Entschliessung 161 (2003)1 betreffend den erreichten Fortschritt im Hinblick auf die Annahme des Entwurfs einer Europäischen Charta der Selbstverwaltungin Form einer internationalen Konvention

Der Kongress, mit Bezug auf den Vorschlag der Kammer der Regionen,

1. In Anbetracht seiner Empfehlung 34 (1997), worin er das Ministerkomitee ersucht, eine Europäische Charta der regionalen Selbstverwaltung in Form einer internationalen Konvention anzunehmen;

2. Erinnert an die Empfehlung 1349 (1997) der Parlamentarischen Versammlung, an seine eigene Entschliessung 146 (2002) und an die Stellungnahme des Ausschusses der Regionen der Europäischen Union vom 13. Dezember 2000, welche alle eine rasche Annahme der Charta in Form eines Übereinkommens befürworten;

3. Nach Prüfung des Berichts von Herrn Peter RABE (Deutschland), Berichterstatter, über den gegenwärtigen Stand der zwischenstaatlichen Diskussionen betreffend den Entwurf einer Europäischen Charta der regionalen Selbstverwaltung;

4. Stellt mit Befriedigung folgendes fest:

a. Die 13. Konferenz der für Gemeinden und Regionen zuständigen europäischen Minister (Helsinki, 27.-28. Juni 2002) war dem Thema Regionale Selbstverwaltung in Europa gewidmet;

b. An dieser Konferenz hielten die Minister zwei Arbeitssitzungen ab, deren eine die europäischen Modelle und Grundsätze betraf, während die andere einer eingehenden Prüfung der diesbezüglich durch den Lenkungsausschuss für Gemeinde- und Regionaldemokratie des Europarats (CDLR) ausgearbeiteten Texte gewidmet war;

c. Am Ende der ersten Sitzung führten die Minister ein Kolloquium mit den Vertretern des Kongresses durch, welches erneut Gelegenheit bot, darüber zu diskutieren, welcher Art das durch das Ministerkomitee anzunehmende Vertragswerk über die regionale Selbstverwaltung sein solle;

d. In der zweiten Arbeitssitzung wurde unter anderem vorgeschlagen, dass eine allfällige Konvention über die regionale Selbstverwaltung Staaten, die dies wünschten, die Möglichkeit geben sollte, sich hinsichtlich regionaler Institutionen auf die in der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung enthaltenen rechtlichen Garantien zu beschränken;

e. In der Schlusserklärung der Konferenz2 werden die Grundsätze sowie eine Anzahl allen Teilnehmern genehme Erwägungen betreffend den Nutzen und die Wirksamkeit der regionalen Selbstverwaltung gutgeheissen sowie die Fragen aufgelistet, die ein wie auch immer geartetes Vertragswerk betreffend regionale Selbstverwaltung abdecken muss, wenn es von sämtlichen Mitgliedstaaten akzeptiert werden soll;

f. In Beantwortung der Anfrage des Ministerkomitees betreffend die Art des Vertragswerks erklärten die Minister, dass ein Vertragswerk des Europarats betreffend regionale Selbstverwaltung:

i. auf die durch den CDLR3 bereits festgelegten Kerngedanken und Prinzipien gegründet sein müsse;

ii. ausdrücklich festsetzen müsse, dass jeder Staat das Recht habe, regionale Gebietskörperschaften zu gründen oder davon abzusehen;

iii. den Mitgliedstaaten eine gewisse Freiheit der Wahl lassen müsse, um den Besonderheiten ihres regionalen Selbstverwaltungssystems Rechnung zu tragen;

iv. mit der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung harmonisieren müsse;

g. Artikel 21 der Schlusserklärung der Konferenz empfiehlt dem Ministerkomitee, den CDLR mit der Ausarbeitung von Vertragsentwürfen verschiedenen Typs zu beauftragen, unter Berücksichtigung der geäusserten Vorschläge, der in den Mitgliedstaaten noch im Aufbau befindlichen Erfahrungen sowie der Notwendigkeit, eine zweckdienliche Beziehung zu der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung herzustellen;

