Entschließung 181 (2004)1 über einen Pakt zur Integration und Beteiligung der Einwanderer in den Städten und Regionen Europas

Der Kongress, mit Bezug auf einen Vorschlag der Kammer der Gemeinden,

1. Unter Verweis insbesondere auf :

a. das Übereinkommen des Europarates über die Beteiligung von Ausländern am kommunalen öffentlichen Leben, das 1992 zur Unterzeichnung aufgelegt und bis heute von 10 Staaten unterzeichnet und von 7 der 45 Mitgliedstaaten ratifiziert wurde;

b. die Entschließung 76 (2000), die nach der Konferenz von Straßburg am 5. und 6. November 1999 verabschiedet wurde, die der Kongress, die Stadt Straßburg und der Ausländerbeirat mit organisierten;

c. die Entschließung 115 (2002) über „Die Partizipation der ausländischen Einwohner am öffentlichen Leben der Gemeinde: Die Beratungsorgane“, die nach der Anhörung vom 14. Dezember 2001 verabschiedet wurde, die der Kongress auf Einladung des Bürgermeisters von Stuttgart in dieser Stadt organisierte;

2. Unter Verweis auf die jüngsten Arbeiten der Parlamentarischen Versammlung des Europarates und insbesondere auf seine Empfehlung 1500 (2001) über die Beteiligung von Einwanderern und Ausländern am politischen Leben in den Mitgliedstaaten des Europarates sowie Empfehlung 1625 (2003) über die Integrationspolitik der Mitgliedstaaten des Europarates;

3. Unter Verweis ebenfalls auf Empfehlung (2001) 19 des Ministerkomitees an die Mitgliedstaaten über die Beteiligung der Bürger am öffentlichen Leben auf kommunaler Ebene, insbesondere Absatz 5 in Kapitel D im Anhang II, in dem es um Ausländer geht und in dem die Staaten aufgefordert werden, sich an den Instrumenten zu orientieren, die in dem Übereinkommen des Europarates von 1992 vorgesehen sind, selbst wenn diese Bestimmungen für die Staaten rechtlich nicht bindend sind;

4. Dankt dem Bürgermeister von Stuttgart für die Ausrichtung der Konferenz über „Die Integration und Partizipation von Ausländern in den Städten Europas“ am 15. und 16. September 2003 in seiner Stadt, die vom Kongress und der Stadt Stuttgart mit Hilfe des integrierten Projektes des Europarates „Die demokratischen Institutionen in Aktion“ mit organisiert wurde;

5. Unter Berücksichtigung des Berichtes von Helene Lund und Wolfgang Schuster [CPL (11) 4. Teil II], der Entschließung … (2004), der Schlusserklärung, die bei der Konferenz von Stuttgart verabschiedet wurde und der erwähnten Entschließung beigefügt ist, sowie der Konferenzberichte;

6. Verweist auf die wachsende Vielfalt der Staatsangehörigkeiten der Bewohner der europäischen Städte nach den vergangenen und jüngsten Migrationströmen und ist überzeugt, dass diese Ströme nach Europa noch zunehmen werden;

7. Erachtet eine verstärkte Kooperation auf allen Regierungsebenen als notwendig, um einen kohärenten Rahmen abzustecken, der eine legale und geordnete Einwanderung zulässt und effektiv gegen die illegale Einwanderung vorgeht, die den Handel und die Ausbeutung von Menschen begünstigt;

8. Unterstreicht, dass diese Migrationströme die Vielfalt und die Vitalität unserer Städte fördern, zahlreiche demografische, wirtschaftliche und kulturelle Vorteile, aber auch große Herausforderungen bezüglich der Integration dieser Personen und ein harmonisches Zusammenleben in der europäischen Gesellschaft mit sich bringen;

9. In der Erwägung, dass die Integration von Einwanderern eine gemeinsame Verantwortung darstellt, für die eine nationale und europäische Solidarität notwendig ist, um die Gemeinden und Regionen, die direkt von den Migrationströmen betroffen sind, zu unterstützen;

10. Stellt fest, dass die Gemeinden und Regionen für die Umsetzung der Integrationsprogramme zwar wichtig sind, jedoch unzureichend in die Entscheidungsfindung bei Migration und Integration eingebunden werden und oft die Aktionen selbst durchführen müssen, was ihren Haushalt sehr schwächt;

11. Ist der Auffassung, dass die Integrationsprogramme einerseits eine effektive Integration der bereits niedergelassenen Einwanderer anstreben sollten, die in den Gebietskörperschaften, in denen sie wohnen, bleiben möchten und andererseits spezifische Maßnahmen für die Integration von Neuankömmlingen einrichten sollten;

12. Ruft zu einer verstärkten Kooperation zwischen den verschiedenen politischen Ebenen (national, regional und kommunal) sowie der Zivilgesellschaft auf, um folgende drei prioritäre Ziele zu erreichen:

i. Integration und Partizipation zur Förderung der Chancengleichheit (rechtlich und tatsächlich), damit alle gleiche Rechte und Pflichten erhalten;

ii. politisches Miteinander, das für die Achtung, im Sinne der Toleranz, der Rechte und Freiheiten des Einzelnen und insbesondere der Meinungs- und Religionsfreiheit notwendig ist;

iii. Hervorhebung der kulturellen Vielfalt als Ressource durch die interkulturelle Offenheit im städtischen Leben und den öffentlichen Diensten;

13. Unterstreicht, dass die Chancengleichheit nur mit Hilfe von Maßnahmen zur positiven Diskriminierung in einigen spezifischen Bereichen erreicht werden kann, die adäquater Human- und Finanzressourcen bedürfen;

