Entschließung 205 (2005)1 über Fragen der kulturellen Identität in peripheren Stadtgebieten: Die Rolle der Gemeinden und Regionen

Der Kongress,

1. Unter Hinweis auf Empfehlung 177 (2005) über „Fragen der kulturellen Identität in peripheren Stadtgebieten: Die Rolle der Gemeinden und Regionen”, die sich unter anderem auf die Arbeit des Europarates zu diesem Thema bezieht und hier zu berücksichtigen ist;

2. Unter Hinweis auf das Handbuch der guten Praktiken, das dem Bericht „Fragen der kulturellen Identität in peripheren Stadtgebieten: Die Rolle der Gemeinden und Regionen“ beigefügt ist;

3. Eingedenk:

a; der Bestimmungen der Europäischen Städtecharta und Empfehlung 155 (2004) über die revidierte Europäische Städtecharta;

b. der Empfehlung 17 (1996) über Verantwortlichkeiten und Initiativen der Städte in Bezug auf Bildung;

c. der Empfehlung 59 (1999) betreffend „Europa 2000, Beteiligung der Jugend: Die Rolle der jugendlichen Bürger ";

d. der Empfehlung 128 (2003) betreffend die revidierte Europäische Charta über die Beteiligung von Jugendlichen am Leben der Gemeinde und der Region;

e. der Empfehlung (2002) 12 des Ministerkomitees an die Mitgliedstaaten über die Erziehung zur demokratischen Staatsbürgerschaft;

4. Erinnert die kulturellen und religiösen Gruppen daran, dass für die Achtung anderer Menschen die Anerkennung der grundlegenden Gleichheit aller Mitglieder der Gesellschaft notwendig ist (Grundsatz der Nicht-Diskriminierung);

5. Ist überzeugt, dass die kulturellen Gruppen, die die Grundwerte des Europarates achten, einander die gleichen Möglichkeiten für die Beteiligung am Leben der Gesellschaft und zur freien Meinungsäußerung auch bei politischen Organen auf lokaler und regionaler Ebene gemäß den Prinzipien einer demokratischen und pluralistischen Gesellschaft zugestehen sollten;

6. Stellt fest:

a. dass sich die Konfrontation und das Unverständnis in Europa verschlimmern und auch die Gebiete am Stadtrand davon nicht verschont bleiben;

b. dass in verschiedenen europäischen Ländern besonders bedauerliche Formen von Gewalt in den Städten auftreten und insbesondere die weniger schweren Formen der Gewalt zugenommen haben, die wiederholt auftreten und sogar in einigen benachbarten Stadtteilen an der Tagesordnung zu sein scheinen;

c. dass ein breites Spektrum von Gewalttaten existiert, das von Vandalismus gegen Gegenstände oder Gebäude bis hin zu körperlicher Gewalt gegen Personen geht, die in diesen schwierigen Stadtteilen leben, nicht zu vergessen die rassistischen Taten und die Gewalt gegen junge Frauen;

d. dass die Tendenz zur Gewalt an den Schulen immer jüngere Kinder betrifft und auf Altersgruppen übergreift, die früher immun gegen das Problem waren;

7. Ist der Auffassung, dass die Gewalt an den Schulen untrennbar verbunden ist mit der Unsicherheit in den Städten, insbesondere in den Vierteln am Stadtrand;

8. Äußert seine Besorgnis angesichts der Gefahren, die eine solche Gewalt in den Randgebieten für unsere Gesellschaft birgt, die:

a. das Image dieser Bezirke bei den Jugendlichen und anderen Bewohnern der großen Wohngebiete verschlechtert;

b. die Unterrichtsbedingungen verschlechtert, die dann möglicherweise zu einem verstärkten Scheitern in der Schule, insbesondere in den Randgebieten führen, in denen die schulischen Schwierigkeiten bereits häufiger auftreten als in anderen wohlhabenderen Stadtteilen;

c. dazu führen kann, dass aufgrund der Trivialisierung der Gewalttätigkeit die Täter diese außerhalb der Schule und später im Erwachsenenleben wiederholen;

d. die Zahl der Jugendlichen mit Integrationsproblemen in die Gesellschaft aufgrund ihres Verhaltens oder ihres schulischen Scheiterns stark angestiegen ist;

9. Ist daher der Auffassung, dass die Verschlechterung der Lebensbedingungen in diesen benachbarten Stadtteilen enorme soziale und wirtschaftliche Kosten mit sich bringt und viel Leid verursacht. Daher ist es notwendig, dass alle Akteure der Gesellschaft das Problem anerkennen und dringend etwas dagegen tun;

10. Ist überzeugt, dass die folgenden Grundprinzipien jeder Politik zur Bekämpfung sozialer Ausgrenzung zugrunde liegen müssen:

a. die Prävention von Gewalt in diesen Außenbezirken ist ein Schlüsselelement der Erziehung zur demokratischen Staatsbürgerschaft, besonders für die Erziehung zu Toleranz, interkulturellen Beziehungen, Chancengleichheit, Menschenrechten und friedlicher Beilegung von Konflikten;

b. die lokale und regionale Politik sollte nach einem Gleichgewicht zwischen den Präventivmaßnahmen und Reaktionen streben und langfristig angelegt sein;

c. Jugendliche müssen als direkt betroffene Akteure in ihrer Schlüsselrolle anerkannt werden und an allen Formen zur Förderung der aktiven, innovativen nachbarschaftlichen Partizipation beteiligt werden;

d. Dialog ist die beste Methode, um Konflikte zu lösen und den Bewohnern eine friedliche Bewirtschaftung der Ressourcen, die ihnen die Gemeinden und Regionen zur Verfügung gestellt haben, zu ermöglichen;

