Entschliessung 190 (2004)1 über die Herausforderungen der Regionalisierung in Südosteuropa

Der Kongress, mit Bezug auf den Vorschlag der Kammer der Regionen,

1. Unter Hinweis auf Entschließung 83 (1999) betreffend den gegenwärtigen Stand und die Aussichten der Regionalisierung in Europa und Entschließung 119 (2001) betreffend die internationale Zusammenarbeit auf regionaler Ebene;

2. Eingedenk der politischen Erklärung von Chişinău über die grenzüberschreitende und interterritoriale Zusammenarbeit zwischen den Staaten in Südosteuropa, die das Ministerkomitee des Europarates bei seiner 113. Sitzung im November 2003 verabschiedete;

3. Nach Prüfung des Berichtes von Carlo Andreotti (Italien, R, EVP/CD) über die Herausforderungen der Regionalisierung in Südosteuropa;

4. In dem Bewusstsein, dass sich die Regionalisierung derzeit in vielen Mitgliedstaaten des Europarates entwickelt und dass die Politik der Dezentralisierung in vielen Ländern zahlreiche positive Zeichen setzt;

5. Unterstreicht die Vorteile der Regionalisierung, die als eines der wichtigsten Instrumente gilt, um auf die Herausforderungen der politischen Entwicklung in Europa einzugehen. Durch sie können die territorialen Besonderheiten jedes Mitgliedstaates berücksichtigt und besser auf die Bedürfnisse der Bewohner eingegangen werden;

6. In der Auffassung, dass die Erfahrung der europäischen Länder mit der Regionalisierung gute Beispiele liefert und die Entwicklung der Verwaltung in Südosteuropa stimuliert;

7. In der Überzeugung, dass:

a. die Förderung, Einsetzung und Stärkung einer authentischen Regionaldemokratie entscheidende Elemente des politischen Stabilisierungsprozesses darstellen und eine Grundvoraussetzung für die Entwicklung der Regionen in Südosteuropa sind;

b. die Regionalebene ein wichtiger Rahmen des demokratischen Lebens in jedem Land ist und daher über ausreichende Befugnisse verfügen muss, damit sie die ihr übertragenen Aufgaben erfüllen kann;

c. die Regionalstrukturen die Grundlage für eine dezentralisierte Verteilung der Finanzressourcen sind;

d. die Region Südosteuropa vor allem effizienter Aktionen bedarf, um die notwendigen Gebietsreformen durchzuführen, Institutionen zu entwickeln und geeignete Organe auf regionaler Ebene einzusetzen;

8. In der Auffassung, dass die Regionalisierung des Territoriums ein Prozess ist, der die Verwaltung eines Landes eher stärkt als schwächt;

9. In der Überzeugung, dass eine rechtzeitig und in Abstimmung mit der Bevölkerung der Regionen durchgeführte Regionalisierung ein politisches Instrument zur Prävention von sozialen und kulturellen Spannungen oder Konflikten im Inneren des Staates sein kann;

10. In der Auffassung, dass die Förderung der Selbstverwaltung und die territoriale Aufteilung die Koexistenz der verschiedenen Volksgruppen im Inneren einer Region und eines Landes begünstigen und die interethnischen und interreligiösen Beziehungen stärken sollten;

11. In der Überzeugung, dass:

a. die Förderung der interregionalen und grenzüberschreitenden Zusammenarbeit eine der Hauptforderungen und –ziele der europäischen Politik darstellt;

b. diese Zusammenarbeit ein wichtiges Instrument zur Stabilisierung und Entwicklung der Region Südosteuropa sowie ein Mittel zur Stärkung des Gefühls der Verbundenheit und der gegenseitigen Abhängigkeit zwischen den Bevölkerungen darstellt, die auf beiden Seiten der Grenzen leben;

12. Begrüßt die Initiativen zur Schaffung einer strukturierten und operationellen grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zwischen den Regionen der Länder Südosteuropas, wie z.B. die Euroregionen;

