Empfehlung 156 (2004)1 über das Übereinkommen des Europarates über die regionale Selbstverwaltung – Fortschritte beim Entwurf

Der Kongress, mit Bezug auf den Vorschlag der Kammer der Regionen,

1. In Anlehnung an Empfehlung 34 (1997), in der das Ministerkomitee des Europarates aufgefordert wird, eine europäische Charta der regionalen Selbstverwaltung in Form eines internationalen Übereinkommens zu verabschieden;

2. Unter Verweis auf die Empfehlung 1349 (1997) der Parlamentarischen Versammlung und die Stellungnahme Nr. 300 vom 13. Dezember 2000 des Ausschusses der Regionen, die beide den Entwurf einer europäischen Charta der regionalen Selbstverwaltung und ihre rasche Verabschiedung in Form eines Übereinkommens unterstützen;

3. Angesichts der Entschließungen 146 (2002) und 161 (2003) über die Fortschritte der zwischenstaatlichen Arbeiten im Hinblick auf die Verabschiedung eines Übereinkommens des Europarates über die regionale Selbstverwaltung;

4. Unter Berücksichtigung der Stellungnahme, die die Vertreter einiger Regierungen, insbesondere aus dem Vereinigten Königreich, Ungarn und Italien 2003 vor dem Kongress abgaben, bei der es um eine mögliche Verabschiedung eines Übereinkommens des Europarates über die regionale Selbstverwaltung geht;

5. Angesichts:

a. des Vorschlages der ungarischen Regierung, die 14. Konferenz der Minister, zuständig für die Gemeinden und Regionen des Europarates, in Budapest in der ersten Hälfte des Jahres 2005 abzuhalten;

b. der Tatsache, dass der 3. Gipfel der Staats- und Regierungschefs des Europarates 2005 in Warschau (Polen) stattfindet;

6. Nach Prüfung des Berichtes von Giovanni Di Stasi, (Italien, R, SOC) und Karsten Behr (Deutschland R, EVP, CD), Berichterstatter, die die Fortschritte bei der Ausarbeitung eines Übereinkommens des Europarates über die regionale Selbstverwaltung nach der 10. Plenartagung des Kongresses (Straßburg, 20. – 22. Mai 2003) prüften;

7. Stellt mit Befriedigung fest, dass der Lenkungsausschuss für Gemeinde- und Regionaldemokratie (CDLR), unterstützt von seinem Expertenausschuss für Rahmen und Struktur der Gemeinden und Regionen (LR-FS), gemäß den bei der 13. Konferenz der europäischen Minister zuständig für Gemeinden und Regionen, (Helsinki, 27. – 28. Juni 2002) getroffenen Entscheidungen und gemäß dem Mandat, das das Ministerkomitee, auf Grund dieser Entscheidungen2 ihm übertragen hat;

a. einen Entwurf für ein Übereinkommen über die regionale Selbstverwaltung und einen Empfehlungsentwurf des Ministerkomitees des Europarates über die regionale Selbstverwaltung ausgearbeitet hat;

b. diese beiden Entwürfe bei der 33. Tagung (Straßburg, 17. –19. Mai 2004) angenommen und sie zusammen mit einem Tätigkeitsbericht an das Ministerkomitee weiter geleitet hat; 

8. Dankt dem CDLR für die Ausarbeitung eines Entwurfes eines Übereinkommens über die regionale Selbstverwaltung:

a. ausgehend von den Grundkonzepten und Prinzipien, die der CDLR bereits festlegte  und unter Berücksichtigung des Entwurfes der Charta, die der Kongress 1997 gebilligt hat;

b. stellt ausdrücklich fest, dass jeder Staat das Recht besitzt, Regionen zu schaffen oder nicht;

c. sieht „ein System à la carte“ vor, nach dem die Vertragsstaaten unter bestimmten Bedingungen beschließen können, einzig und allein die Bestimmungen zu ratifizieren, die ihrer Auffassung nach in ihre eigene Rechtsplanung und ihre Verwaltungs- und Territorialstruktur passen;

d. das eine einleitende Bestimmung enthält, die den Staaten die Möglichkeit gibt, für die Regionen nur die allgemeinen Grundsätze des Übereinkommens zu akzeptieren und sich beim Rest gegebenenfalls auf die Rechtsschutzgarantien zu beschränken, die in der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung enthalten sind;