5. Begrüsst die Tatsache, dass das Ministerkomitee dem CDLR das Mandat erteilt hat, Vertragswerke verschiedenen Typs betreffend regionale Selbstverwaltung auszuarbeiten4, und dass der CDLR dabei:

a. der Erklärung von Helsinki über regionale Selbstverwaltung als ganzer Rechnung tragen wird;

b. sich dabei der Tatsache bewusst ist, dass unter "Vertragswerke verschiedenen Typs" Konventionen und Empfehlungen zu verstehen sind;

c. sich auf die leitenden Grundsätze stützen wird, welche an der erwähnten Konferenz aufgestellt worden sind;

d. die in den Mitgliedstaaten im Entstehen begriffenen Erfahrungen berücksichtigen wird;

6. Gibt seiner Anerkennung dafür Ausdruck, dass der CDLR, dem Beschluss des Ministerkomitees entsprechend, anlässlich seiner 30. Zusammenkunft (Strassburg, 25.-27. November 2002) den Fachausschuss für Rahmen und Struktur kommunaler und regionaler Gebietskörperschaften (LR-FS) ersuchte, ihn bei der Erfüllung seines Mandats zu unterstützen und insbesondere die ersten Entwürfe von Vertragswerken verschiedenen Typs betreffend regionale Selbstverwaltung zu diskutieren und auszuarbeiten;

7. Nimmt die ersten dieser im Rahmen des erwähnten Fachausschusses ausgearbeiteten und durch den CDLR anlässlich seiner 31. Zusammenkunft (Strassburg, 12.-15. Mai 2003) geprüften Vertragsentwürfe zur Kenntnis;

8. Ist entschlossen, die im Rahmen des CDLR geleistete Arbeit weiterhin zu verfolgen, sodass ein auf die Erfahrungen der regionalen Untereinheiten der Mitgliedstaaten maximal abgestützter endgültiger Entwurf einer Europäischen Charta der regionalen Selbstverwaltung schliesslich durch das Ministerkomitee angenommen und den Mitgliedstaaten zur Unterzeichnung vorgelegt werden kann;

9. Bekräftigt in diesem Zusammenhang erneut seine ablehnende Stellungnahme zu der Annahme einer Empfehlung betreffend die regionale Selbstverwaltung in Europa. Ein solcher Text könnte ein institutionelles Ungleichgewicht innerhalb des europäischen Rechts bewirken, insofern er international eine normative Hierarchie zwischen den Regionen und den Gemeinden herbeiführen würde;

10. Hinsichtlich des Vorschlags jedoch, eine Europäische Konvention betreffend die regionale Selbstverwaltung anzunehmen, wie es in Artikel 4.d, oben, und in dem Dokument des Ministerkomitees betreffend die Konferenz von Helsinki5 erwähnt ist:

a. erachtet dieses für einen juristischen Kompromiss, der einen Beitrag an die laufenden zwischenstaatlichen Diskussionen leisten und dadurch die Annahme einer Europäischen Konvention betreffend die regionale Selbstverwaltung, neben der bereits in Kraft stehenden Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung, erleichtern könnte;

b. anerkennt, dass die Einfügung einer Bestimmung in die neue Konvention betreffend die regionale Selbstverwaltung, wonach den Staaten, die dieses wünschen, die Möglichkeit freisteht, sich hinsichtlich der regionalen Institutionen auf die in der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung enthaltenen rechtlichen Garantien zu beschränken, eine sachdienliche Antwort auf die von manchen Staaten geäusserte Kritik darstellt;

c. möchte darauf hinweisen, dass diese Lösung durch das Bestehen von Artikel 13 der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung ermöglicht wird, der besagt, dass "(...) jede Vertragspartei bei der Hinterlegung ihrer Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunde die Arten von kommunalen oder regionalen Gebietskörperschaften bezeichnen [kann], auf die sie den Anwendungsbereich der Charta beschränken oder die sie von ihrem Anwendungsbereich ausschliessen will. Sie kann ferner durch spätere Notifikation an den Generalsekretär des Europarats weitere Arten von kommunalen oder regionalen Gebietskörperschaften in den Anwendungsbereich der Charta einbeziehen";