13. Unter Hinweis auf die jüngsten Arbeiten betreffend die Regionalisierung in den Mitgliedsländern, darunter auch in Südosteuropa;

14. Besorgt über die Notwendigkeit, einen sozialen Konsens in den Ländern Südosteuropas über die politische Umsetzung der Dezentralisierung der Staatsorganisation zu finden;

15. Beauftragt die Kammer der Regionen:

a. die notwendigen Bemühungen zur Förderung der Dezentralisierung der Befugnisse und der Regionalisierung in den Ländern Südosteuropas ausgehend von ihren Arbeiten fortzusetzen und die Regionen in ihren Bemühungen um die Verbesserung ihres Status zu unterstützen, damit das Subsidiaritätsprinzip besser angewendet werden kann;

b. in den Ländern Südosteuropas weiterhin technische Kolloquien über die Regionalisierung abzuhalten, bei denen Erfahrungen und Informationen zusammengetragen werden, die die Länder bei ihrer Suche nach geeigneten dezentralisierten und regionalisierten Strukturen nutzen können;

c. Mechanismen und Verfahren einzurichten, damit in diesem Teil Europas Modelle der Regionalisierung, ausgehend von dem Entwurf der Europäischen Charta der regionalen Selbstverwaltung, die der Kongress ausgearbeitet hat, verbreitet werden können;

d. weiterhin Organisationen und Institutionen der Zivilgesellschaft am Prozess der Dezentralisierung von Befugnissen und der Regionalisierung zu beteiligen, damit sich offene und demokratische institutionelle Strukturen entwickeln können, die den Bürgern die Möglichkeit geben, sich an den politischen Entscheidungen, die sie direkt betreffen, zu beteiligen;

16. Fordert alle Regionen Europas auf:

a. sich stärker bei Partnerschaften und multilateralen Kooperationsstrukturen mit den neuen Mitgliedsländern des Europarates in Mittel- und Osteuropa zu engagieren, insbesondere in Südosteuropa, im Rahmen der Aktivitäten der Kammer der Regionen des Kongresses, um ihre Erfahrungen zu teilen und den Ländern oder Regionen, die darum bitten, auch im Rahmen der Verbindungsbüros der örtlichen Demokratie beizustehen;

b. sich aktiv an den Kooperationsprogrammen und Partnerschaften, die im Rahmen des Stabilitätspaktes für Südosteuropa eingerichtet wurden, zu beteiligen;

17. Fordert die Gemeinden aller Länder Europas auf, die Aktivitäten und Initiativen zur Förderung der Dezentralisierung und Regionalisierung in Südosteuropa zu unterstützen; 

18. Fordert die Regionen der Länder Südosteuropas auf:

a. sich aktiv an den Kooperationsprogrammen zu beteiligen, um von den Erfahrungen und technischen Kenntnissen anderer europäischer Länder im Bereich der Regionalisierung zu profitieren und die Regionaldemokratie zu stabilisieren;

b. aufmerksam die Reformen der öffentlichen Verwaltung auf regionaler Ebene in den jeweiligen Ländern zu verfolgen und darauf zu achten, dass sie sich auf die Prinzipien der Dezentralisierung der Befugnisse und der Subsidiarität stützen;

c. ihre Gemeinden verantwortlich und effizient zu verwalten, die Erwartungen der Bürger zu berücksichtigen und sich auf geschulte Mitarbeiter auf regionaler Ebene zu stützen;

d. den Kongress über die nationalen Entwicklungen im Bereich der Dezentralisierung und der Regionalisierung sowie über die Fortschritte bei der grenzüberschreitenden und interregionalen Zusammenarbeit auf dem Laufenden zu halten;

1 Diskussion und Zustimmung durch die Kammer der Regionen am 4. November 2004 und Annahme durch den Ständigen Ausschuss des Kongresses am 5. November 2004 (siehe Dok. CPR (11) 6, Entschliessungsentwurf vorgelegt durch C. Andreotti (Italien, R, EVP/CD) Berichterstatter).