14. Unterstreicht weiterhin, dass parallel zu jedem Integrationsprogramm effektive Maßnahmen im Kampf gegen Diskriminierung, Rassismus und Intoleranz zu ergreifen sind;

15. Fordert die Gebietskörperschaften Europas auf, sich an der Abschlusserklärung von Stuttgart zu orientieren und die Integration und Partizipation von Einwanderern zu fördern, insbesondere:

a. diesen Fragen große politische Priorität beizumessen, alle Beteiligten auf kommunaler Ebene in einen echten „Integrationspakt“ einzubinden und eine intensive Kommunikationspolitik hierzu mit allen Einwohnern zu betreiben;

b. diese Problematik in die Politik der Stadt zu integrieren, damit auf die besonderen Bedürfnisse der Einwanderer insbesondere in den Bereichen Erziehung, Ausbildung, Sprachfähigkeiten, Unterkunft, Sozial- und Kulturprogramme berücksichtigt werden können;

c. die Begegnung, den Dialog und den Austausch mit allen Einwohnern der Stadt anzuregen, den Wert der kulturellen Vielfalt hervorzuheben und die aktive Beteiligung aller an den verschiedenen Bereichen des örtlichen Lebens zu fördern;

d. örtliche Beratungsstrukturen oder Integrationsausschüsse einzurichten, in Anlehnung an das Handbuch des Kongresses2 über diese Strukturen, unabhängig davon, ob alle Ausländer  das Wahlrecht auf kommunaler Ebene erhalten oder nicht;

e. einen interkulturellen Ansatz bei allen städtischen Diensten durch eine entsprechende Ausbildung des Personals und die Zusammenstellung von interkulturellen Teams zu gewährleisten;

f. mit Unterstützung anderer Regierungsebenen langfristige Programme einzurichten, die regelmäßig auf Erfolg geprüft und an die Bedürfnisse angepasst werden;

g. den Erfahrungsaustausch mit anderen Gebietskörperschaften auf nationaler und europäischer Ebene zu verstärken, um zu der Verbreitung erfolgreicher Praktiken beizutragen ;

16. Fordert den Ausschuss für Kultur und Erziehung im Rahmen seiner künftigen Arbeiten an Strategien und Programmen zur Verbesserung der Integration und Partizipation der Einwanderer in alle Bereiche des Lebens der Gebietskörperschaften Europas (in den Bereichen Wirtschaft, Soziales, Kultur oder Politik) auf, seine Tätigkeiten fortzusetzen gemeinsam mit den zuständigen Ausschüssen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates sowie dem Regierungssektor und insbesondere dem Lenkungsausschuss für Migration (CDMG) und dem Lenkungsausschuss für Gemeinde- und Regionaldemokratie (CDLR);

17. Begrüßt die Stadt Stuttgart zu ihrer Initiative, ein Netz der europäischen Städte zu schaffen, um den Erfahrungsaustausch zu fördern und erfolgreiche Praktiken in diesem Bereich zu verbreiten und wird zum Erfolg dieses Netzes im Rahmen seiner Human- und Finanzmöglichkeiten beitragen.

Anhang

Abschlusserklärung der Konferenz „Integration und Partizipation von Ausländern in den Städten Europas“
15. – 16. September 2003
Stuttgart, Hauptstadt von Baden-Württemberg, Deutschland

Die Teilnehmer der Konferenz „Integration und Partizipation von Ausländern in den Städten Europas“, die am 15. und 16. September 2003 in Stuttgart stattfand und bei der etwa 400 Teilnehmer aus 30 Ländern zusammen kamen, insbesondere Vertreter der Gemeinden und Regionen, der Parlamente, Regierungsexperten und Vertreter der Zivilgesellschaft und verschiedener Migrationsverbände, erklären Folgendes:

1. Wir stellen fest, dass in einer Zeit der Globalisierung, die Migrationströme aus der ganzen Welt nach Europa zunehmen. Von diesem Phänomen werden immer mehr Ursprungsländer betroffen sein, es trägt aber zur Vielfalt und Vitalität unserer Städte bei und stellt uns gleichzeitig aber auch vor eine Herausforderung.

Sicherlich wird die Migration des 21. Jahrhunderts eine andere historische Dimension haben; trotzdem stellen wir fest, dass die Migranten zur Entwicklung des europäischen Kontinentes beigetragen haben und noch immer beitragen und ihn auf vielerlei Weise bereichern.

2. Für eine erfolgreiche Integrationspolitik ist es notwendig, sich auf die Netze der verschiedenen politischen Ebenen zu stützen, aber auch auf die Gemeindepolitik sowie das Engagement der Zivilgesellschaft. Nur wenn man gemeinsam handelt, können die folgenden drei strategischen Ziele erreicht werden :

3. Diese drei Ziele können nur durch eine Zusammenarbeit der verschiedenen politischen Ebenen bei folgenden Elemente erreicht werden:

4. Die Integrationspolitik in den europäischen Städten wird eine wachsende Herausforderung und eine langfristige Aufgabe sein.

Angesichts der unterschiedlichen Möglichkeiten und lokalen Erfahrungen empfehlen wir dem Europarat folgende Maßnahmen zu ergreifen:

1 Diskussion und Zustimmung durch die Kammer der Gemeinden am 25. Mai 2004 und Annahme durch den Ständigen Ausschuss am 27. Mai 2004, (siehe Dok. CPL (11) 4, Entschliessungsentwurf vorgelegt durch H. Lund (Dänemark, L, SOZ) und W. Schuster (Deutschland, L, EVP/CD), Berichterstatter).

2 Mit Unterstützung des integrierten Projektes des Europarates „Die demokratischen Institutionen in Aktion“