17. PLENARTAGUNG
Straßburg, 13. – 15. Oktober 2009

Erste Kommunalwahlen in Eriwan, Armenien

(31. Mai 2009)

Empfehlung 277 (2009)[1]

1. Der Kongress der Gemeinden und Regionen des Europarates unter Bezug auf:

a. die statutarische Entschließung des Ministerkomitees (2000)1 betreffend den Kongress der Gemeinden und Regionen des Europarates;

b. die in der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung geäußerten Prinzipien, die Armenien am 25. Januar 2002 ratifizierte und die am 1. Mai 2002 in diesem Land in Kraft trat;

c. die Entschließung 167 (2003) über die Gemeindedemokratie in Armenien, die der Ständige Ausschuss des Kongresses am 26. November 2003 verabschiedet hatte;

d. die vorangegangenen Berichte über die in Armenien beobachteten Wahlen sowie die Empfehlung 255 (2008) über die Gemeindewahlen am 28. September 2008 in Armenien.

2. Erinnert an seine Rolle bei der Beobachtung der Gemeinde- und Regionalwahlen.

3. Begrüßt die positive Entwicklung der Gemeindedemokratie in Armenien seit der Annahme der Empfehlung 255 (2008) des Kongresses über die Beobachtung der Gemeindewahlen am 28. September 2008 und insbesondere, dass auf Ersuchen des Kongresses der Bürgermeister von Eriwan, der bis dahin vom Präsidenten der Republik ernannt wurde, zum ersten Mal gemäß Artikel 3 der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung gewählt wurde.

4. Weist darauf hin, dass bei den Wahlen am 31. Mai 2009 insgesamt die allgemeinen Prinzipien des Europarates sowie die europäischen und internationalen Prinzipien für demokratische Wahlen eingehalten wurden.

5. In diesem Kontext begrüßt der Kongress die Schritte, welche die armenischen Behörden unternommen haben, um die politischen Gräben zu schließen, die nach den Präsidentschaftswahlen entstanden waren.

6. Der Kongress stellt jedoch mit Bedauern fest, dass:

a. generell die Delegation den Eindruck hatte, dass es ein mangelndes Vertrauen im Hinblick auf die Wahlverfahren in der armenischen Bevölkerung gibt;

b. außerdem einige Gesprächspartner, mit denen sich die Delegation traf, der Überzeugung waren, dass es ein generelles Gefühl der Frustration und Gleichgültigkeit im Hinblick auf die Wahlergebnisse gebe, die als „bereits in Vorfeld abgemacht“ angesehen werden;

c. die Wahlkampagne allgemein von fehlendem Wettbewerb der politischen Parteien geprägt wird, Plakate oder Banner quasi inexistent waren, Unterschiede zwischen den Programmen der Kandidaten kaum zu erkennen waren und es sehr wenige konkrete Projekte für die Stadt Eriwan gibt;

d. obgleich vor der Wahl das Gegenteil angekündigt wurde, recht wenig Frauen zur Wahl angetreten waren.

7. Bezüglich des Zugangs zu den Medien stellt der Kongress fest, dass es immer noch schwierig ist, Sendezeit im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zu erhalten aufgrund der sehr hohen Kosten und der Beschränkungen. Im Fernsehen, der Hauptinformationsquelle in Armenien, ist der Mangel an Pluralismus besorgniserregend, da die Bürger so kein demokratisches Gewissen entwickeln können.

8. Der Kongress ist der Auffassung, dass die Anwesenheit von örtlichen Wahlbeobachtern und Vertretern der Kandidaten ein positives Zeichen für die Transparenz der Wahl ist, auch wenn zu viele Personen in bestimmter Funktion sowie Polizeikräfte sich in einigen Wahllokalen oder in der Nähe aufhielten und so die Wahlen und die Auszählung der Stimmen behinderten.

