertes, der nachhaltigen Nutzung und Pflege der städtischen Biodiversität seitens des Städtenetzwerks sowie zusammen mit allen beteiligten Partnern zu begünstigen.

13. Im Hinblick auf das Internationale Jahr der Biodiversität 2010 fordert der Kongress seinen Ausschuss für nachhaltige Entwicklung auf,

a. Initiativen der lokalen und regionalen Körperschaften anzuregen;

b. in Partnerschaft mit dem intergouvernementalen Sektor und mit der Parlamentarischen Versammlung ein koordiniertes Programm auszuarbeiten;

c. mit dem Ausschuss für Nachhaltige Entwicklung des Ausschusses der Regionen eine verstärkte Zusammenarbeit zu entwickeln sowie mit internationalen Vereinen territorialer Gebietskörperschaften, um eine gemeinsame Aktion umzusetzen, um dem Verlust der Biodiversität Einhalt zu gebieten.



[1] Diskussion und Zustimmung durch den Ständigen Ausschuss der Kammer der Gemeinden am 13. März 2008 und Annahme durch den Ständigen Ausschuss des Kongresses am 14. März 2008 (siehe Dokument CPL(14)11RES, Entschliessungsentwurf vorgelegt durch W. Borsus (Belgien, L, GILD), Berichterstatter).

[2] Die Biodiversität bezeichnet alles Leben auf der Erde, die als ein großes, von einander abhängiges System betrachtet wird. Sie umfasst Menschen, Tiere und Pflanzen, Ökosysteme von Süß- und Salzwasser, Böden und Landschaften.