Kammer der Gemeinden

17. PLENARTAGUNG

CPL(17)5
29. September 2009

Erste Bürgermeisterwahlen in Eriwan, Armenien

(31. Mai 2009)

Präsidium des Kongresses

Berichterstatter: Nigel MERMAGEN, Vereinigtes Königreich (L, GILD[1])

A. Empfehlungsentwurf 2

Zusammenfassung

Nach der offiziellen Einladung der armenischen Behörden zur Beobachtung der ersten Bürgermeisterwahlen in Eriwan ernannte der Kongress am 31. Mai 2009 eine Beobachterdelegation unter der Leitung von Nigel Mermagen, Bezirksrat von South-Somerset und Berichterstatter im Kongress. Die Delegation bestand aus neun Mitgliedern des Kongresses und vier Mitglieder des Ausschusses der Regionen der Europäischen Union, unterstützt durch das Sekretariat des Kongresses.

Die Delegation kam zu dem Schluss, dass die Organisation der Wahlen größtenteils im Einklang mit den europäischen Normen stand. Die Delegation erklärte jedoch, dass die Demokratie nicht nur von einer angemessenen Organisation, sondern auch von der Entwicklung einer besseren demokratischen Kultur abhängt. Die Delegation bedauert daher, dass Unregelmäßigkeiten den guten Ablauf der Wahl beeinträchtigten. Sie wies darauf hin, dass die Politiker in Armenien besondere Aufmerksamkeit der Ethik schenken sollten, damit die Bürger in ihrer Einstellung und ihrem Verhalten für ihre Rechte und Pflichten sensibilisiert werden.


A. EMPFEHLUNGSENTWURF[2]

1. Der Kongress der Gemeinden und Regionen des Europarates unter Bezug auf:

a. die statutarische Entschließung des Ministerkomitees (2000)1 betreffend den Kongress der Gemeinden und Regionen des Europarates;

b. die in der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung geäußerten Prinzipien, die Armenien am 25. Januar 2002 ratifizierte und die am 1. Mai 2002 in diesem Land in Kraft trat;

c. die Entschließung 167 (2003) über die Gemeindedemokratie in Armenien, die der Ständige Ausschuss des Kongresses am 26. November 2003 verabschiedet hatte;

d. die vorangegangenen Berichte über die in Armenien beobachteten Wahlen sowie die Empfehlung 255 (2008) über die Gemeindewahlen am 28. September 2008 in Armenien.

2. Erinnert an seine Rolle bei der Beobachtung der Gemeinde- und Regionalwahlen.

3. Begrüßt die positive Entwicklung der Gemeindedemokratie in Armenien seit der Annahme der Empfehlung 255 (2008) des Kongresses über die Beobachtung der Gemeindewahlen am 28. September 2008 und insbesondere, dass auf Ersuchen des Kongresses der Bürgermeister von Eriwan, der bis dahin vom Präsidenten der Republik ernannt wurde, zum ersten Mal gemäß Artikel 3 der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung gewählt wurde.

4. Weist darauf hin, dass bei den Wahlen am 31. Mai 2009 insgesamt die allgemeinen Prinzipien des Europarates sowie die europäischen und internationalen Prinzipien für demokratische Wahlen eingehalten wurden.

5. Begrüßt die Generalamnestie des Präsidenten der Republik, die von der armenischen Nationalversammlung am 19. Juni 2009 verabschiedet wurde und durch die alle nach den Demonstrationen am 1. und 2. März 2008 inhaftierten Personen freigelassen wurden, die entweder nicht wegen Gewalttaten verfolgt oder nicht zu einer Haftstrafe von mehr als fünf Jahren verurteilt wurden. In den anderen Fällen werden die Strafen halbiert.

6. Der Kongress stellt jedoch mit Bedauern fest, dass:

a. die armenische Bevölkerung insgesamt offenbar dem Wahlverfahren und seinem Ergebnis sehr misstrauisch gegenüber steht. Dafür gibt es mehrere Gründe, wie die Absprache zwischen der politischen Klasse und der Geschäftswelt, eine hohe Korruption sowie die allgemeine Tendenz zur Stärkung des amtierenden autoritären Regimes;

b. eine allgemeine Unzufriedenheit und eine Gleichgültigkeit gegenüber den Wahlen herrscht, die als „vorher abgesprochen“ bezeichnet werden;


c. die Wahlkampagne allgemein geprägt wird von fehlendem Wettbewerb der politischen Parteien, Plakate oder Banner waren quasi inexistent, Unterschiede zwischen den Programmen der Kandidaten waren kaum zu erkennen und es gibt sehr wenige konkrete Projekte für die Stadt Eriwan;

d. obgleich vor der Wahl das Gegenteil angekündigt wurde, recht wenig Frauen zur Wahl angetreten waren.

7. Bezüglich des Zugangs zu den Medien stellt der Kongress fest, dass es immer noch schwierig ist, Sendezeit im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zu erhalten aufgrund der sehr hohen Kosten und der Beschränkungen. Im Fernsehen, der Hauptinformationsquelle in Armenien, ist der Mangel an Pluralismus besorgniserregend, da die Bürger so kein demokratisches Gewissen entwickeln können.