d. ist der Ansicht, dass, gestützt auf diesen Artikel und die Bestimmung, die in die neue europäische Konvention über die regionale Selbstverwaltung aufgenommen würde, die von einigen nationalen Delegationen bei der Konferenz von Helsinki6 zu recht erwähnte fruchtbare Harmonisierung dieser Konvention mit der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung gewährleistet wäre;

e. ist überzeugt, dass es aufgrund der kombinierten Anwendung der unter a., oben, erwähnten Bestimmung und Artikel 13 der Charta möglich wäre, zufriedenzustellen:

i. die Staaten, welche sich hinsichtlich ihrer regionalen Institutionen auf die in der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung enthaltenen rechtlichen Garantien beschränken möchten;

ii. die Staaten, welche hinsichtlich ihrer regionalen Institutionen über die in einer Europäischen Charta der regionalen Selbstverwaltung in Form eines Übereinkommens enthaltenen spezifischen internationalen Garantien verfügen möchten;

f. im Falle dieser Kompromisslösung sollten jene Mitgliedstaaten des Europarats, welche die regionale Demokratie auf ihrem Territorium gestützt auf das internationale Recht entwickeln wollen, über alternative Optionen für ihre regionalen Institutionen verfügen, nämlich:

i. Ratifikation der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung (Bezug nehmend auf Artikel 13);

ii. Ratifikation der neuen Europäischen Konvention betreffend regionale Selbstverwaltung;

iii. Ratifikation der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung mit Bezug auf gewisse Regionen und Ratifikation des neuen Europäischen Übereinkommens betreffend regionale Selbstverwaltung mit Bezug auf andere Regionen aufgrund von deren Sonderstatus; gegebenenfalls könnten noch andere Regionen vom Anwendungsbereich dieser beiden Vertragswerke ausgenommen werden;

11. Gibt dem Wunsch Ausdruck, dass die betroffenen Mitgliedstaaten anlässlich der Diskussionen betreffend die zukünftige Verfassung der Europäischen Union die in der vorliegenden Entschliessung enthaltenen Vorschläge berücksichtigen werden;

12. Beschliesst, diese Fragen bei seiner nächsten institutionellen Tagung (Strassburg, 24.-26. November 2003) erneut zu prüfen und beauftragt sein Präsidium, in Verbindung mit dem Institutionellen Ausschuss der Kammer der Regionen die den Gegenstand der vorliegenden Entschliessung bildenden zwischenstaatlichen Diskussionen weiter zu verfolgen;

13. Fordert seine Mitglieder und seine nationalen Delegationen auf, bei ihren Regierungen dahingehend vorstellig zu werden, dass diese die Annahme einer Europäischen Charta der regionalen Selbstverwaltung in Form einer Konvention unter Berücksichtigung der in der vorliegenden Entschliessung enthaltenen Vorschläge unterstützen.

1 Diskussion und Zustimmung durch die Kammer der Regionen am 20. Mai 2003 und Annahme durch den Ständigen Ausschuss des Kongresses am 22. Mai 2003, (siehe Dok. CPR (10) 2, Entschliessungsentwurf, vorgelegt durch Herrn P. Rabe, Berichterstatter)

2 Dokument der Konferenz von Helsinki MCL-13(2002)8 final

3 Dokument der Konferenz von Helsinki MCL-13(2002)3

4 Beschluss Nr. CM/850/10102002

5 CM(2002)125 vom 21. August 2002

6 Siehe insbesondere das durch die Delegation des Vereinigten Königreichs anlässlich der Konferenz von Helsinki ausgearbeitete Dokument, Artikel 18, sowie die von der französischen Delegation geäusserte Ansicht, wonach die Prinzipien der "kommunalen Selbstverwaltung" im Sinne der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung allen Gebietskörperschaften gleichermassen zugute kommen.