9. Ist insbesondere bezüglich der Beziehung zwischen dem Entwurf des Übereinkommens über die regionale Selbstverwaltung und der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung der Auffassung, dass gemäß den in Entschließung 161 (2003) dargelegten Vorschlägen auch eine Lösung möglich wäre, bei der die Staaten für ihre Regionen alternative Möglichkeiten haben, d.h:

a. Ratifizierung der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung (ausgehend von Artikel 13),

b. Ratifizierung des Übereinkommens über die regionale Selbstverwaltung oder

c. Ratifizierung der Charta der kommunalen Selbstverwaltung bezogen auf einige Regionen und Ratifizierung des Übereinkommens über die regionale Selbstverwaltung bezogen auf andere Regionen, je nach ihrem besonderen Status. Gegebenenfalls könnten andere Regionen vom Geltungsbereich der beiden Instrumente ausgeschlossen werden;

10. Ist der Auffassung, dass der Entwurf des Übereinkommens, der vom CDLR gebilligt wurde, bereits ein juristischer Kompromiss ist, der die Annahme eines Übereinkommens über die regionale Selbstverwaltung des Europarates neben der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung erleichtert, die bereits in Kraft ist;

11. Ist jedoch davon überzeugt, dass die Verabschiedung einer Empfehlung des Ministerkomitees über die regionale Selbstverwaltung zu einem institutionellen Ungleichgewicht im europäischen Recht führen könnte, denn ein solcher Text würde angesichts der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung eine internationale normative Hierarchie zwischen den Gemeinden und Regionen auf dem Kontinent schaffen;

12. Verweist darauf, dass ein internationales Übereinkommen ein Rechtsinstrument ist, das nur für die Staaten bindend ist, die dieses akzeptiert haben und gemäß seiner Rechtsnatur steht es den Staaten absolut frei ein Übereinkommen zu unterzeichnen oder nicht;

13. Ist daher der Auffassung, dass die Staaten, die noch gegen ein Übereinkommen über die regionale Selbstverwaltung sind, sich nicht gegen die Verabschiedung eines solchen Instrumentes im Ministerkomitee stellen sollten; obwohl sie das Recht haben, Vorbehalte auszusprechen, sollten die Staaten, die dies immer noch ablehnen, nach dem europäischen Geist die Staaten, die bereits ihre prinzipielle Zustimmung gegeben haben, nicht durch ihre Opposition an einem solchen Übereinkommen hindern;

14. Ist der Ansicht, dass aufgrund der vorgeschlagenen rechtlichen Lösungen zur Stärkung des flexiblen Charakters des Übereinkommens und des Rechtes jedes Staates, den Text nicht zu unterzeichnen und zu ratifizieren, schließlich dieses neue internationale Rechtsinstrument von allen Mitgliedstaaten des Europarates angenommen werden kann;

15. Fordert angesichts des oben Beschriebenen die Parlamentarische Versammlung auf, dem Ministerkomitee zu empfehlen, rasch ein Übereinkommen des Europarates über die regionale Selbstverwaltung, ausgehend von dem Entwurf des CDLR, anzunehmen;

16. Fordert das Ministerkomitee auf, den Entwurf des Übereinkommens des Europarates über die regionale Selbstverwaltung, ausgearbeitet vom CDLR, zu prüfen und zur Stellungnahme weiter zu leiten an:

a. eine der nächsten Konferenzen der Minister, zuständig für Gemeinden und Regionen des Europarates, und

b. den 3. Gipfel der Staats- und Regierungschefs des Europarates;

17. Fordert die Regierungen der Mitgliedstaaten des Europarates auf, den Entwurf des Übereinkommens des Europarates über die regionale Selbstverwaltung, ausgearbeitet vom CDLR, zu prüfen und gegebenenfalls bei den erwähnten Konferenzen und/oder dem Gipfel anzunehmen, damit er rasch und definitiv durch das Ministerkomitee verabschiedet werden kann.

1 Diskussion und Zustimmung durch die Kammer der Regionen am 26. Mai 2004 und Annahme durch den Ständigen Ausschuss des Kongresses am 27. Mai 2004 (siehe Dok. CPR (11) 2, Empfehlungsentwurf vorgelegt durch G. Di Stasi (Italien, R, SOC) und K. Behr (Deutschland, R, EVP/CD), Berichterstatter).

2 Beschluss Nr.CM/850/10.10.2002