9. Der Kongress ist besorgt darüber, dass die Sitzungen mit den Politikern und den Vertretern der Völkergemeinschaft, der örtlichen Zivilgesellschaft und den Medien zeigten, dass der Wahlprozess, der, trotz der Beschwerden der Opposition und der verschiedenen Beobachter über zahlreiche Unregelmäßigkeiten, als « vorschriftsmäßig und transparent » von der Regierung und den Behörden dargestellt wurde, immer noch Misstrauen bei vielen weckt.

10. Der Kongress weist darauf hin, dass viele Wahllokale weiterhin für Behinderte nicht zugänglich und für ältere Menschen nur schwer erreichbar sind, außerdem sind einige schlecht ausgestattet für so viele Menschen.

11. Im Hinblick auf zukünftige Wahlen fordert der Kongress die armenischen Parteien auf, sich am politischen Wahlkampf zu beteiligen und politische Programme und Politikvorschläge zu verfassen, um eine aktive zivile Mitwirkung und die Teilnahme der Bürger zu fördern. Nach den Wahlen sollten die Vertreter der Opposition auch ihre demokratischen Aufgaben in den entsprechenden Organen wahrnehmen (z. B. im Stadtrat von Eriwan).

12. Angesichts des vorher Erwähnten fordert der Kongress die armenischen Behörden auf, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um:

a. den Reformprozess fortzusetzen und ordnungsgemäße, transparente und wirklich demokratische Wahlen durchzuführen, insbesondere indem sie die Zusammensetzung und die Arbeitsmethoden aller Wahlkommissionen prüfen, effiziente Maßnahmen zur Verhinderung von Wahlbetrug ergreifen (zum Beispiel den Finger der Wähler in nicht abwaschbare Tinte zu tauchen) und eine transparente Untersuchung der Missstände nach den Wahlen durchführen;

b. die Ausarbeitung der Programme der Kandidaten zu verbessern und die aktive Beteiligung der Zivilgesellschaft sowie die Rolle der Opposition zu stärken;

c. den Pluralismus der Medien zu verbessern, vor allem bei den Fernsehsendern, und insbesondere die Durchsetzung des Urteils des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte im Fall Meltex Ltd. und Mesrop Movseya gegen Armenien sicherzustellen, der momentan unter Aufsicht des Ministerkomitees steht.

d. eine Strategie zu planen, die die neuen Legislativreformen und die Sensibilisierungskampagnen für « saubere » Wahlen beinhaltet, um gegen die politische Korruption anzukämpfen und die Wahlen transparenter zu gestalten;

e. den Platz der Frauen im politischen Leben zu stärken und ihre Kandidatur bei den Gemeindewahlen zu unterstützen;

f. klar die Rolle der örtlichen Beobachter mit Hilfe von Maßnahmen zu definieren, die genau festlegen, wer das Recht hat, bei der Wahl und der Auszählung präsent zu sein;

g. zu versuchen, den Zugang zu den Wahlbüros und ihrer Ausstattung sowie die Bearbeitung der Stimmzettel zu verbessern.

13. Im Übrigen hat der Kongress:

a. sich bereit erklärt, die armenischen Behörden bei ihren Bemühungen zur Umsetzung der oben genannten Empfehlungen zu unterstützen und zu begleiten, um die Gemeindedemokratie im Land greifbar zu stärken, gemäß den Verpflichtungen, die Armenien nach der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung eingegangen ist;

b. das Ministerkomitee aufgefordert, die vorliegende Empfehlung und den Begründungstext zur Kenntnis zu nehmen und diesen an die zuständigen Organe des Europarates, die Venedig-Kommission, die Generaldirektion für Demokratie und politische Angelegenheiten, GRECO, sowie an den Menschenrechtskommissar weiterzuleiten;

c. die Parlamentarische Versammlung des Europarates aufgefordert, die oben genannten Empfehlungen bei der Überwachung der Einhaltung der Verpflichtungen Armeniens zu berücksichtigen.



[1] Diskussion und Zustimmung durch die Kammer der Gemeinden am 15. Oktober 2009 und Annahme durch den Kongress am 15. Oktober 2009, 3. Sitzung (siehe Dokument CPL(17)5, Begründungstext, Berichterstatter : N. Mermagen, Vereinigtes Königreich (L, ULDG)).