14. TAGUNG

FRÜHJAHRSTAGUNG
(Malaga, 13 – 14 März 2008)

Für eine Politik der Biodiversität in städtischem Umfeld

Empfehlung 232 (2008)[1]


1. Die biologische Vielfalt[2] ist die Essenz des Lebens, ihre Qualität. Vielfalt und Verwaltung sind lebenswichtig für das Überleben des Planeten. Der derzeitige Verlust der Biodiversität auf der ganzen Welt ist ohnegleichen, und wird bis 2050 seine Geschwindigkeit verzehnfachen. 

2. Die Erosion der Biodiversität ist eng mit den Tätigkeiten des Menschen und den dadurch verursachten Umweltproblemen verbunden, insbesondere der Erderwärmung, der Abholzung der Wälder, dem Verlust an Lebensraum infolge geänderter Bodennutzung, der Verschmutzung und der galoppierenden Verstädterung. 

3. Der Kongress der Gemeinden und Regionen des Europarates erkennt die Bedeutung der Maßnahmen der Völkergemeinschaft zur Eindämmung des Verlustes der Biodiversität an. Er begrüßt die Vorreiterrolle der Berner Konvention des Europarates über die Erhaltung der wildlebenden Pflanzen und Tiere und ihrer natürlichen Lebensräume. Dieses Instrument bot seit 1979 einen Rahmen zum Schutz der Biodiversität.

4. Der Kongress begrüßt die Verpflichtung der Regierungen zur Biodiversität auf dem Weltgipfel für die nachhaltige Entwicklung in Johannesburg, die den strategischen Plan 2002 für das Übereinkommen über die biologische Vielfalt verabschiedeten, bis „2010 die Geschwindigkeit derzeitigen Verlustes der biologischen Vielfalt weltweit, regional und national zu verlangsamen, als Beitrag zur Armutsbekämpfung zugunsten aller Lebensformen auf dem Planeten“.

5. Er begrüßt die Kampagnen und Strategien der internationalen Organisationen und Netze sowie einiger Gebietskörperschaften, um das 2010-Ziel für die Biodiversität zu erreichen. Der Kongress bedauert jedoch, dass die Erreichung dieses Zieles immer noch in ferner Zukunft liegt und empfiehlt, dass die Biodiversität in allen Mitgliedstaaten des Europarates eine politische Priorität erhalten muss.

6. Er ist überzeugt, dass die Biodiversität in den Städten in allen Instrumenten, Strategien und Aktionsplänen zur biologischen Vielfalt aufgenommen werden sollte. Hierzu erkennt er die Vorreiterrolle der Europäischen Landschaftskonvention (2000) des Europarates an, in der die Städte und Gebiete am Stadtrand als zu schützende, zu verwaltende und zu planende Landschaften eingestuft werden.

7. Der Kongress ist überzeugt, dass der Kampf gegen den Verlust der Biodiversität alle Gebietsebenen betrifft und in Partnerschaft mit allen Akteuren durchgeführt werden sollte, insbesondere dem privaten Sektor und der Zivilgesellschaft. In diesem Sinne begrüßt er die Erklärung von Belgrad über die Biodiversität vom Oktober 2007, in der insbesondere die wachsende Beteiligung der Gebietskörperschaften bei der Erreichung des Zieles 2010 für die Biodiversität anerkannt und unterstützt wird.

8. Er unterstützt nachdrücklich die integrierten Umweltstrategien, die Aktionen gegen den Verlust der Biodiversität in der Raumordnungspolitik, Verkehrspolitik, Mobilität, bei Energieressourcen und Wasser- und Abfallwirtschaft umfassen.

9. Angesichts des Vorangegangenen empfiehlt der Kongress dem Ministerkomitee des Europarates:

a. eine Empfehlung an die Mitgliedstaaten über die Herausforderung der Biodiversität auszuarbeiten, die die Besonderheiten der städtischen Dimension berücksichtigen;

b. die internationalen Organisationen und Institutionen aufzufordern, die Biodiversität in den Städten in ihre Aktivitäten, Politik und Instrumente zum Schutz, zur Förderung und Verwaltung der Biodiversität aufzunehmen;

c. die Vertragsstaaten der Konvention über die biologische Vielfalt aufzufordern, die Vertretung und Beteiligung der Gebietskörperschaften an der 9. Konferenz zu verstärken, die im Mai 2008 in Bonn (Deutschland) stattfindet und darauf zu achten, dass die Frage der Biodiversität in den Städten dort ausführlich behandelt wird;


d. die verschiedenen Organe des Europarates, darunter die Parlamentarische Versammlung und das Sekretariat der gesamteuropäischen Strategie für biologische und landschaftliche Vielfalt aufzufordern, eine koordinierte Beteiligung am internationalen Jahr der Biodiversität 2010 zu erarbeiten;

e.sicherzustellen, dass die Human- und Finanzressourcen für eine effiziente Umsetzung der Vereinbarung zur verstärkten Kooperation zwischen dem Sekretariat der UN-Konvention über biologische Vielfalt und dem Sekretariat der Konvention über die Erhaltung der wildlebenden Pflanzen und Tiere und ihrer natürlichen Lebensräume in Europa (Bern 1979) verfügbar sind.