11. Ist der Überzeugung, dass die Hauptursachen der schlechten Interaktion durch partnerschaftliches Arbeiten mit den verschiedenen Teilen des Bildungssystems, Verbänden und allen lokalen Akteuren der Gemeinschaft zu überwinden sind;

12. Ist der Auffassung, dass lokale Partnerschaften dieser Art flexibel sein müssen, ohne schwerfällige Organisationsstrukturen, damit rasche Reaktionen und eine Kooperation, die auf gegenseitigem Vertrauen und einem regulären Dialog basiert, möglich sind;

13. Ist überzeugt, dass die Gemeinden und Regionen am besten in der Lage sind, innovative, effektive Initiativen für die Entwicklung solcher lokalen Partnerschaften zu unterstützen oder selbst durchzuführen, indem sie die verschiedenen lokalen Dienste, die Zivilgesellschaft, die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen und die gesamte örtliche Gemeinschaft zusammenbringen und konzertierte Aktionen durchführen können;

14. Fordert die Gemeinden Europas auf:

a. in Kunst zu investieren, die die Bewohner dieser benachbarten Stadtviertel in gemeinsamen Projekten zusammenführt und diesen Initiativen die notwendige Priorität und ausreichende Human-, Material- und Finanzressourcen für die Umsetzung effektiver andauernder Maßnahmen zur Verfügung zu stellen;

b. über die lokalen Dienste für unterschiedliche kulturelle Aktivitäten zu werben und die Bewohner der betroffenen benachbarten Stadtteile in diese neuen Aktivitäten einzubinden, um das Bewusstsein und ein Klima der Solidarität und der Kooperation zwischen den verschiedenen peripheren städtischen Gremien zu schaffen und alle relevanten lokalen Gemeindeakteure zu mobilisieren;

c. Initiativen anzuregen und Künstler zu unterstützen, die versuchen, Anreize für fachübergreifende, solidarische Aktivitäten zu schaffen, bei denen alle Sektoren der Gemeinde und die Bevölkerung als Ganzes beteiligt werden;

d. sicherzustellen, dass junge Menschen eine entsprechende Rolle bei der Definition und Umsetzung der kulturellen und sozialen Strategien und Programme erhalten und sie enger in die Gemeindepolitik und die politische Umsetzung einzubinden;

e. eine ganze Reihe zusätzlicher kultureller Aktivitäten durchzuführen, um die Würde der Menschen wiederherzustellen;

f. jungen Menschen mehr Chancen zu bieten, damit sie lernen, wie sie sich in der Gesellschaft als sozial engagierte, verantwortungsbewusste Bürger zu benehmen haben;

g. sich von den Prinzipien und Empfehlungen der Europäischen Charta über die Beteiligung der Jugendlichen am Leben in der Gemeinde und der Region leiten zu lassen, um die Beteiligung junger Menschen am Gemeindeleben allgemein zu fördern, sicherzustellen, dass ihren Problemen und Vorschlägen mehr Beachtung geschenkt wird, damit sie so früh wie möglich ein Gefühl für eine aktive, sozial verantwortliche Staatsbürgerschaft entwickeln und in der Lage sind, ihren Standpunkt zu äußern und zu verteidigen, die Argumente der anderen zu hören und zu verstehen, Unterschiede zu akzeptieren und Streitigkeiten gewaltfrei zu lösen, Entscheidungen zu treffen, geteilte Verantwortung zu tragen und konstruktive Beziehungen zu anderen aufzubauen;

h. Programme zur Rehabilitation der Gebiete am Stadtrand durch die Verbesserung der öffentlichen Verkehrsmittel und die Förderung der Sport- und Freizeitaktivitäten, insbesondere in benachbarten Stadtteilen zu unterstützen;

i. zusammen mit den Verantwortlichen der Schulen innovative Maßnahmen zu entwickeln, damit die Schulen offener für das Gemeindeleben werden;

j. die regionalen und kommunalen Medien aufzufordern, keine Sensationsberichte über Gewalttaten zu bringen und auch über positive Prävention und Initiativen zur Sensibilisierung für Jugendliche und die Öffentlichkeit im Allgemeinen zu berichten, um das Image der betroffenen benachbarten Stadtteile zu verändern;

15. Fordert den Kongress und insbesondere den Ausschuss für Kultur und Bildung der Kammer der Gemeinden auf:

a. so weit wie möglich die Arbeit des Europarates für den sozialen und interkulturellen Dialog zu verbreiten und über sein Netz von NROs die Verbände zu fördern, die bei den Aktionen zur Verbesserung des Verständnisses und der Interaktion zwischen Bürgern besonders aktiv sind;

b. zur Ausarbeitung einer Empfehlung des Ministerkomitees an die Mitgliedstaaten beizutragen;

c. zur Erarbeitung eines Handbuches der guten Praktiken, ausgehend von tatsächlichen Erfahrungen und greifbaren Beispielen für Strategien zur Entwicklung integrierter Kulturprojekte, beizutragen;

d. zur weiteren Sammlung von Erfahrungen und der Verbreitung der guten Praktiken in Europa beizutragen, unter anderem durch die Einrichtung von Kulturnetzen als Quelle der Inspiration und der Innovation und dabei von den städtischen „Ghettos” weg zu kommen und diese durch Kulturräume zu ersetzen, die der Welt als Ganzes und anderen offen stehen.

1 Diskussion und Annahme durch den Ständigen Ausschuss des Kongresses am 9. November 2005 (siehe Dok. CG (12) 24, Entschliessungsentwurf vorgelegt durch E. Van Vaerenbergh (Belgien, L, ILDG), Berichterstatter).