8. Der Kongress ist der Auffassung, dass die Anwesenheit von örtlichen Wahlbeobachtern und Vertretern der Kandidaten ein positives Zeichen für die Transparenz der Wahl ist, auch wenn zu viele Personen in bestimmter Funktion sowie Polizeikräfte sich in einigen Wahllokalen oder in der Nähe aufhielten und so die Wahlen und die Auszählung der Stimmen behinderten.

9. Der Kongress ist besorgt darüber, dass die Sitzungen mit den Politikern und den Vertretern der Völkergemeinschaft, der örtlichen Zivilgesellschaft und den Medien zeigten, dass der Wahlprozess, der, trotz der Beschwerden der Opposition und der verschiedenen Beobachter über zahlreiche Unregelmäßigkeiten, als « vorschriftsmäßig und transparent » von der Regierung und den Behörden dargestellt wurde, immer noch Misstrauen bei vielen weckt.

10. Der Kongress weist darauf hin, dass viele Wahllokale weiterhin für Behinderte nicht zugänglich und für ältere Menschen nur schwer erreichbar sind, außerdem sind einige schlecht ausgestattet für so viele Menschen.

11. Angesichts des vorher Erwähnten fordert der Kongress die armenischen Behörden auf, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um:

a. den Reformprozess fortzusetzen und ordnungsgemäße, transparente und wirklich demokratische Wahlen durchzuführen, insbesondere indem sie die Zusammensetzung und die Arbeitsmethoden aller Wahlkommissionen prüfen, effiziente Maßnahmen zur Verhinderung von Wahlbetrug ergreifen (zum Beispiel den Finger der Wähler in nicht abwaschbare Tinte zu tauchen) und eine transparente Untersuchung der Missstände nach den Wahlen durchführen;

b. die Ausarbeitung der Programme der Kandidaten zu verbessern und die aktive Beteiligung der Zivilgesellschaft sowie die Rolle der Opposition zu stärken;

c. auch den Medienpluralismus im Fernsehen zu verbessern und ab jetzt das Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in der Rechtssache über die Verweigerung einer Sendeerlaubnis für den Fernsehsender A1+ anzuwenden, damit die Sensibilisierung für die Demokratie beschleunigt wird;

d. eine Strategie zu planen, die die neuen Legislativreformen und die Sensibilisierungskampagnen für « saubere » Wahlen beinhaltet, um gegen die politische Korruption anzukämpfen und die Wahlen transparenter zu gestalten;

e. den Platz der Frauen im politischen Leben zu stärken und ihre Kandidatur bei den Gemeindewahlen zu unterstützen;

f. klar die Rolle der örtlichen Beobachter mit Hilfe von Maßnahmen zu definieren, die genau festlegen, wer das Recht hat, bei der Wahl und der Auszählung präsent zu sein;

g. zu versuchen, den Zugang zu den Wahlbüros und ihrer Ausstattung sowie die Bearbeitung der Stimmzettel zu verbessern.


12. Im Übrigen hat der Kongress:

a. sich bereit erklärt, die armenischen Behörden bei ihren Bemühungen zur Umsetzung der oben genannten Empfehlungen zu unterstützen und zu begleiten, um die Gemeindedemokratie im Land greifbar zu stärken, gemäß den Verpflichtungen, die Armenien nach der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung eingegangen ist;

b. das Ministerkomitee aufgefordert, die vorliegende Empfehlung und den Begründungstext zur Kenntnis zu nehmen und diesen an die zuständigen Organe des Europarates, die Venedig-Kommission, die Generaldirektion für Demokratie und politische Angelegenheiten, GRECO, sowie an den Menschenrechtskommissar weiterzuleiten;

c. die Parlamentarische Versammlung des Europarates aufgefordert, die oben genannten Empfehlungen bei der Überwachung der Einhaltung der Verpflichtungen Armeniens zu berücksichtigen.



[1]  L : Mitglied der Kammer der Gemeinden/ R : Mitglied der Kammer der Regionen
GILD : Mitglied der Fraktion der Unabhängigen und Liberalen Demokraten des Kongresses
EVP/DC : Mitglied der Fraktion der Europäischen Volkspartei – Christdemokraten des Kongresses
SOC : Mitglied der Sozialistischen Fraktion
NI : Fraktionsloses Mitglied des Kongresses

[2] Vorentwurf der Empfehlung am 21. September 2009 vom Präsidium des Kongresses angenommen.

Mitglieder des Präsidiums:

Y. Mildon, Präsident des Kongresses, I. Micallef (Präsident des Kongresses a.i. und Präsident der Kammer der Gemeinden), L. Sfirloaga (Präsidentin der Kammer der Regionen), D. Suica, G. Krug, A. Knape,  S. Rihtniemi, H. Zach, I. Borbely, J.‑C. Frécon, S. Orlova, F. Pellegrini, K. Andersen, E. Yeritsyan, I. Michas, O. Van Veldhuizen, N. Romanova.

N.B.: Die Namen der abstimmenden Mitglieder sind kursiv gedruckt.

Sekretariat des Präsidiums: D. Rios, L. Taesch