10. Außerdem fordert der Kongress das Ministerkomitee des Europarates auf, die Mitglied- und Beobachterstaaten anzuregen:

a. nationale Strategien für die biologische Vielfalt zu verabschieden, die die Biodiversität in den Städten berücksichtigen und dazu beitragen, das 2010-Ziel zum Schutz der Biodiversität zu erreichen;

b. Aktionspläne zu entwickeln, in die die Gebietskörperschaften in allen Stufen eingebunden sind, von der Planung bis zur Umsetzung, die:

i.        die Strategien zur Bekämpfung der Klimaänderungen ergänzen, um auf den positiven Beitrag eines entschlossenen und innovativen Vorgehens bei der Biodiversität aufzubauen;

ii.       die Frage der Biodiversität bei der Umsetzung anderer politischer Strategien, insbesondere bei der Raumordnung, der Verkehrspolitik und der Mobilität, der Effizienz und der Energieversorgung und der Wasser- und Abfallwirtschaft, berücksichtigen;

iii.      in stärkerem Umfang die positiven Auswirkungen einer reichen Biodiversität und ausgewogener Ökosysteme für die Gesellschaft  sowie die Wirtschaft zu berücksichtigen;

iv.      städtische Bioindikatoren in die Überwachung, Verwaltung und Bewertung der Umweltpolitik aufnehmen;

v.       Programme zur Sensibilisierung und Erziehung zur Biodiversität fördern und das internationale Jahr der Biodiversität 2010 zusammen mit allen Akteuren aufnehmen;

vi.      öffentliche und private Partnerschaften sowie Partnerschaften mit der Zivilgesellschaft zur Förderung und zum Schutz der Biodiversität anregen;

vii.     die Forschung und den Erfahrungsaustausch über die Biodiversität in den Städten anregen und die Schulung in Biodiversität im Allgemeinen unterstützen.

11. Der Kongress empfiehlt dem Ministerkomitee des Europarates auch, die Europäische Union aufzufordern:

a. die Biodiversität und die Erreichung des 2010-Ziels der Biodiversität ebenso wie den Kampf gegen die Klimaänderungen ins Zentrum ihrer Politik zu stellen;

b. die Ausarbeitung von europäischen politischen Maßnahmen und Instrumenten zum Schutz und zur Förderung der Biodiversität in den Städten vorzusehen und hierzu die Stellungnahme des Ausschusses der Regionen und den Appell von Brabant – Oisterwijk „Die Regionen, Meister der Biodiversität 2010" zu berücksichtigen;

c. darauf zu achten, dass die Kooperation mit den Gebietskörperschaften zur Umsetzung der Politik und Aktionspläne zugunsten der Biodiversität verstärkt wird und Vereinbarungen und Verträge zwischen den verschiedenen Entscheidungsebenen anzustreben“;

d. Projekte zum Erfahrungsaustausch zwischen den Gebietskörperschaften zu unterstützen und ihnen die notwendige finanzielle Unterstützung für die Umsetzung integrierter Maßnahmen angedeihen zu lassen.


12. Der Kongress fordert die Parlamentarische Versammlung des Europarates auf:

a. sich weiterhin zu bemühen, die Aufmerksamkeit der nationalen Parlamente auf die Notwendigkeit zu lenken, eine angemessene Gesetzgebung im Sinne der oben dargelegten Prinzipen umzusetzen;

b. ihre Zusammenarbeit mit dem Kongress bei Fragen der Biodiversität, insbesondere im Hinblick auf das internationale Jahr 2010 der Biodiversität, auszubauen.



[1] Diskussion und Zustimmung durch den Ständigen Ausschuss der Kammer der Gemeinden am 13. März 2008 und Annahme durch den Ständigen Ausschuss des Kongresses am 14. März 2008 (siehe Dokument CPL(14)11REC, Empfehlungsentwurf vorgelegt durch W. Borsus (Belgien, L, GILD), Berichterstatter).

[2] Die Biodiversität bezeichnet alles Leben auf der Erde, die als ein großes, von einander abhängiges System betrachtet wird. Sie umfasst Menschen, Tiere und Pflanzen, Ökosysteme von Süß- und Salzwasser, Böden und Landschaften